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       # taz.de -- Der weltweit höchstverschuldete Konzern: Immobilienriese muss dichtmachen
       
       > Jetzt ist Schluss für China Evergrande, beschied eine Richterin. Die
       > Abwicklung des Bauträgers dürfte Folgen für die ganze Volkswirtschaft
       > haben.
       
   IMG Bild: Ein von Evergrande entwickeltes Wohnhaus: Jetzt wird der Bauträger abgewickelt
       
       Hongkong dpa | Linda Chan hat es gereicht: In der chinesischen
       Immobilienkrise hat die Hongkonger Richterin die Auflösung des hoch
       verschuldeten Konzerns China Evergrande [1][angeordnet]. Ein entsprechendes
       Urteil fällte Chan am Montag in der chinesischen Sonderverwaltungszone und
       folgte damit dem Antrag der Gläubiger.
       
       Immobilienriese China Evergrande landete [2][wegen nicht bezahlter Kredite
       vor Gericht]. Einen Vorschlag, die im Verfahren verhandelten Schulden des
       südchinesischen Konzerns im Wert von etwa 23 Milliarden US-Dollar (ungefähr
       21,2 Milliarden Euro) umzustrukturieren, lehnten die im Ausland sitzenden
       Gläubiger mehrmals ab.
       
       Die Anhörung habe eineinhalb Jahre gedauert, und die Firma sei immer noch
       nicht fähig, einen konkreten Vorschlag für eine Restrukturierung
       vorzubringen, sagte Chan, wie die South China Morning Post berichtete. „Ich
       denke, es ist Zeit für das Gericht zu sagen, genug ist genug“, sagte sie
       demnach.
       
       Chan gab dem mit umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar weltweit am
       höchsten verschuldeten Konzern mehrmals Aufschub, um eine Lösung zu finden.
       Evergrande kann gegen das Urteil in Berufung gehen. Bis zu einer
       Entscheidung würde der Abwicklungsprozess allerdings erst einmal
       eingeleitet werden.
       
       ## Folgen für Chinas ganze Wirtschaft
       
       An der Hongkonger Börse rauschte das Papier der Evergrande Group am Montag
       in die Tiefe. Der Handel mit der Aktie wurde gestoppt. Die Abwicklung
       Evergrandes könnte auf den Märkten, denen Peking jüngst versuchte, wieder
       auf die Beine zu helfen, Wellen schlagen und das Vertrauen in den
       chinesischen Immobilienmarkt weiter schwächen. Jetzt beginnt die Suche nach
       einem Insolvenzverwalter. Der verkauft die Anlagen des Unternehmens, um
       damit die Schulden an die Gläubiger zu bezahlen.
       
       Dass die Gläubiger in Hongkong vor Gericht zogen, lag daran, dass
       Evergrande an der dortigen Börse gelistet ist. Ob das Urteil jedoch in
       Festlandchina, wo viel Vermögen des Konzerns sitzt und ein anderes
       Rechtssystem herrscht, umgesetzt wird, ist unklar. Für einen Verwalter
       könnte es schwer werden, am offiziellen Firmensitz im südchinesischen
       Guangzhou personelle Entscheidungen zu treffen.
       
       Für die Gläubiger könnten die Aussichten eher schlecht stehen, viel von
       ihrem Geld wiederzubekommen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass der
       Verwalter einen neuen Plan erarbeitet, die Schulden bei den
       Auslandskreditgebern umzubauen. Allerdings müsste dafür feststehen, dass
       der Konzern noch genug Anlagen hat, oder es müsste ein „Weißer Ritter“
       auftauchen, also ein Investor mit dem nötigen Geld.
       
       Die Krise bei China Evergrande und im Immobiliensektor lastet schwer
       [3][auf der chinesischen Wirtschaft]. „In China Evergrade manifestiert sich
       die aktuelle Immobilienkrise in konzentrierter Form“, sagt Chefökonomin
       Wang Dan von der Hang Seng Bank China.
       
       Für die Volksrepublik war Bauen einer der wichtigsten Konjunkturtreiber.
       Der Immobilienbereich macht der Expertin zufolge mehr als 20 Prozent der
       chinesischen Wirtschaftsleistung aus. 2023 legte die zweitgrößte
       Volkswirtschaft der Welt nach offiziellen Zahlen um 5,2 Prozent zu. In
       diesem Jahr könnte das Wachstum laut der Weltbank allerdings deutlich
       niedriger ausfallen.
       
       Zudem war die Branche ein wichtiger Anlaufpunkt für arbeitsuchende
       Uniabsolventen. Mit wenigen Voraussetzungen ließ sich hier laut Wang gutes
       Geld verdienen, etwa als Makler oder als Angestellter in einer großen
       Immobilienfirma. Da der kränkelnde Sektor seine Rolle als Arbeitsbeschaffer
       mittlerweile verloren hat, trägt er nun zur hohen Arbeitslosigkeit unter
       jungen Leuten bei. „Viele Studenten finden heute keine Jobs mehr und werden
       vielleicht Taxifahrer“, sagt Wang.
       
       Außerdem droht laut Wang den mehr als 4.000 chinesischen Banken Ungemach.
       Ihre nicht zurückgezahlten Schulden seien mehr oder weniger mit Immobilien
       oder Anleihen der Lokalregierungen verbunden. Wenn der Markt für Immobilien
       einbreche, erhöhe sich der Druck auf die Banken deutlich.
       
       Doch damit ist nicht Schluss: Wenn viele Firmen sich von Banken Geld
       leihen, hinterlegen sie als Sicherheit meist Immobilien, wie Wang erklärt.
       Nun sei der Wert der Immobilien und damit der Sicherheiten gesunken, was
       bedeute, dass viele Firmen auch Liquiditätsprobleme hätten, sagt sie.
       
       Im Fall von China Evergrande kam erschwerend hinzu, dass die chinesischen
       Behörden gegen den Konzern zu ermitteln begannen. Der Vorstandsvorsitzende
       und einst Asiens reichster Mann, Hui Ka Yan, steht wegen „illegaler
       Verbrechen“ im Fokus der Untersuchung. Ein Verbot untersagte dem
       Unternehmen zudem, Dollar-Anleihen auszugeben, was ein wichtiger Teil des
       Sanierungsplans war.
       
       Wie es zu der Krise kam: In den Boom-Jahren nach der Jahrtausendwende
       investierten viele Chinesen in Immobilien, weil sie mehr Stabilität als der
       Aktienmarkt versprachen. Die Bauträger steckten ihre sprudelnden Einnahmen
       direkt in neue Projekte. Menschen hatten schon Wohnungen gekauft, die noch
       gar nicht fertig waren – und jetzt vielleicht auch nicht mehr fertig
       werden.
       
       Da die Wirtschaft seit der Coronapandemie schwächelt und die Menschen
       weniger Geld ausgeben, gingen auch die Einnahmen der Bauträger deutlich
       zurück. Dadurch konnten sie ihre Schulden nicht mehr begleichen. Die
       Regierung versuchte zuletzt, mit Lockerungen bei der Kreditvergabe
       Kaufanreize zu schaffen. Laut Berichten soll es auch eine Liste mit
       angeschlagenen Firmen geben, in die Banken investieren sollen, um ihnen aus
       der Misere zu helfen.
       
       29 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://legalref.judiciary.hk/lrs/common/search/search_result_detail_frame.jsp?DIS=152452&QS=%24%28Jiayuan%29&TP=JU
   DIR [2] /Immobilienriese-meldet-Konkurs-in-USA-an/!5954482
   DIR [3] /Gruende-fuer-Chinas-Wirtschaftsflaute/!5964312
       
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