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       # taz.de -- Aktivistin zu Landratswahl in Thüringen: „Nicht zu schnell Nazi schreiben“
       
       > Das Bündnis „Dorfliebe für alle“ hat den CDU-Wahlsieger Herrgott
       > unterstützt – obwohl es mit dessen politischen Überzeugungen nicht
       > übereinstimmt.
       
   IMG Bild: Positionen von der AfD übernommen? CDU-Plakat vor der Landratswahl in Pößneck, Saale-Orla-Kreis
       
       taz: Frau Grundmann, der [1][AfD-Kandidat Uwe Thrum hat die Wahl verloren].
       Das war doch das Ziel Ihres Bündnisses „Dorfliebe für alle“. Ende gut,
       alles gut? 
       
       Lena Grundmann: Stimmt, das Ziel bei dieser Landratswahl wurde erreicht.
       Aber wir als Bündnis wollten von vornherein langfristig politisch arbeiten
       – zum Beispiel am Demokratieverständnis. Deswegen sind wir so gesehen noch
       nicht fertig, noch nicht am Ziel.
       
       Nun ist Christian Herrgott (CDU) der neue Landrat. Ihr Bündnis hat nicht
       direkt zu seiner Wahl aufgerufen. 
       
       Nein, und das war für uns nicht leicht. Wir kritisieren Christian Herrgott
       immer noch an vielen Stellen, weil er ja einige seiner Ziele scheinbar eins
       zu eins von der AfD übernommen hat. Aber für uns stand im Vordergrund, die
       AfD zu verhindern.
       
       Wenn er nun Landrat ist, wollen Sie mit ihm zusammenarbeiten? 
       
       Da spiegelt sich wider, dass unser Verständnis von Politik und Demokratie
       mehr ist als das, was in den Parlamenten passiert. Uns geht es darum: Wie
       gestaltet man eine Nachbarschaft, sein Dorf oder eben das Leben in der
       Kleinstadt? Da wollen wir auch in Zukunft für unsere Werte einstehen, damit
       die durch den Landrat vertreten werden. Von der Parteienpolitik wollen wir
       uns nicht abhängig machen. Natürlich spielt es eine Rolle, wie diese Wahl
       gezeigt hat, wenn eine rechtsextreme Partei droht, an die Macht zu kommen.
       Das kann auf jeden Fall große Veränderungen bringen. Aber eigentlich wollen
       wir das mehr im praktischen Alltagsleben angehen.
       
       Fast die Hälfte der Wähler:innen hat trotzdem für Thrum gestimmt, und
       auch Herrgott kommt bei vielen gut an. Wie wollen Sie die überzeugen? 
       
       Wir planen nun die weiteren Schritte. Jetzt, wo die Situation etwas
       entspannter ist, wollen wir uns erst mal in Ruhe zusammensetzen und uns
       austauschen. Dann wollen wir die Menschen im Saale-Orla-Kreis besser
       kennenlernen: Denn wir sind nur 20 Menschen beim Bündnis, und da kann man
       natürlich nicht direkt auf 80.000 weitere schließen.
       
       Also stehen erst mal viele Gespräche an? 
       
       Genau, und mit den Gesprächen eine gemeinsame Grundlage zu erarbeiten, eine
       gemeinsame Kritik an den Entscheidungen der letzten Jahre zu entwickeln.
       Die haben ja zu der aktuellen Situation geführt. Von da aus können wir
       weitere Lösungen angehen. Das wird ein schwieriger Weg. Aber solange wir
       den angehen und versuchen, wieder mehr zusammenzukommen und ins Gespräch zu
       gehen, ist es auf jeden Fall möglich. Allerdings heißt das hier,
       grundsätzlich nicht mit Rechten zu reden, geht an der Realität vorbei.
       
       Auf dem Land muss man mit Rechten sprechen? 
       
       Ja, und ich glaube, man darf auch nicht zu schnell die Kategorien „Nazis“
       über alles und jeden schreiben.
       
       Auf Ihren Kundgebungen gegen die AfD kam es immer wieder zu Konfrontationen
       mit Rechten. 
       
       Natürlich kommt es da zu Konfrontationen. Gerade wenn sich eine
       Polarisierung so deutlich abzeichnet. Aber es gibt auf jeden Fall noch die
       Möglichkeit, nicht zwischen die Fronten Mauern zu ziehen, sondern die
       Fronten zu überwinden.
       
       Seit dem [2][Bericht über ein Geheimtreffen der AfD] protestieren
       [3][bundesweit hunderttausende Menschen gegen die AfD]. Was hat sich
       dadurch für Sie geändert? 
       
       Das ist eine sehr spannende Frage, und ich kann die auch noch gar nicht
       richtig beantworten. Aber ich glaube, wie sich Politik verändern wird, wird
       nicht in den Städten entschieden. Ich glaube vielmehr, gerade was den
       Rechtsruck betrifft, kommt es sehr auf die ländlichen Räume an. Für uns
       haben die Proteste eine breitere Öffentlichkeit hergestellt.
       
       30 Jan 2024
       
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