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       # taz.de -- Debatte um Schiedsrichter*innen: Für gleiche Rechte an der Pfeife
       
       > Es gibt Forderungen, Männer bei Spielen der Frauenbundesliga als
       > Schiedsrichter einzusetzen. Gute Idee, wenn man sie zu Ende denkt.
       
   IMG Bild: Schluss jetzt! Starschiedsrichterin Stéphanie Frappart im Einsatz
       
       Die Männer können es besser. Nein, so wird es der Sportdirektor des
       Frauenteams vom 1. FC Nürnberg schon nicht gemeint haben. Jener Osman
       Cankaya hatte nach einer Fehlentscheidung von Schiedsricherin Nadine
       Westerhoff beim Bundesligaspiel von Werder Bremen gegen Nürnberg gefordert,
       dass künftig auch Männer Frauenspiele pfeifen sollen. Westerhoff hatte ein
       Handspiel gesehen, wo keine Hand im Spiel war, auf den Elfmeterpunkt
       gezeigt und so die 0:4-Niederlage Nürnbergs eingeleitet. Cankayas Botschaft
       nach dem Spiel war dennoch eindeutig: Die Frauen können es nicht.
       
       Zu Recht verwahrte man sich beim DFB vor derartigen Pauschalurteilen. Und
       zur Geschichte des sogenannten Witzelfmeters von Bremen gehört schließlich
       auch, dass es in der Frauenliga keinen Videobeweis gibt. Weil ja gerade
       alle vom Superspitzenspiel in der Männerbundesliga zwischen Bayer
       Leverkusen und Bayern München sprechen, sei hier noch einmal an deren
       Aufeinandertreffen im März des vergangenen Jahres erinnert.
       
       Da wollte [1][Schiedsrichter Tobias Stieler] gleich zweimal einen
       Leverkusener bei einer Schwalbe im Bayernstrafraum erwischt haben. Der
       Videoschiri hat es beide Male anders gesehen und es gab Elfmeter für
       Leverkusen. Männer können es einfach nicht. Nein, so einen Unsinn hat
       damals niemand gesagt. Natürlich nicht.
       
       ## Gefeierte Ausnahmen
       
       Natürlich können Frauen ebenso gut Spiele leiten wie Männer. Das haben die
       wenigen Vorzeigeschiedsrichterinnen, die es auch im Männerfußball ganz
       nach oben geschafft haben, unter Beweis gestellt. Bibiana Steinhaus-Webb
       hat bis 2013 regelmäßig Spiele der ersten Männerbundesliga gepfiffen, und
       die Französin Stéphanie Frappart hat vor gut einem Jahr in Katar [2][als
       erste Frau ein Spiel bei einer Männer-WM geleitet].
       
       Beide gelten als Musterbeispiele dafür, wie es Frauen in die Welt des
       Männerspiels geschafft haben. Gefeiert worden sind sie, weil das, was sie
       geschafft haben, alles andere als der Norm entsprochen hat. Die besagt:
       Frauen pfeifen Frauenspiele, Männer die der Männer.
       
       Eine Geschichte der Gleichberechtigung sind die Erfolge dieser beiden
       Vorzeigeschiedsrichterinnen gewiss nicht. Die gäbe es erst, wenn die besten
       Männer auch Frauenspiele pfeifen würden. Und genau dahin muss der Weg
       gehen, an dessen Ende die Verbände für Spiele ihrer Männer- und Frauenligen
       auf einen quotierten Schiripool zurückgreifen können, zu dem ebensoviele
       Männer wie Frauen gehören.
       
       ## Meist nur Männer, die aufsteigen
       
       Wäre ein solches Ziel einmal formuliert, dann gäbe es auch für Frauen an
       der Pfeife eine echte Karriereoption. So wie es jetzt läuft, sind es eben
       doch meist nur Männer, die aufsteigen können in jene Gruppe der deutschen
       Edelschiedsrichter, die Spiele der ersten und zweiten Bundesliga leiten.
       
       Es sei so schwer, heißt es immer wieder von Seiten des DFB, Mädchen an die
       Pfeife heranzuführen. Aber vielleicht würde sich ja [3][mehr weiblicher
       Nachwuchs für das Schiriwesen] interessieren, wenn es dereinst einmal die
       reale Möglichkeit gäbe, in den Kreis der 40 Bundesliga-Unparteiischen
       aufzusteigen, die zu einem Grundgehalt von bis zu 70.000 Euro für jedes
       geleitete Erstligaspiel 5.000 Euro erhalten. Damit das funktioniert, muss
       für eine Spielleitung bei den Frauen natürlich genau so viel gezahlt
       werden.
       
       Bis es einmal so weit ist, sollte ruhig der eine oder andere Mann aus dem
       Kreis der erlauchten Männerbundesligarefs mal ein Spiel der Frauenliga
       pfeifen – so ganz ohne [4][Unterstützung aus dem Videoüberwachungsraum].
       Leute wie Nürnbergs Sportdirektor Osman Cankaya würden schnell merken: Auch
       Männer pfeifen Witzelfmeter.
       
       9 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.sportschau.de/fussball/bundesliga/stieler-var-leverkusen-bayern-100.html
   DIR [2] /Erste-Schiedsrichterin-einer-Maenner-WM/!5895658
   DIR [3] /Schiedsrichterin-Franziska-Wildfeuer/!5946062
   DIR [4] /Bloedsinn-des-VAR/!5888589
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Rüttenauer
       
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