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       # taz.de -- Streit um EU Lieferkettenrichtlinie: Kette voller Mythen
       
       > Die FDP blockiert das EU-Lieferkettengesetz mit Argumenten deutscher
       > Wirtschaftsverbände. Was ist dran? Ein Faktencheck.
       
   IMG Bild: Kobaltmine in der Demokratischen Republik Kongo
       
       Berllin taz | Die [1][FDP zieht in letzter Minute den Stecker vom
       EU-Lieferkettengesetz] und erreicht, dass Deutschland sich am Mittwoch bei
       der finalen Abstimmung im Rat enthalten muss. Damit wackelt die Mehrheit im
       Rat für eine EU-weite Richtlinie, die Unternehmen zur Achtung und Kontrolle
       von Menschenrechten in ihren Lieferketten verpflichtet. Die Liberalen
       wiederholen im Präsidiumsbeschluss und [2][Briefen an EU Länder] die
       Argumente großer deutscher Wirtschaftsverbände, die seit Beginn der
       Verhandlungen gegen die Richtlinie sind und [3][kurz vor der Abstimmung im
       Rat noch mal Druck machen]. Die Argumente im Faktencheck.
       
       Behauptung: Die Europäische Regelung betrifft viel mehr Unternehmen als das
       deutsche Lieferkettengesetz.
       
       Etwas mehr sind es schon. Die deutschen Regeln betreffen ab 2024 Firmen mit
       mehr als 1.000 Beschäftigten, die europäischen Regeln sollen ab 500
       Mitarbeiter*innen und in Risikobereichen ab 250 gelten. Hinzu kommt
       als Bedingung ein Umsatz von 150 Millionen Euro beziehungsweise 40
       Millionen in Risikobereichen. Durch diese Kombination erhöht sich die
       Anzahl der erfassten Unternehmen „nur unwesentlich“, heißt es aus dem
       Bundesarbeitsministerium. Das geht von etwa 3.000 Unternehmen aus, die
       derzeit unter das deutsche Lieferkettengesetz fallen und von 3.900, die bis
       2029 unter die EU-Richtlinie fallen würden.
       
       Behauptung: Die Pflichten belasten durch die Hintertür doch den
       Mittelstand, weil die vom Gesetz betroffenen Großunternehmen sie einfach
       weiterreichen.
       
       Das für die Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes zuständige
       Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle hat im Dezember vergangenen
       Jahres berichtet, dass einige Unternehmen versucht haben, die Pflichten
       pauschal an ihre Zulieferer weiterzugeben, „beispielsweise durch
       vertragliche Zusicherungen“. Gleichzeitig stellt das Amt klar, dass dies
       nicht zulässig ist. Auch in der Europäischen Richtlinie ist das so
       festgelegt.
       
       Behauptung: Die Regeln sind zu weitreichend, Industriefirmen haben
       Zehntausende Zulieferer.
       
       Das europäische und auch das deutsche Lieferkettengesetz sind
       risikobasiert. Unternehmen müssen also Risiken analysieren und Beschwerden
       nachgehen und nicht Zehntausende Zulieferer durchleuchten. Zudem haben die
       Wirtschaftsverbände durchgesetzt, dass es keine „Erfolgspflicht“, sondern
       eine „Bemühenspflicht“ gibt. Unternehmen müssen nachweisen, dass sie
       versucht haben, Missständen zu beheben.
       
       Behauptung: Die Haftungsregel bedeutet eine stärkere Belastung von
       Unternehmen. 
       
       „Deutlich Kritik“ übten acht Wirtschaftsverbände [4][in einer gemeinsamen
       Mitteilung am Dienstag] „an der vorgesehenen zivilrechtlichen Haftung für
       Unternehmen und deren Vorstände, Geschäftsführer und Aufsichtsräte“.
       Richtig ist, dass mit der EU-Richtlinie die zivilrechtliche Haftungsregel
       nach den Vorschlägen der deutschen Bundesregierung kommen soll. Damit
       können auch Organisationen der Zivilgesellschaften Unternehmen verklagen,
       wenn sie sich nicht bemüht haben, Missstände zu beheben. Falsch ist
       hingegen, dass die Haftungsregel auch für Vorstände, Geschäftsführer und
       Aufsichtsräte gilt.
       
       Behauptung: Die Berichtspflichten sind viel zu bürokratisch und gedoppelt.
       
       Na ja. Richtig ist, dass die Sorgfaltspflichten mit Risikoanalysen und
       Berichten einhergehen. Richtig ist aber auch, dass es bereits seit 2022
       eine EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung gibt, die
       Unternehmen verpflichtet, soziale und umweltbezogenen Risiken offenzulegen.
       Alle Unternehmen, die von dieser Regel betroffen sind, müssen keine
       weiteren Berichte liefern. Für alle anderen Unternehmen, die bislang nur
       unter das Lieferkettengesetz fallen, hat Arbeitsminister Hubertus Heil in
       einem Entlastungspaket zugesichert, dass deutsche Berichtspflichten dann
       entfielen. Es gibt aber auch noch andere gute Gründe für Unternehmen, diese
       Risikoanalysen anzufertigen. „Viele Unternehmen sagen, es ist in ihrem
       eigenen Interesse, dass sie etwa ihre CO2-Bilanz kennen. Immer mehr
       Investoren und Versicherungen wollen das wissen und fordern Strategien von
       Unternehmen, wie sie ihre C02-Emissionen reduzieren“, sagt Katharina
       Reuter, Geschäftsführerin vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft.
       
       Behauptung: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat von Anfang
       gesagt, dass er „ergebnisoffen“ verhandelt. 
       
       Das Justizministerium war zu Beginn an den Verhandlungen der Richtlinie
       beteiligt und hat sie bis zuletzt mitgetragen. Das belegt etwa eine interne
       Weisung zu den Trilogverhandlungen vom September 2023, die der taz
       vorliegt.
       
       Die FDP hat sich zudem mit einigen Forderungen durchgesetzt. Manche wurden
       bei der [5][Trilogeinigung der EU Gesetzgeber im Dezember] sogar
       „übererfüllt“, etwa durch den Ausschluss von Finanzdienstleistern von den
       Regeln, sagt Armin Paasch von der Entwicklungsorganisation Misereor, der
       den Prozess in der EU begleitet. Das hatte Frankreich durchgesetzt und so
       den Weg zur Trilogeinigung frei gemacht. Dass nach Verhandlungsabschluss
       wieder Forderungen eingebracht werden, ist unüblich.
       
       13 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /FDP-Blockade-von-Lieferkettenrichtlinie/!5983055
   DIR [2] /Streit-um-EU-Lieferkettengesetz/!5988760
   DIR [3] /EU-Lieferkettengesetz/!5991665
   DIR [4] https://www.vci.de/presse/pressemitteilungen/eu-lieferkettenrichtlinie-neuer-anlauf.jsp
   DIR [5] /EU-Einigung-auf-Lieferkettengesetz/!5976398
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Leila van Rinsum
       
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