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       # taz.de -- Nato-Treffen in Brüssel: Keine Bombenstimmung
       
       > Die Nato-Verteidigungsminister zeigen sich von den Debatten um Donald
       > Trump und europäische Atombomben genervt.
       
   IMG Bild: In Szene gesetzt: Donald Trump, hier bei einem Besuch der Militärbasis Ramstein im Jahr 2018, sorgt wieder für Diskussionen
       
       BRÜSSEL BERLIN taz | Um die Ukraine sollte es gehen und um neue deutsche
       Waffenlieferungen. Doch als Boris Pistorius am Mittwoch zum Treffen der
       Nato-Verteidigungsminister nach Brüssel kam, musste er sich erst einmal
       Fragen zu Donald Trump und zur Nuklearbewaffnung stellen.
       
       [1][Hat Trump den amerikanischen Sicherheitsschirm für Europa infrage
       gestellt?] Und muss Europa nun über eine eigene Atombombe nachdenken? Diese
       Fragen treiben nicht nur die Journalisten um, sondern auch die 31
       alliierten Minister, die noch bis Donnerstag in Brüssel tagen.
       
       Noch bevor Pistorius eingetroffen war, versuchte Nato-Generalsekretär Jens
       Stoltenberg, die Gemüter zu beruhigen. „Wir haben die nukleare Abschreckung
       der Nato und diese bietet den Verbündeten seit Jahrzehnten die ultimativen
       Sicherheitsgarantien“, sagte der Norweger.
       
       Alles sei unter Kontrolle, europäische Atomwaffen würden nicht gebraucht,
       so Stoltenberg. Schließlich gäbe es ja die in Europa stationierten
       US-Atomwaffen, an deren Einsatz über das Konzept der [2][„nuklearen
       Teilhabe“] auch Länder wie Deutschland beteiligt werden könnten.
       
       ## Fortschritt bei Zwei-Prozent-Ziel
       
       Weniger gelassen reagierte Pistorius. „Ich halte nichts von aufgeregten
       Debatten zur Unzeit“, sagte er nach seiner Ankunft in Brüssel. Die
       Nukleardebatte sei „eine Eskalation in der Diskussion, die wir nicht
       brauchen“, betonte der SPD-Politiker.
       
       Die Europäer dürften „nicht ständig wie das Kaninchen auf die Schlange“
       starren, so Pistorius. Es bringe nichts, jedes Zitat aus dem US-Wahlkampf
       auf die Goldwaage zu legen. Damit sprach er vielen seiner Kollegen aus der
       Seele, die die Trump-Debatte nur noch nervt.
       
       Offensiver gaben sich die Minister beim zweiten Reizthema, das Trump
       aufgeworfen hat: der Erreichung des selbst gesteckten Zwei-Prozent-Ziels.
       Mindestens zwei Prozent der Wirtschaftsleistung, so hatten es die
       Alliierten vor zehn Jahren in Wales beschlossen, sollen in die Rüstung
       gesteckt werden.
       
       18 von 31 Alliierten hätten diese Vorgaben mittlerweile erreicht, erklärte
       Stoltenberg. Auch Deutschland meldet Vollzug. Erstmals seit 1992 will die
       Bundesrepublik im laufenden Jahr wieder über zwei Prozent kommen –
       Pistorius sprach sogar von 2,1 Prozent. Demgegenüber hinken Spanien, die
       Türkei und Belgien hinterher.
       
       ## Abschied vom Ramstein-Format
       
       Das wäre kein Drama, hätte Trump nicht am Wochenende in einer Wahlkampfrede
       damit geprahlt, dass er „säumigen“ Nato-Mitgliedern die Hilfe entziehen
       könne. Wer seine „Rechnung“ nicht zahle, könne auch nicht mit
       US-Unterstützung bei einem russischen Angriff rechnen.
       
       Bei der Nato kam dies gar nicht gut an. „Jede Andeutung, dass Verbündete
       sich nicht verteidigen werden, untergräbt unsere gesamte Sicherheit“,
       warnte Stoltenberg. Am Mittwoch hieß es dann aus Brüssel, dass man auf
       einem guten Wege sei. Bis zum Nato-Jubiläumsgipfel im Juli in Washington
       würden sicher auch die Nachzügler noch liefern.
       
       Derzeit haben die Verteidigungsminister ganz andere Sorgen: Die ukrainische
       Gegenoffensive, mit der die russischen Besatzer zurückgedrängt werden
       sollten, ist gescheitert. Und die Hilfe für die Ukraine stockt;
       ausgerechnet die USA sind in Verzug geraten.
       
       Um die Versorgung zu sichern, könnte die Nato die Waffenhilfe an die
       Ukraine künftig enger koordinieren oder sogar steuern. Bisher geschah dies
       [3][im so genannten Ramstein-Format] – einer lockeren und formal
       unabhängigen Runde von insgesamt 50 Ländern, die souverän entscheiden. Nun
       könnte das Kommando an die Nato übergehen – nicht zuletzt, um sich vor den
       Kapriolen eines Donald Trump zu schützen. Allerdings würde die
       Militärallianz damit noch tiefer in den Krieg in der Ukraine hineingezogen.
       Ein brisantes Thema – die Beratungen begannen am Mittwochabend hinter
       verschlossenen Türen, Ende offen.
       
       ## Atomwaffen für Deutschland völkerrechtlich schwierig
       
       Derweil löste in Deutschland die wolkige Ankündigung von Donald Trump,
       europäischen Staaten – gesetzt, er würde erneut Präsident werden – im
       Kriegsfall nicht sicher Beistand zu leisten, erhitzte Diskussionen aus. Die
       SPD-Spitzenkandidatin zur Europawahl Katarina Barley äußerte Zweifel am
       US-amerikanischen Atomwaffenschutzschirm. Sie verwies dabei auf ihre seit
       langem unterstützte Idee einer gemeinsamen EU-Armee. Würde es eine solche
       geben, müsste auch über Atombomben nachgedacht werden. Prompt kam aus der
       CDU die Forderung, umgehend für Aufklärung zu sorgen.
       
       Die Bundesregierung bemühte sich am Mittwoch um Beschwichtigung. „Es gibt
       die Nato, wir glauben an die Nato und auch an all das, was an
       Beistandsgarantien mit der Nato verbunden ist“, sagte Regierungssprecher
       Steffen Hebestreit. „Das enthebt uns nicht der Aufgabe, immer wieder zu
       prüfen, ob wir richtig aufgestellt sind und welche Entscheidungen wir für
       die Zukunft treffen müssen.“
       
       Schon allein völkerrechtlich ist die Debatte, die Barley angestoßen hat,
       heikel. Der Nichtverbreitungsvertrag aus dem Jahr 1967 verbietet es allen
       Staaten jenseits der fünf offiziellen Atommächte, sich Kernwaffen
       zuzulegen. Umstritten, wenn auch nicht eindeutig verboten ist in diesem
       Zusammenhang schon die jetzige Nukleare Teilhabe innerhalb der Nato.
       
       Daneben existiert seit einigen Jahren der Atomwaffenverbotsvertrag, der die
       Waffen komplett ächten will – aber an dem sich die bisherigen Atommächte
       nicht beteiligen. Deutschland hat ihn zwar nicht unterschrieben, hat auf
       Bestreben der Grünen aber zumindest einen Beobachterstatus und drückt
       dadurch gewissermaßen sein Wohlwollen aus. Daran festzuhalten und
       gleichzeitig an EU-Atomwaffen zu arbeiten, geht politisch eigentlich nicht
       zusammen.Wohl auch deshalb wird in Europa weiterhin auf die französischen
       und britischen Atomwaffen gemeinsam mit den amerikanischen Atomwaffen als
       Teil des Abschreckungspotentials der Nato gesetzt.
       
       ## Am Ende gewinnt nur: Donald Trump
       
       Ohnehin mangelt es der EU an konkreten Konzepten, Strategien, technischer
       Ausrüstung – und nicht zuletzt an Geld. Im Fall der Unterstützung für die
       Ukraine zeigt sich derzeit sehr klar, wie schwer es den EU-Staaten fällt,
       zu ihren Zusagen zu stehen. Und hier geht es nicht um
       Massenvernichtungswaffen, sondern „nur“ um Munition, Panzer, Kampfjets oder
       schlagkräftige Marschflugkörper, [4][etwa die Taurus], die in großer
       Stückzahl von der Ukraine gefordert werden. Die Drohung, dass die USA sich
       aus der Nato zurückziehen oder gar aussteigen könnten, zieht sich auch
       durch diese Diskussion.
       
       Die Debatte um die Aufrüstung Europas wird vor allem einen freuen: Donald
       Trump. Über wenige, recht unkonkrete Sätze hat er es geschafft, dass sich
       EU- und Nato-Staaten vor allem finanziell wappnen werden, um in Kriegsgerät
       und Abschreckung zu investieren.
       
       14 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Trumps-Aussagen-zur-Nato/!5988869
   DIR [2] /Diskussion-um-nukleare-Teilhabe/!5928502
   DIR [3] /Treffen-der-Ramstein-Kontaktgruppe/!5961386
   DIR [4] /Debatte-um-Marschflugkoerper-fuer-Ukraine/!5984703
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eric Bonse
   DIR Tobias Schulze
   DIR Tanja Tricarico
       
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