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       # taz.de -- Verfahren gegen Neonazi in Braunschweig: Bewährung wegen „Judenpresse“
       
       > Das Braunschweiger Amtsgericht verurteilt einen Neonazi: Er hatte mehrere
       > Journalisten beleidigt und sich wegen Volksverhetzung schuldig gemacht.
       
   IMG Bild: Im Thor-Steinar-Hemd vor Gericht: Neonazi Martin Kiese am Donnerstag in Braunschwei
       
       Braunschweig taz | Der Neonazi Martin Kiese wurde am Donnerstag vom
       Amtsgericht Braunschweig wegen Beleidigung und Volksverhetzung zu zehn
       Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an,
       dass Kiese [1][im Rahmen von mehreren rechten Demonstrationen Journalisten
       beleidigt und sich der Volksverhetzung schuldig gemacht hatte.]
       
       2020 hatte er an einer NPD-Kundgebung in Braunschweig anlässlich des
       Volkstrauertags teilgenommen und dort Journalisten „Judenpresse“,
       „Verdammte, Feuer und Benzin für euch“ und „Judenpack“ zugerufen. Der
       Journalist Moritz Siman filmte damals Kieses Aussagen und veröffentliche
       sie auf X (vormals Twitter). Die Staatsanwaltschaft ermittelte, stellte das
       Verfahren jedoch zwei Mal mit der Begründung ein, dass die Worte „Jude“ und
       „Judenpresse“ objektiv keine Beleidigung darstellen würden.
       
       Erst nach [2][diversen Beschwerden aus der Zivilgesellschaft, die den
       antisemitischen Gehalt der Aussagen betonten,] erhob die
       Generalstaatsanwaltschaft im Sommer 2023 Anklage. Siman erzählte vor
       Gericht, er habe sich durch die Aussagen damals bedroht, angegriffen und
       beleidigt gefühlt.
       
       Kiese selbst behauptete, er habe die Drohungen nicht gegen die Journalisten
       gerichtet, sondern einfach vor sich hergesagt. Das Gericht sah nun in den
       Aussagen den Tatbestand der Volksverhetzung und Beleidigung erfüllt. Kiese
       hab insbesondere mit dem Begriff „Judenpack“ Jüd*innen kollektiv
       beleidigt.
       
       ## Bedroht und beleidigt
       
       Der Begriff „Judenpresse“ habe in Deutschland eine lange historische
       Vergangenheit und werde mit dem Ziel verwendet, Journalisten und die
       jüdische Bevölkerung zu diffamieren, sagte Richterin Pia Genius. Zur Zeit
       des Nationalsozialismus seien damit alle Medien bezeichnet worden, die
       außerhalb der nationalsozialistischen Gesinnung standen. Die Aussage
       „Verdammte, Feuer und Benzin für euch“ sei zur Aufstachelung von Hass
       geeignet und „erinnert an die Reichspogromnacht“, sagte die Richterin in
       ihrem Urteil.
       
       Nur wenige Wochen nach der Kundgebung trafen Kiese und Siman bei einer
       Versammlung von „Die Rechte“ in Braunschweig erneut aufeinander. Kiese rief
       mehrere Beleidigungen wie „Homowichser“ und „Ihr miesen Leute aus Israel“
       in Richtung des filmenden Journalisten. Das Gericht sah es jedoch nicht als
       erwiesen an, dass Kiese damit konkret Siman gemeint hatte. Die Aussage „Die
       Presse aus Israel ist auch wieder da“ sei jedoch als Beleidigung zu werten,
       da Kiese damit bewusst den Begriff der „Judenpresse“ umgangen habe und sich
       direkt an den Journalisten gewandt hatte.
       
       Den Journalisten David Janzen war Kiese bei einer AfD-Demonstration Anfang
       2022 körperlich angegangen und hatte ihn als „Kinderschänder“ und „Schwein“
       beschimpft. Vor Gericht schilderte Janzen, wie während der Demonstration
       mehrfach Janzens private Adresse gerufen und gedroht wurde, ihn zu Hause zu
       besuchen. Zusätzlich hätten mehrere Personen aus der Gruppe rund um Kiese
       „Oink, oink“ gerufen – Janzen, der seit Jahren über die extreme Rechte in
       Braunschweig berichtet, hatte 2020 ein anonymes Paket mit einem
       Schweinekopf zugeschickt bekommen.
       
       Die Aussagen auf der Demonstration hatte er damals mit einer Bodycam
       gefilmt und Strafanzeige erstattet. Auch hier sah das Gericht den
       Tatbestand der Beleidigung als erfüllt an.
       
       ## Viele Vorstrafen
       
       34 Einträge umfasst Kieses Auszug aus dem Bundeszentralregister, darunter
       mehrfache Körperverletzung und d[3][as Verwenden von Kennzeichen
       verfassungswidriger Organisationen.] Für die Richterin stand Kieses rechte
       Gesinnung aufgrund seiner Parteifunktionen und seiner Vorstrafen außer
       Frage. Bereits in den 1990er-Jahren war er Mitglied der mittlerweile
       verbotenen „Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei“ und ist derzeit
       Mitglied im Bundesvorstand der Kleinpartei „Die Rechte“.
       
       Neben den zehn Monaten Haftstrafe zur Bewährung muss Kiese 3.600 Euro an
       die Opferhilfe Niedersachsen zahlen. Zur Entscheidung, nur eine
       Bewährungsstrafe zu verhängen, kam das Gericht, da die Taten bereits
       mehrere Jahre zurückliegen. Die Staatsanwaltschaft hatte eine etwas höhere
       Strafe gefordert.
       
       23 Feb 2024
       
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