URI: 
       # taz.de -- Nach Einstufung vom Verfassungsschutz: Maaßen droht Ärger
       
       > Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen ist nun selbst
       > Beobachtungsobjekt des Geheimdiensts. Ampel-Politiker fordern
       > Konsequenzen.
       
   IMG Bild: Einst führte er das Bundesamt für Verfassungsschutz, nun steht er unter dessen Beobachtung: Hans-Georg Maaßen
       
       BERLIN taz | Nach der Einstufung des früheren Präsidenten des Bundesamts
       für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, [1][als Beobachtungsobjekt des
       Geheimdiensts] fordern Ampel-Politiker*innen Konsequenzen. „Es ist eine
       Schande, dass jemand, der einmal einer der obersten Verfassungshüter war,
       nun anscheinend selbst gegen diese arbeitet“, sagte die
       SPD-Innenpolitikerin Carmen Wegge der taz. „Das Handeln von Herrn Maaßen am
       rechten Rand ist eines ehemaligen politischen Beamten unwürdig.“
       
       Auch als Beamter im einstweiligen Ruhestand müsse sich Maaßen weiter an
       beamtenrechtliche Treuepflichten halten, betonte Wegge. „Ich finde deshalb
       die Prüfung von Disziplinarmaßnahmen richtig. Das Bundesinnenministerium
       als Dienstherrin ist nun gefragt.“ Es dürfe nicht passieren, dass Maaßen
       womöglich mit behördeninternem Wissen seine politische Arbeit unterstütze.
       
       Auch der Grünen-Innenpolitiker Marcel Emmerich forderte dienstrechtliche
       Konsequenzen für Maaßen. „Wenn man bedenkt, dass Hans-Georg Maaßen qua Amt
       jahrelang oberster Verfassungsschützer war, ist die jüngste Einordnung als
       Rechtsextremist ein Alarmzeichen und wirft viele Fragen hinsichtlich seiner
       Amtszeit auf.“ Mit seinen „menschenverachtenden Aktivitäten“ beweise Maaßen
       schon länger ein distanziertes Verhältnis zur Verfassung, so Emmerich zur
       taz. „Jetzt ist es erforderlich, dienstrechtliche Konsequenzen ins Auge zu
       fassen.“ Auch der Grüne verwies hier auf das zuständige Innenministerium.
       „Der demokratische Rechtsstaat muss sich gegen Verfassungsfeinde wehren.“
       
       Die Linken-Innenexpertin Martina Renner wiederum forderte [2][einen
       Untersuchungsausschuss im Bundestag zu Maaßens früherer Dienstzeit]. „Es
       ist die Pflicht des Parlamentes, öffentlich aufzuklären, ob Maaßen die
       Ressourcen im Bundesamt für Verfassungsschutz darauf ausgerichtet hatte,
       hemmungslos gegen linke und antifaschistische Kräfte vorzugehen und
       gleichzeitig extrem rechte Kräfte und Aktivitäten gewähren ließ oder sogar
       unterstützte.“
       
       Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass Maaßen, der von 2012 bis 2018 das
       Bundesamt für Verfassungsschutz geleitet hat, dort nun selbst als
       Rechtsextremist geführt wird. Ganz überraschend kommt das nicht: Maaßen war
       zuletzt immer wieder [3][mit weit rechten und verschwörungsmythischen
       Äußerungen aufgefallen], sprach von einer „Migrationskatastrophe“, von der
       „linksfaschistischen Antifa“ oder von „globalistischen Kräften“, welche die
       Gesellschaft zerstören wollten. Letzteres nutzen Antisemit*innen als
       Chiffre.
       
       ## Antisemitische Narrative und wirre Behauptungen
       
       Auf Anfrage von Maaßens Anwalt hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz
       seinen ehemaligen Präsidenten schon Mitte Januar über dessen Erfassung in
       nachrichtendienstlichen Informationssystemen informiert. Nachdem Medien
       Maaßen dazu angefragt hatten, machte er selbst das 20-seitige Schreiben
       öffentlich.
       
       In diesem verweist der Verfassungsschutz zu den Datenspeicherungen über
       Maaßen auf Paragraf 3 des Bundesverfassungsschutzgesetzes: Dort heißt es,
       dass das Amt Informationen zusammentragen darf zu Bestrebungen, die sich
       gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten.
       
       In dem Brief listet der Verfassungsschutz Äußerungen von Maaßen auf, in
       denen er Geflüchtete als „Goldstücke“ titulierte, welche hierzulande
       Deutsche „ersetzen“ sollten – es ist das rechtsextreme Narrativ des „Großen
       Austauschs“. Auch würden sich die „hunderttausende und Millionen
       Ausländer“, die ins Land kämen, „niemals, niemals in unsere Gesellschaft
       eingliedern“.
       
       Aufgeführt wird auch Maaßens Behauptung eines „eliminatorischen Rassismus
       gegen Weiße“. Zudem verweist der Verfassungsschutz auf seinen [4][Aufsatz
       im neurechten Cato-Magazin], der laut Fachleuten „antisemitische Narrative“
       enthalte.
       
       An anderer Stelle habe Maaßen vom „Parteienkartell“ gesprochen oder vor
       einem „neuen Totalitarismus“ und „grünen Fanatikern“ gewarnt, heißt es
       weiter. Die Regierung strebe ein „neosozialistisches Gesellschaftssystem“
       an, wird er weiter zitiert. Ebenso werden seine Relativierungen des
       jüngsten [5][Falls von terrorverdächtigen Reichsbürgern] erwähnt, deren
       Festnahme Maaßen als „PR-Coup“ kritisierte. Auch sei Maaßen im November
       2023 bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Lübeck
       aufgetreten, die der Verfassungsschutz Hamburg als rechtsextremistisch
       einstuft.
       
       ## Skandale schon in Maaßens Amtszeit
       
       Maaßen tat das Verfassungsschutzschreiben ab. Dieses enthalte „keinerlei
       substantiierte Belege, die eine Beobachtung rechtfertigen“. erklärte er auf
       X, vormals Twitter. Die Bundesregierung habe aber „offenkundig Angst vor
       mir“ und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) missbrauche den
       Verfassungsschutz zur Bekämpfung politischer Gegner.
       
       Maaßen hatte selbst jahrelang im Bundesinnenministerium gearbeitet, bevor
       er 2012 – nach dem Sicherheitsversagen bei der NSU-Terrorserie – Präsident
       des Bundesamts für Verfassungsschutz wurde. Dort sollte er eigentlich das
       NSU-Versagen aufarbeiten und Vertrauen für das Amt zurückgewinnen.
       
       Schon in seiner Amtszeit aber sorgte er für Diskussionen. So zögerte er
       eine Einstufung der AfD als Prüffall hinaus und soll die frühere
       AfD-Vorsitzende Frauke Petry beraten haben, wie ihre Partei einer
       Beobachtung entgehen könnte. 2018 musste er seinen Posten schließlich
       räumen, nachdem er bei den rechtsextremen Unruhen von Chemnitz Hetzjagden
       bestritten und von „linksradikalen Kräften“ in der SPD gesprochen hatte.
       
       ## Nicht der erste Geheimdienst-Chef auf Abwegen
       
       Nach seiner Versetzung in den Ruhestand fiel Maaßen mit immer neuen, weit
       rechten Äußerungen in Interviews, Aufsätzen oder Social Media Postings auf.
       Politisch blieb Maaßen aber bis vor Kurzem CDU-Mitglied.
       
       Für die Partei trat er 2021 auch zur Bundestagswahl in einem Südthüringer
       Wahlkreis um Suhl an – und unterlag dort, trotz großer medialer
       Aufmerksamkeit, [6][dem SPD-Kandidaten Frank Ullrich]. Zuletzt hatte die
       CDU ein Parteiausschlussverfahren gegen Maaßen initiiert und ihm eine
       „Sprache aus dem Milieu der Antisemiten und Verschwörungsideologen bis hin
       zu völkischen Ausdrucksweisen“ vorgeworfen.
       
       Schon zuvor hatte der amtierende Verfassungsschutzpräsident Thomas
       Haldenwang erklärt, Maaßen schade durch seine „sehr radikalen Äußerungen“
       dem Nachrichtendienst. Solche Äußerungen kenne er eigentlich nur „vom
       äußersten rechten Rand politischer Bestrebungen“. Und er schließe sich dem
       Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung Felix Klein an, der bei
       Maaßen „eindeutig antisemitische Inhalte“ sehe, so Haldenwang.
       
       Seit einem Jahr ist Maaßen nun Vorsitzender des Vereins Werteunion, welcher
       eine stramm konservative Ausrichtung der CDU und CSU anstrebte. Erst vor
       anderthalb Wochen beschloss die Werteunion dann auf Drängen von Maaßen,
       [7][sich selbst als Partei gründen zu wollen]. Deren künftige politische
       Ausrichtung bezeichnet der 61-Jährige als „liberal-konservativ“, explizit
       schloss er eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht aus. Schon bei den
       Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im Herbst soll die
       Partei an den Start gehen.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz wollte sich zu der Einstufung von
       Maaßen am Mittwoch und Donnerstag nicht äußern. Zu Einzelpersonen äußere
       man sich aufgrund des Schutzes von Persönlichkeitsrechten nicht, so eine
       Sprecherin.
       
       Auch das Bundesinnenministerium von Nancy Faeser (SPD) äußerte sich vorerst
       nicht. In der Vergangenheit hatte es zu Fragen nach dienstrechtlichen
       Konsequenzen für Maaßen ebenfalls erklärt, zu Personalangelegenheiten nehme
       man nicht öffentlich Stellung. Für Beamte im Ruhestand gilt zwar nicht mehr
       das sogenannte Mäßigungsgebot, aber auch sie dürfen sich nicht gegen die
       Verfassung betätigen. Andernfalls kann ihr Ruhegehalt gekürzt oder gar
       gestrichen werden. Erst Ende 2023 hat die Ampel [8][das Disziplinarrecht
       für Beamte verschärft].
       
       Maaßen ist derweil nicht der einzige Verfassungsschutzpräsident, der sich
       auf Abwegen befindet. Auch der [9][frühere Thüringer Verfassungsschutzchef
       Helmut Roewer] fiel schon zu Amtszeiten mit Eskapaden auf, später äußerte
       er sich auf verschwörungstheoretischen Kanälen und erklärte etwa, es sei
       ein „Märchen“, dass die NSU-Morde rechtsextrem motiviert gewesen seien.
       Ludwig-Holger Pfahls wiederum, von 1985 bis 1987 Präsident des Bundesamts
       für Verfassungsschutz, war etliche Jahre später gar jahrelang abgetaucht
       und wurde mit Haftbefehl wegen Steuerhinterziehung gesucht, im Kontext der
       [10][Affäre um den Waffenhändler Karlheinz Schreiber]. Er wurde gefasst und
       zu einer Haftstrafe verurteilt.
       
       1 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Ex-Geheimdienst-Chef-nun-Rechtsextremer/!5989657
   DIR [2] /Ex-Geheimdienst-Chef-nun-Rechtsextremer/!5989657
   DIR [3] /Interview-von-Hans-Georg-Maassen/!5947899
   DIR [4] /Hans-Georg-Maassens-Weltsicht/!5771469
   DIR [5] /Groesstes-Terrorverfahren-aller-Zeiten/!5980122
   DIR [6] /CDU-Rechtsaussen-scheitert-in-Thueringen/!5803750
   DIR [7] /Maassens-Werteunion-wird-Partei/!5986757
   DIR [8] /Ampel-verschaerft-Disziplinarrecht/!5969646
   DIR [9] /Ex-Geheimdienstchef-zu-NSU-Morden/!5364039
   DIR [10] /Urteil-gegen-Karlheinz-Schreiber/!5054978
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Konrad Litschko
       
       ## TAGS
       
   DIR Hans-Georg Maaßen
   DIR Bundesamt für Verfassungsschutz
   DIR Verfassungsschutz
   DIR Rechtsextremismus
   DIR Werteunion
   DIR GNS
   DIR Bundesamt für Verfassungsschutz
   DIR Hans-Georg Maaßen
   DIR Hans-Georg Maaßen
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Werteunion
   DIR Schwerpunkt AfD
   DIR Thüringen
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Einstufung als rechtsextrem: Maaßen verklagt Verfassungsschutz
       
       Hans-Georg Maaßen geht juristisch gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz
       vor. Der Grund: Er wird dort als „rechtsextremes Beobachtungsobjekt“
       eingestuft.
       
   DIR Neue rechte Partei gestartet: Maaßen wird Chef der Werteunion
       
       Unter Ausschluss der Öffentlichkeit hat sich die rechtskonservative Partei
       offiziell gegründet. Sie will bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland
       antreten.
       
   DIR Maaßen und Verfassungsschutz: Einstufung redlich verdient
       
       Hans-Georg Maaßen war von Anfang an der Falsche beim Verfassungsschutz. Es
       braucht jetzt einen Untersuchungsausschuss zu seiner Amtszeit.
       
   DIR Linken-Abgeordnete über den Fall Maaßen: „Er hatte eine Schutzfunktion“
       
       Martina Renner fordert einen Untersuchungsausschuss. Um zu klären, ob der
       Ex-Verfassungsschutzchef im Amt persönliche Ziele verfolgte.
       
   DIR Werteunion von Maaßen: Erst mal nur Getöse
       
       Hans-Georg Maaßen will mit seiner Werteunion die Parteilandschaft
       umkrempeln. Das wird wohl nicht klappen, aber in Thüringen könnte er für
       Trubel sorgen.
       
   DIR Maaßens Werteunion wird Partei: Zu Diensten der AfD
       
       Die ultrakonservative Werteunion um Maaßen beschließt, sich als Partei zu
       gründen. Eine Zusammenarbeit mit der AfD wird explizit nicht
       ausgeschlossen.
       
   DIR Thüringer Untersuchungsausschuss: Befragung Maaßens endet im Eklat
       
       CDU-Mitglied Maaßen beschimpfte die Landesregierung und
       Verfassungschutzpräsident Kramer im U-Ausschuss. Die Vernehmung wurde
       abgebrochen.