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       # taz.de -- Populismus in der Neuköllner SPD: Feindbild sind die Grünen
       
       > Der Streit um die Zwischennutzung am Dammweg zeigt, wie sehr die
       > Neuköllner SPD der Zivilgesellschaft misstraut. Was heißt das für
       > Rot-Grün im Bezirk?
       
   IMG Bild: Raus aus der Blase? Der Nachbarschaftscampus Dammweg vor der Weißen Siedlung in Neukölln
       
       „Berlin ist einzigartig“, sagte vor ziemlich genau drei Jahren der
       Neuköllner SPD-Politiker [1][Hakan Demir im Interview mit der taz]. „Wir
       haben eine große Vielfalt. Menschen aus 150 Nationen leben bei uns. Das ist
       genauso vielfältig wie New York.“
       
       Demir hatte sich zu diesem Zeitpunkt in einer Mitgliederbefragung gegen
       einen etablierten Politiker durchgesetzt und wurde Direktkandidat der
       Neuköllner SPD für die Bundestagswahl im September 2021. Es war ein Signal
       des Aufbruchs. Auch die traditionell rechte SPD in Neukölln wurde jünger
       und vielfältiger. War die Zeit von Heinz Buschkowsky und Franziska Giffey
       vorbei?
       
       Drei Jahre später stellt sich die Frage, ob der Aufbruch nicht doch nur ein
       bisschen frischer Wind im Wasserglas war. Mit einer zweifelhaften
       juristischen Begründung [2][hat Bildungs- und Kulturstadträtin Karin Korte
       (SPD) die Berlin Mondiale vor die Tür gesetzt]. Drei Jahre lang hatte der
       freie Träger die brachliegende Gartenfläche am Dammweg 216 [3][für
       Nachbarschaftsarbeit und kulturelle Bildung] [4][zwischengenutzt]. Ein
       Angebot, das es im benachteiligten Quartier nahe der Highdeck- und der
       Weißen Siedlung bis dahin nicht gegeben hatte.
       
       Doch der SPD-Stadträtin war der „Campus Dammweg“ offenbar ein Dorn im Auge.
       Dass die Berlin Mondiale einen Ort geschaffen hat, bei dem es um die
       kulturelle Teilhabe von Menschen mit Migrations-, Asyl- und Exilgeschichte
       geht, spielt keine Rolle. Auch nicht, dass die Berlin Mondiale für diesen
       Ansatz von der Senatskulturverwaltung gefördert wird und ein berlinweites
       Netzwerk aufgebaut hat.
       
       Auf einer Sitzung des Bildungs- und Kulturausschusses am Dienstag
       verkündete Korte, das Projekt sei beendet. Das Grundstück werde von einem
       „Träger für politischen Lobbyismus“ genutzt, heißt es in einem internen
       Schreiben ihrer Amtsleiterin. Werde das nicht unterbunden, werde der
       Dammweg eine „Karlsgartenstraße 2.0 – jedoch mit viel mehr Verbindungen zu
       den Grünen“. In dem Nachbarschaftshaus in der Karlsgartenstraße 6 hatte der
       Pächter auch Initiativen, die keinen Nutzungsvertrag mit dem Bezirksamt
       hatten, die Nutzung erlaubt.
       
       ## Misstrauen gegen Zivilgesellschaft
       
       Das Schriftstück bietet einen erschreckenden Einblick ins Denken der
       Stadträtin und mit ihr auch in den tradionell rechten Flügel der
       Bezirks-SPD. Ein tiefes Misstrauen gegenüber allen, die sich selbst
       organisieren, die Projekte von unten entwickeln und nicht abnicken, was von
       oben kommt. Offenbar haben die Entscheidungsträger der Neuköllner SPD noch
       immer ein Problem mit der Zivilgesellschaft.
       
       Und womöglich sogar mit demokratischen Entscheidungsprozessen? Im November
       noch hatte sich die Neuköllner BVV für eine Fortsetzung der Zwischennutzung
       durch Berlin Mondiale ausgesprochen. Dafür gestimmt hatten Linke, Grüne und
       die CDU. Dagegen waren AfD und SPD. Mit ihrer Entscheidung setzt sich Korte
       also über das Votum der Bezirksverordneten hinweg.
       
       Es ist ein Kulturkampf, der da in Neukölln wieder zu toben scheint. Dass
       die Sozialdemokraten im Bezirksamt ein missliebiges Projekt mit dem
       Feinbild „Grün“ labeln, zeigt, dass sie selbst vor rechtem Populismus nicht
       zurückschrecken. In ihrer Abneigung gegen die Grünen unterscheidet sich die
       SPD in Neukölln nicht von der AfD in Brandenburg.
       
       Noch regiert im Bezirk eine rot-grüne Zählgemeinschaft. Die aber scheint
       die SPD nun aufkündigen zu wollen. Ob sie damit Erfolg hat, wird auch davon
       abhängen, ob die Jungen in der Bezirks-SPD noch einmal aufwachen. „Wir
       nehmen die Vorwürfe, die im politischen Raum stehen, ernst“, meldete sich
       inzwischen die bildungspolitische Sprecherin der BVV-Fraktion der SPD,
       Marina Reichenbach, zu Wort. Sie hat am Freitag Akteneinsicht beantragt.
       
       Auch die Grünen in Neukölln haben Aufklärung gefordert, „um das Vertrauen
       der Kulturszene in die Neuköllner Kulturverwaltung nicht zu gefährden“.
       
       3 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hakan-Demir-kaempft-fuer-die-SPD/!5749926
   DIR [2] /Kulturkampf-in-Neukoelln/!5985925
   DIR [3] https://www.berlin-mondiale.de/hubs/nachbarschaftscampus-dammweg
   DIR [4] https://www.berlin-mondiale.de/hubs/nachbarschaftscampus-dammweg
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Uwe Rada
       
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