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       # taz.de -- Das Potenzial von Primark
       
       > Wo früher billige Klamotten verkauft wurden, ist jetzt viel Platz für
       > Kunst. Das Zwischennutzungsprojekt „ZiK“ im ehemaligen Primark in
       > Steglitz zeigt, wie Leerstand verhindert werden kann
       
       Von Tim Kemmerling
       
       Wenn [1][Kaufhauskolosse wie Karstadt, Galeria Kaufhof] oder Primark
       schließen, hinterlässt das vor allem eins: gewerblichen Leerstand.
       Umnutzungsanträge, Abrisse, Umbauten oder Besitzer- und Investorenwechsel
       sorgen im Anschluss für langanhaltende Lücken im Berliner Stadtbild.
       
       „Der Großeinzelhandel stirbt aus. Viele P&Cs stehen leer, Karstadt und
       Galeria Kaufhof auch. Dieser Primark ist kein Einzelfall,“ sagt Moritz
       Senff, Mitglied des Zentrums für internationale Künste (ZiK), im Gespräch
       mit der taz im ehemaligen Primark im Schloss-Straßen-Center Steglitz. „Wir
       sprechen hier von zigtausend Quadratmetern Leerstand nur in Berlin.“
       
       Was mit Gewerbeflächen passiert, nachdem Immobilieneigentümer wechseln oder
       Investoren wie von Karstadt bankrott gehen, bleibt oft über Monate unklar.
       Meist stehen die Immobilien vorerst leer und werden nicht genutzt, bis sie
       zur kommerziellen Umnutzung oder zum Umbau freigegeben werden. Das kann
       Jahre dauern. Was der Stadt, der sozialen und kulturellen Infrastruktur in
       dieser Zeit entgeht, zeigt die primArt-Ausstellung in eben jenem ehemaligen
       Textilriesen in Steglitz.
       
       Das ZiK hat hier gemeinsam mit der Stiftung „Außergewöhnlich Berlin“ ein
       alternatives Flächennutzungskonzept entworfen, das den Leerstand der ersten
       Primark-Filiale Berlins kulturell nutzt und ein niedrigschwelliges
       Kunstangebot bietet. Auf 8.000 Quadratmetern stellen Künstler*innen ihre
       Werke aus, Musiker*innen spielen Live-Musik, während neugierige und
       teils verdutzte Mallgänger*innen ihren alten Primark kaum
       wiedererkennen. Ohne die Massen an Billigsttextilien, die den Laden früher
       gefüllt haben, erinnern nur noch Spiegel und wohnungsgroße
       Umkleiden-Komplexe daran, dass hier noch bis vor Kurzem täglich tausende
       Shirts, Hosen und Pullover über die Theke gingen.
       
       Das ZiK erhält keine staatlichen Förderungen, sie haben einen Deal mit dem
       Immobilieneigentümer gemacht, um die Fläche, bis zu ihrer endgültigen
       Umnutzung, beleben zu können. Leerstand ist nämlich, abgesehen von den
       sozialen Verlusten für betroffene Bezirke, auch für jene, denen die leeren
       Gebäude gehören, ökonomisch sinnlos. Leere Gebäude müssen instandgehalten
       und gepflegt werden. Die Zwischennutzung ist eine Win-win-Story, auch für
       die Stadt. „Immo-Besitzer sehen, dass es möglich ist, den Leerstand ohne
       finanzielle Verluste zu nutzen. Die Stadt sieht, dass sich solche Projekte
       sozial und kulturell lohnen“, erklärt Senff.
       
       „Gastronomisch gestützte Zwischenraumnutzung“ lautet die offizielle
       Bezeichnung, die Bar und das Café in der Ausstellung finanzieren die
       vergleichsweise niedrige Miete in Höhe der anfallenden Nebenkosten.
       Künstler*innen bietet das ZiK wiederum eine Plattform, um ihre Werke auf
       einer öffentlichen Bühne kostenfrei auszustellen.
       
       Während des Gesprächs vor Ort kommen mehrere Personen am Café vorbei und
       erkundigen sich danach, wie, wer und was hier ausgestellt wird. „Egal ob
       Anfänger oder Profis, alle können sich bewerben. Wir haben da kein Tabu“,
       lautet Senffs Antwort. Diese Einstellung lockt viele junge Kunstschaffende
       an. Die Werke sind stilistisch weit gefächert, reichen von Installationen
       in den ehemaligen Schaufenstern bis hin zu klassischen Portraits. Noch bis
       zum Ende des Jahres, jede Woche von Mittwoch bis Samstag zwischen 14 und 21
       Uhr, können Besucher*innen die Ausstellung kostenlos erleben.
       
       „Zeit ist knapp“ ist die andere Bedeutung des Kollektiv-Akronyms „ZiK“.
       [2][Zwischenraumnutzung] ist zeitlich begrenzt, Senff und seine
       Kolleg*innen sind sich aber sicher, bis dahin weitere Leerstände beleben
       zu können. Auch der wachsende Zuspruch aus der Berliner Politik sorgt für
       diesen Optimismus. Wirtschaftsförderungen der Bezirke Steglitz-Zehlendorf
       und Charlottenburg-Wilmersdorf haben Interesse das Projekt zu unterstützen,
       um ihre Bezirke vom lähmenden Leerstand zu befreien.
       
       Bis das ZiK die nächste klaffende Lücke in Berlins Straßen mit Kunst- und
       anderen Kulturangeboten füllt, wird sich die primArt-Ausstellung noch
       weiterentwickeln. Ein Skatepark, Tanzkurse, ein Marktplatz und Jam-Sessions
       stehen unter anderem noch auf dem Programm. Auch andere Städte werden
       anvisiert.
       
       Das Projekt primArt beantwortet die städteplanerische Frage, was mit Räumen
       passieren sollte, bei denen es gestern noch um übermäßigen Konsum, heute
       aber um Leerstand und Verfall geht. „Das ist das erste Mal in Berlin, dass
       ein Leerstand von Anfang bis Ende so genutzt wird,“ so Senff. Es bleibt
       abzuwarten, ob es dabei bleibt oder ob weitere Immobilien-Besitzer*innen
       und die Berliner Politik das kulturelle Potenzial erkennen, das in Berlins
       leeren Flächen steckt.
       
       ZiK, Schloss-Straßen-Center am Walther-Schreiber-Platz. Mittwoch-Samstag,
       14-21 Uhr
       
       22 Feb 2024
       
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