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       # taz.de -- Dritte Niederlage für FC Bayern München: Gereizt, aggressiv, ratlos
       
       > Der FC Bayern München verliert das dritte Spiel hintereinander, 2:3 gegen
       > den VfL Bochum. Der Meister tritt in einen Prozess der
       > Selbstzerfleischung.
       
   IMG Bild: „Ich weiß, was los war: Thomas Tuchel steht buchstäblich im Regen (von Bochum)
       
       Der Fußball ist voller ungewöhnlicher Fachbegriffe, es gibt die
       „Bogenlampe“, den „Abstauber“, diverse Fachlexika sind zu semantisch
       interessanten Wortschöpfungen erschienen. Dennoch fällt den Beteiligten
       immer etwas Neues ein. So kam Jan-Christian Dreesen, dem
       Vorstandsvorsitzenden des FC Bayern, am Sonntagabend in Bochum ein Begriff
       in den Sinn, der so außergewöhnlich ist, dass er wohl kaum übergehen wird
       in den Jargon. Er halte nichts von diesen „monströsen
       Trainerunterstützungsbekundungen“, sagte Dreesen [1][nach der
       3:2-Niederlage des Rekordmeisters].
       
       Das klang dann erst mal so, als müsse Thomas Tuchel in dieser Woche konkret
       um seinen Job fürchten. Als dann aber jemand fragte, ob der derzeitige
       Chefcoach auch am kommenden Wochenende in der Partie gegen Leipzig auf der
       Bank sitzen werde, erwiderte Dreesen sehr klar: „selbstverständlich“.
       
       Sofern nicht am Tegernsee, im Haus des Ehrenpräsidenten Uli Hoeneß, ganz
       andere Pläne entstehen, wird es vorerst keine personellen Konsequenzen
       geben. Obgleich die Differenzen zwischen Teilen der Mannschaft und dem
       Trainerteam immer deutlicher sichtbar werden. Nach dem Spiel kam es im Gang
       zu den Kabinen zu einer emotional stark aufgeladenen Auseinandersetzung
       zwischen Tuchels Assistenten Zsolt Löw und dem Chefspieler Joshua Kimmich,
       der sich vielleicht über seine Auswechselung geärgert hatte. Oder über
       irgendetwas anderes, in jedem Fall kochte Kimmich vor Wut.
       
       „Ich weiß, was los war, aber das ist nichts für die Öffentlichkeit“, sagte
       Tuchel später, und Dreesen erklärte: „Josh muss einigermaßen bedient
       gewesen sein auf der Auswechselbank. Der gibt immer alles, will gewinnen
       und will spielen, und wenn der Trainer ihn rausnimmt, dann ist das auch in
       Ordnung.“
       
       ## „Ein Horrorfilm“
       
       Die Lage ist angespannt wie lange nicht in München nach diesem
       spektakulären Duell gegen eine voller Hingabe nicht nur kämpfende, sondern
       auch spielende Bochumer Mannschaft. Leon Goretzka verglich diese
       Februarwochen mit einem „Horrorfilm, der irgendwie nicht aufhört“, und
       sagte: „Eine Erklärung dafür zu finden ist schwierig.“ Die Bayern sind
       dieses Gefühl nicht gewohnt, das eine Niederlagenserie auslöst. Zudem flog
       der Verteidiger Dayot Upamecano zum zweiten Mal innerhalb von fünf Tagen
       vom Platz; nicht weil er die Nerven verlor oder übermotiviert agierte,
       sondern aufgrund einer Ungeschicklichkeit.
       
       Jetzt haben sie erstmals seit 2015 drei Partien am Stück verloren, damals
       stand jedoch längst fest, dass sie Deutscher Meister werden würden. Der
       zwölfte Bundesligatitel am Stück sei „jetzt gerade nicht so realistisch“,
       sagte Tuchel. Viel wichtiger ist jetzt, dass sie irgendwie diese
       Negativdynamik stoppen, am bestem beim Spiel gegen Leipzig am kommenden
       Samstag und allerspätestens im Achtelfinal-Rückspiel in der Champions
       League gegen Lazio Rom.
       
       Denn wenn die Bayern im Europapokal gegen eine in der italienischen Liga
       nur mittelmäßig erfolgreiche Mannschaft ausscheiden sollten, ist diese
       Saison endgültig nicht mehr zu retten. Und Tuchel womöglich auch nicht.
       Seine Vorgänger Niko Kovac, Carlo Ancelotti und Julian Nagelsmann haben nie
       drei Partien am Stück verloren, sie hatten auch nie acht Punkte Rückstand
       auf den Tabellenführer – und wurden trotzdem entlassen. [2][Bei Tuchel
       kommt ein Problem hinzu], das bei keinem der drei anderen derart ausgeprägt
       gewesen ist: die Stimmung ist extrem schlecht.
       
       Man kann das an den Gesichtern ablesen, an den Gesten rund um die
       Auswechselbank, an der ganzen Körpersprache, an der Dünnhäutigkeit Tuchels
       im Gespräch mit Experten und Journalisten, an Upamecanos Platzverweisen
       oder an Kimmichs Streit mit Coach Löw. Dass Tuchel selbst nicht zur
       Pressekonferenz kam, passte da irgendwie ins Bild. Die offizielle
       Begründung für dieses Fernbleiben lautete, dass das Team rechtzeitig am
       Flughafen Düsseldorf ankommen müsse, um noch nach München zurückzufliegen.
       
       Aber ganz sicher war Tuchel froh, nicht noch mehr anstrengende
       Journalistenfragen zur schwierigen Lage beantworten zu müssen. Das werden
       der angeschlagene Trainer und die Klubführung in den kommenden Tagen tun
       müssen, denn etwas muss sich ändern beim FC Bayern. Damit die Dynamik des
       sportlichen Niedergangs gestoppt wird, die mehr und mehr auch zu einem
       Prozess der Selbstzerfleischung wird.
       
       19 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.youtube.com/watch?v=J-txIOA76pg
   DIR [2] https://miasanrot.de/fc-bayern-muenchen-zahlen-statistiken-thomas-tuchel-einordnung-vergleich-julian-nagelsmann/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Theweleit
       
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