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       # taz.de -- Verletzte Männlichkeit und AfD: Klebrige Kleinstbürgerei
       
       > Schluss mit der Verständnishuberei: Wer wissentlich eine rechtsextreme
       > Partei wählt, ist ein Rechtsextremist, kein Opfer der Verhältnisse.
       
   IMG Bild: Mit Gedanken von gestern unterwegs: Maximilian Krah (l.) beim Politischen Aschermittwoch der AfD in Osterhofen
       
       Maximilian Krah, neben [1][Grausamkeits-Höcke] das Sprachrohr des schamlos
       rechtsextremen Flügels der AfD, sorgt nicht selten für unfreiwillige
       Satire. Krah, der die Parole ausgab, dass die „Zeit der Mäßigung“ vorbei
       sei, schwadroniert regelmäßig über „Männlichkeit“ und „Weiblichkeit“.
       „Echte Männer sind rechts“, erzählt er, aber es „sind auch echte Frauen
       rechts.“ Ganz ergriffen ist er von der „Komplementarität“ der Geschlechter.
       Männer sind stark, haben eine Führernatur, und sie handeln immer rational.
       Frauen dagegen reagieren „intuitiv“, haben „Gefühl“. Er gesteht: „Ich mag
       ja echte Frauen.“ Und bei allem Männlichkeitskult findet er doch, dass
       Frauen „eine Bereicherung“ seien, also Existenzberechtigung haben.
       Natürlich primär wegen der „Mutterschaft“.
       
       Aber weil das nicht mehr alle so sehen wie er, meint Herr Krah, „sterben
       wir Stück für Stück aus“. Bisschen obsessiv ist Krah, fixiert auf das
       Thema. Sigmund Freud hat dazu bestimmt eine Theorie.
       
       Wäre interessant zu wissen, was Frau Alice Weidel von all dem denkt: Sieht
       sie sich auch mehr „intuitiv“ als „rational“? Und wie, wiederum, kann Herr
       Krah Frau Weidel oder überhaupt irgendeine Frau als Anführerin akzeptieren,
       wenn selbstständige Emanzen genau das sind, wovor Herrn Krah am meisten
       graut?
       
       Lachen Sie nicht. In den Kreisen überspannter Paranoiker, die in ihre
       völlig durchgeknallte Parallelwelt abgedriftet sind, denkt man wirklich so.
       Norbert Bolz, einstmals linker, heute ultrarechter „Medienphilosoph“, hat
       schon 2006 eine Gagatheorie vorgelegt. Titel: „Der Held der Familie“.
       Sexuelle Freizügigkeit, antiautoritäre Erziehung, arbeitende Frauen,
       Homosexuelle in Hollywood, der Wohlfahrtsstaat, die Pille, all das habe der
       guten alten Familie und damit auch den gesunden Geschlechterverhältnissen
       den Garaus gemacht.
       
       Deswegen seien Frauen heute leider „maskulinisierte Emanzen“, denen auf der
       anderen Seite wie spiegelbildlich der „feminisierte Mann“ gegenübersteht.
       Der Sündenfall habe damit begonnen, dass man Frauen gestattete, zu
       arbeiten, was wiederum durch die Pille begünstigt wurde. Besonders fatal
       sei das Einsickern der Frauen in das Bildungssystem. Dort würden sie
       bereits kleinen Buben das Mannsein austreiben, weil ab der Kita „weibliches
       Verhalten belohnt“ werde.
       
       ## Frauen haben unter Rechten nichts zu lachen
       
       Es ist ein derartiger klebriger, miefiger, verstunkener
       Kleinstbürger-Konservatismus, ein Hass auf die Welt, wie sie geworden ist,
       ein buchstäbliches [2][Verrücktwerden an jeder Modernität]. Ein Rumgeheule
       bei gleichzeitiger präpotenter Aufgeblasenheit. Dieser Unfug war ja schon
       um 1870 rückwärtsgewandt. Selbst die verbiestertsten Reaktionäre hätten
       damals gezögert, so einen haarsträubenden Unsinn zu Papier zu bringen. Sie
       wussten, dass es Wandel nun einmal gebe und man sich der Erneuerung der
       Welt nicht einfach in den Weg stellen könne.
       
       Wo immer [3][die radikalen Neurechten] etwas zu sagen haben, wird die Uhr
       für Frauen zurückgedreht. Abtreibungen werden erst erschwert, dann
       verboten. Um die natürliche Geschlechterordnung wiederherzustellen, werden
       die Frauen aus den Arbeitsmärkten herausgedrängt. Nachdem die rechtsextreme
       FPÖ in Salzburg vergangenes Jahr in eine Koalitionsregierung mit den
       Konservativen eingezogen ist, war das Erste, was sie verwirklichten: eine
       Prämie für Frauen, die ihre Kinder selbst daheim betreuen.
       
       Verständlich, dass Studien regelmäßig ergeben, dass junge Frauen heute
       markant linker wählen als junge Männer. Für diesen Trend gibt es ja schon
       seit Jahren starke empirische Daten. Und mag der Trend bei den jungen
       Kohorten besonders markant sein, zieht sich dieser Frauen-Männer-Gap beim
       Wahlverhalten doch über die verschiedensten Generationen. Also nicht nur
       die Enkelinnen, auch die Omas wählen signifikant progressiver als die
       Männer.
       
       Das ist eine lustige historische Pointe. Es waren ja die Linken, die vor
       etwas mehr als 100 Jahren das Frauenwahlrecht durchgesetzt hatten, obwohl
       sie wussten, dass die Frauen zu diesem Zeitpunkt konservativer als ihre
       Männer tickten. Frauen waren damals etwa gläubiger und
       christlich-konservativ und haben daher seltener Sozialisten oder
       Kommunisten gewählt als die Männer. Die Linken waren dennoch für das
       Frauenwahlrecht. 100 Jahre später gibt es so etwas wie eine amüsante
       historische Gerechtigkeit: Wenn Linke noch irgendwo gewinnen, dann
       verdanken sie das den Frauen.
       
       ## Kein Symptom für ein Versagen der Linken
       
       Eine häufige Erklärung ist: (Junge) Männer sind in ihrer Männeridentität
       verunsichert, als Gegenreaktion werden manche dann reaktionäre
       Ultra-Machos. Na ja, mag sein. Aber deswegen wählt man keine rechtsextremen
       Verrückten wie Krah und Co.
       
       Es gibt eine gewisse gutmenschliche Verständnishuberei, die man nicht
       übertreiben soll: dass die Wähler der Rechtsextremisten irgendwelche Opfer
       seien. Sie leiden am Wandel, was sie quasi zwinge, rechtsextrem zu wählen.
       Gerne wird auch darauf hingewiesen, dass der Aufstieg der Ultrarechten eine
       Art von Symptom für das Versagen der Linken sei. Wäre die SPD besser, wäre
       die AfD kleiner. Auch das mag stimmen oder zumindest nicht ganz falsch
       sein. Aber es ist eine Verharmlosung. Wer wissentlich eine rechtsextreme
       Partei wählt, ist ein Rechtsextremist. Punkt. Aus. Wähler und Wählerinnen
       sind volljährig und geschäftsfähig und keine entmündigten Depperln, die
       nicht wissen, was sie tun.
       
       Man sollte die streichelpädagogische Attitüde gegenüber diesen Leuten
       aufgeben. Wer Krah wählt, ist kein Opfer, sondern ein Täter.
       
       Bei der [4][Berliner Nachwahl hat die AfD] im Wahlkreis Steglitz-Zehlendorf
       5,3 Prozent der Erststimmen erhalten. Und das, obwohl dort Birgit
       Malsack-Winkemann auf dem Wahlzettel stand, die seit mehr als einem Jahr
       als [5][mutmaßliche Rechtsterroristin und Putschistin] in U-Haft sitzt. Wer
       so wählt, wird schwer resozialisierbar sein.
       
       21 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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