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       # taz.de -- Die Wahrheit: Das bisschen Familie
       
       > Wer Haus und Hof und Katze der Eltern hütet, der oder die kommt
       > verwundert so gar nicht mehr hinaus aus dem täglichen
       > Suburbia-Hamsterrad.
       
   IMG Bild: Handarbeit statt Hamsterrad: So ging das Körbe-Flechten im Mittelalter
       
       Ausruhen? Pustekuchen. Wir sind am Rotieren, seit wir Haus und Katze meiner
       Eltern hüten, alle drei beheimatet im Münchner Speckgürtel, wo die Sonne
       oft föhnig scheint und, wenn sie mal gerade nicht scheint, der Honig aus
       den Hähnen sprudelt, dass es unheimlich ist. Ansonsten wirkt die Zeit im
       oberbayerischen Würmtal, bis auf viele Elektrodrittautos und Funklöcher in
       Form nicht funktionierender Handymasten, wie stehengeblieben im Jahr 1984.
       
       Stimmt ja gar nicht! Damals gab es weder gelbe Säcke zum Verbringen von
       Plastikmüll noch gab es Restmüll-Touren A–D, Biomüll-Touren A–D,
       Gelber-Sack-Touren 1+2 und null Papier-Touren 1+2. Im Prinzip heute alles
       eine vernünftige Sache und auch nicht erst von Robert Hassfigur Habeck
       bundesweit eingeführt, sondern zum Beispiel von der Abfallwirtschaft
       Gräfelfing.
       
       Aber wer, wie wir, aus einem luschigen Berliner Mietshaus stammt, der ist
       den beträchtlichen Eigeneinsatz nicht gewohnt, blaue oder braune Tonnen an
       den gefühlt kilometerweit entfernten Straßenrand zu ziehen, oder,
       aufgeschreckt von 25 prall gefüllten gelben Säcken der Nachbarn, zur
       Tiefschlafzeit an den Rand des elterlichen Hobbykellers neben dem Katzenklo
       zu traben, um ordnungsgemäß bis sieben Uhr in der Früh das Gewünschte für
       die Gräfelfinger Abfallwirtschaft bereitzustellen.
       
       ## Täglich ruft das Festnetz durch
       
       Es ist ja nicht so, dass man beim elterlichen Haus- und
       Felis-domestica-Hüten sonst nichts mehr zu bewältigen hätte. Mehrmals
       täglich etwa ruft das Festnetz durch – die Eltern tragen beide
       altmittelhochdeutsche, aus der heutigen Zeit gefallene Rufnamen, was einen
       bekanntlich zur Zielscheibe von weltweiten Telefonbetrügerbanden macht.
       Eben noch hat man, eingelullt von trügerischer Vorortidylle, seinen
       Discounter-Instantkaffee geschlürft und die zu hütende haarige Fellwurst 45
       Minuten exzessiv gebürstet und gekämmt, da bimmelt es auch schon.
       
       „Ja, bitte?“ – „Sie haben einen dringenden Auftrag erhalten“, schnarrt eine
       Frauencomputerstimme vom guten alten KI-Band, „bitte hören Sie sich diese
       Aufnahme an. Hier spricht das Nationale Zentrum für Gesundheit und
       Schönheit …“ Schon wieder? Wir sind doch nicht die letzte Generation, wir
       sind doch nur weit über 50! Gestern erst war es eine schneidige
       Männerstimme vom Nationalen Zentrum für Gesundheit und Schönheit, mit der
       sich einfach nicht reden ließ.
       
       Ganz im Gegensatz zu der zackigen Telefontante vorgestern, die uns
       androhte, „dass unverzüglich 89 Euro monatlich für Euro Lotto zu überweisen
       sind, und jetzt sagen Sie mir nochmal ganz langsam Ihre Kontonummer, und
       dann buche ich Sie für eine gratis Entschädigungsrunde ein“.
       Selbstverständlich sofort eingehängt, nachher sind glatt Haus, Hof und
       Katze verspielt, kommen die Eltern heim!
       
       Analog zu der wunderbaren, jüngst verstorbenen Allround-Künstlerin Johanna
       von Koczian möchte ich also schließen: „Das bisschen“ Familie … macht ganz
       schön Arbeit.
       
       22 Feb 2024
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Harriet Wolff
       
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