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       # taz.de -- Tödlicher Polizeieinsatz in Dortmund: Sechs Schüsse ohne Vorwarnung
       
       > Im Prozess um den von der Polizei in Dortmund getöteten Mouhamed Dramé
       > räumen Beamte ein, dass ohne Vorwarnung geschossen wurde.
       
   IMG Bild: Die fünf angeklagten Polizeibeamtinnen und -beamten im Gerichtssaal des Landgerichts Dortmund, 19. Dezember
       
       Dortmund taz | Der von der Polizei am 8. August 2022 von der Polizei in der
       Dortmunder Jugendhilfeeinrichtung St. Antonius [1][erschossene Mouhamed
       Dramé] ist bei dem Einsatz offenbar nicht deutlich gewarnt worden – weder
       vor dem bevorstehenden Einsatz von Pfefferspray und Elektroschockpistolen,
       sogenannten „Tasern“, noch vor Schüssen aus einer Maschinenpistole. Das hat
       der am Einsatz beteiligte Polizeibeamte Hassan Abu R. am siebten Prozesstag
       am Mittwoch als Zeuge vor dem Landgericht Dortmund ausgesagt.
       
       Bestätigt wurden damit Aussagen von zwei Zivilpolizisten, die bereits eine
       Woche zuvor als Zeugen befragt wurden – und sich ebenfalls nicht an
       entsprechende Androhungen erinnern konnten.
       
       Der [2][seit Dezember 2023 laufende Prozess] soll klären, wer für den Tod
       des aus dem Senegal stammenden 16-jährigen Geflüchteten verantwortlich ist.
       [3][Angeklagt sind fünf Polizist:innen]: der Maschinenpistolen-Schütze
       Fabian S. wegen Totschlags, drei seiner Kolleg:innen wegen gefährlicher
       Körperverletzung und ihr Einsatzleiter wegen Anstiftung dazu.
       
       Schon heute macht das Gerichtsverfahren klar, wie hektisch und nervös die
       Beamt:innen damals auftraten, wie unprofessionell der Einsatz ablief.
       Schließlich galt [4][Mouhamed Dramé als suizidgefährdet]. Am
       Montagnachmittag des 22. August 2022 hockte er im Hof einer
       Jugendhilfeeinrichtung in der migrantisch geprägten Dortmunder Nordstadt,
       richtete ein 15 bis 20 Zentimeter langes Küchenmesser gegen seinen eigenen
       Bauch. Auf Worte von Betreuer:innen reagierte er nicht. Per Telefonanruf
       bat der Leiter der Einrichtung die Polizei deshalb um 16.25 Uhr um Hilfe.
       
       ## Sechs Schüsse aus der Maschinenpistole
       
       Doch nur 22 Minuten nach Beginn dieses telefonischen Notrufs, um 16.47 Uhr,
       feuerte der Polizist Fabian S. sechs Schüsse mit einer Maschinenpistole vom
       Typ Heckler & Koch MP5, von denen die nordrhein-westfälische Polizei in
       jedem Streifenwagen zwei Stück mitführt, auf den Jugendlichen ab. Er traf
       Mouhamed Dramé im Gesicht, am Hals, in Schulter, Arm und Bauch. Der
       16-Jährige starb kurz darauf in einem nahegelegenen Krankenhaus.
       
       Auslöser der Schüsse war offenbar der massive Einsatz von Pfefferspray
       unmittelbar zuvor. Der sei erfolgt, damit Mouhamed Dramé „an seine Augen
       greift und dabei das Messer loslässt“, sagte der Beamte Hassan Abu R. als
       Zeuge. Direkt danach sei Dramé schnell nach rechts in Richtung der
       Polizist:innen gelaufen – also in die einzige Richtung, die ihm zur
       Flucht vor dem Reizgas blieb: Der 16-Jährige stand auf dem Gelände der
       Jugendhilfeeinrichtung in einer Art Sackgasse. Hinter und links neben ihm
       waren Gebäudemauern, vor ihm ein hoher Metallzaun.
       
       ## Polizist verteidigt Schüsse
       
       Die Polizist:innen aber werteten die Bewegung als gefährlichen Angriff
       – schließlich soll Dramé das Küchenmesser noch immer in der Hand gehalten
       haben. Dabei verwiesen die als Zeugen gehörten Beamten immer wieder auf die
       sogenannte Sieben-Meter-Regel: Die besage, dass auf einen mit einem Messer
       bewaffneten Angreifer präventiv und aus Selbstschutz zu schießen ist, wenn
       dieser eine Distanz von sieben Metern unterschreitet.
       
       Mit einem Zeitabstand von nur 0,7 Sekunden wurde Mouhamed Dramé deshalb mit
       zwei Tasern und der Maschinenpistole beschossen. Der Polizeibeamte Hassan
       Abu R. hält auch den Gebrauch der MP5 noch heute für richtig: „Hätte Herr
       S. nicht geschossen“, sagte er am Mittwoch vor dem Dortmunder Landgericht,
       „hätte ich geschossen“.
       
       7 Mar 2024
       
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