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       # taz.de -- Schönheit und Gesundheit: Auf High Heels ins Studio
       
       > Einer Studie zufolge tragen etwa 80 Prozent der TV-Moderatorinnen
       > bevorzugt Schuhe mit hohem Absatz im Fernsehen. Was macht das mit dem
       > Frauenbild?
       
   IMG Bild: High Heels, hier auf dem Roten Teppich der Berlinale
       
       Viele Sendungen im Fernsehen werden von Frauen moderiert: Wirtschafts- oder
       Gesellschaftsmagazine, Polit-Sendungen, Abendnachrichten, Sportschauen,
       regionale Nachrichten, Talkshows … souverän führen die Moderatorinnen durch
       die Sendungen, legen Hintergründe offen, nehmen in Interviews Prominente
       und Politiker:innen teils hart in die Zange – nur warum tragen sie
       dabei zumeist hohe Schuhe? Einer Studie zufolge ist dies in circa 80
       Prozent der Auftritte der Fall.
       
       Ein unwichtiges Detail oder ein gesellschaftliches Statement – was macht
       dies mit dem Frauenbild? Kleidung, Schuhe und Accessoires sind Ausdruck der
       Persönlichkeit eines Individuums und unterstützen die Darstellung von
       Rollen; mit der äußerlichen Ausstattung signalisieren Menschen ihre
       Zugehörigkeit zu Gruppen, sozialen Milieus und Lebensstilen, vermitteln
       Werte und Einstellungen – eine starke Wirkung des äußerlichen Auftritts
       also.
       
       Bei festlichen Anlässen sind hohe Absätze nach wie vor ein Muss für die
       Robe der Frauen. Sie scheinen unabdingbares Accessoire der klassisch
       weiblichen Rollendarstellung zu sein. Aber wie passt dies in den
       öffentlichen Auftritt von Moderatorinnen, wenn es um Themen aus
       Gesellschaft, Politik, Sport oder Wirtschaft geht? Woher kommt der Begriff
       „Stöckelschuhe“? Umschreibt er den typischen Gang, der durch Tragen hoher
       Schuhe entsteht?
       
       Schritte der Trägerinnen verkürzen sich, es gilt „je höher der Absatz, umso
       mehr Schritte werden für eine Distanz benötigt“ – frau stöckelt eben vor
       sich hin. Der hohe Absatz zwingt zu einer besonders aufrechten Haltung, zur
       Betonung der Brust und des Gesäßes und schafft optisch längere Beine. Der
       Gang der Schuhträgerinnen wirkt für viele attraktiver, da mehr Bewegung in
       die Hüften kommt; Studien weisen nach, dass die [1][Hilfsbereitschaft der
       Männer] mit der Höhe des Absatzes steigt.
       
       ## Rückenschmerzen und Fehlstellungen
       
       Allerdings hat auch hier die Schönheit ihren Preis: Das Tragen von hohen
       Absätzen kann zu Fuß- und Rückenschmerzen, Verletzungen oder Fehlstellungen
       führen – vielfältige Studien bestätigen dies. Mediziner:innen schlagen
       die Hände über dem Kopf zusammen, wenn es um High Heels geht. Es ist nicht
       nur eine Frage des persönlichen Gefallens oder Gefallen-Wollens, wie hoch
       der Absatz sein darf oder soll, sondern auch ein Eingriff in das
       körperliche Wohlbefinden.
       
       Trotz der gesundheitlichen Risiken gehören hohe Absätze zum Schönheitsideal
       eleganter Weiblichkeit. International führte das Thema in den vergangenen
       Jahren zu heißen Debatten: Frauen in Japan wehrten sich 2019 im Rahmen der
       [2][#KuToo-Bewegung] gegen die Vorschrift, am Arbeitsplatz hohe Schuhe zu
       tragen – 5 bis 7 Zentimeter Absatz sind in rund 60 Prozent der japanischen
       Unternehmen der herrschende Dresscode.
       
       Der Hashtag-Kampagne schlossen sich viele Frauen an – „#KuToo“ ist ein
       Wortspiel aus japanischen Begriffen für Schuh und Schmerz. Künstlerinnen
       zeigten ebenso Flagge: Auf dem roten Teppich bei den Filmfestspielen von
       Cannes erschien [3][Schauspielerin Julia Roberts] (2016) aus Protest
       barfuß, weil geladenen weiblichen Gästen der Zutritt mit der Begründung
       verweigert wurde, ihre Schuhe seien nicht hoch genug.
       
       Aus Protest gegen den herrschenden Dresscode in Cannes entledigte sich zwei
       Jahre später [4][Schauspielerin Kristen Stewart] medienwirksam ihrer
       Stilettos auf dem roten Teppich (2018). Medien als Bühne sind nicht allein
       passiver Spiegel gesellschaftlichen Geschehens, Medien gestalten ihre
       Botschaften, setzen Akzente, beeinflussen Werte und Einstellungen. Schon
       die Auswahl der Moderierenden im TV ist ein entscheidender Schritt.
       
       ## Am liebsten Sneaker
       
       Präsentiert ein Mann oder eine Frau die Sendung, wie tritt er oder sie auf?
       Dabei ist die äußere Erscheinung eine entscheidende Komponente. Im
       Interview bestätigen TV-Moderatorinnen die Wichtigkeit ihres Outfits – zum
       Teil bekämen sie mehr Resonanz auf diese Äußerlichkeiten als auf Inhalte
       der Sendungen. Wenn der visuelle Auftritt so eine Bedeutung besitzt, dann
       ist die Wahl von Kleidung und Schuhwerk ein entscheidendes Signal.
       
       Moderatorinnen können Trends setzen, neue Impulse aussenden – oder
       bestehende Traditionen und Rollenerwartungen immer wieder reproduzieren und
       so im gesellschaftlichen Gefüge zementieren. Kostümbild, Lookbooks, Style
       Guides, filmtechnische Notwendigkeiten – viele Faktoren wirken auf die Wahl
       des Outfits ein. Tatsächlich bestätigen alle befragten [5][Moderatorinnen
       im Interview], dass sie selbst großen Einfluss auf ihren äußeren Auftritt
       haben.
       
       Ihre Vorgesetzten in den Sendern schreiben nichts zwingend vor. Warum fällt
       dann in 80 Prozent der Fälle die Wahl auf Schuhe mit mehr oder weniger
       hohen Absätzen, zum Teil auf High Heels mit abenteuerlichen Höhen? Warum
       immer wieder die Präsentation der klassischen Stereotype – Weiblichkeit und
       Eleganz braucht Pfennigabsätze? Wird das Publikum gefragt, ist die Antwort,
       dass auch gern anderes Schuhwerk willkommen sei.
       
       Sicher werden jetzt einige denken, „es gibt Wichtigeres als die Schuhe der
       Moderatorinnen im Fernsehen“! Unbestritten, das ist richtig – aber hier
       wäre eine kleine Stellschraube, einfach zu bedienen, die mit großer
       medialer Reichweite ein deutliches Statement setzen und Stereotype
       aufbrechen könnte. Auch hier – wie an so vielen Stellen – mehr Vielfalt! Es
       gibt viele ansprechende Schuhformen für Frauen.
       
       Es muss nicht immer der Pfennigabsatz sein mit seiner Botschaft von
       einseitig verstandener weiblicher Eleganz. Diversity ist das Gebot der
       Stunde. Nutzt die Bandbreite, schließlich gibt es auch elegante Schuhe ohne
       hohe Absätze. Werdet variabel, bedient nicht immer ein- und dasselbe
       Klischee. Gerne auch mitunter Pumps oder gar High Heels – aber nicht als
       gesetzte „Uniform“ der Moderatorinnen! Der beliebteste Schuh bei deutschen
       Frauen ist übrigens der Sneaker, wie Verkaufszahlen zeigen.
       
       8 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.tagesspiegel.de/wissen/hohe-schuhe-fordern-die-hilfsbereitschaft-von-mannern-6900358.html
   DIR [2] https://sumikai.com/nachrichten-aus-japan/lifestyle/japanische-bewegung-unterstuetzt-frauen-im-kampf-gegen-hohe-pumps-am-arbeitsplatz-250130/
   DIR [3] https://www.youtube.com/watch?v=MTIPf066z_8
   DIR [4] https://www.youtube.com/watch?v=RMlk5AehNdE
   DIR [5] https://www.netzwerk-fgf.nrw.de//fileadmin/media/media-fgf/download/publikationen/netzwerk_fgf_journal_50_f_web.pdf
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Stark
       
       ## TAGS
       
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