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       # taz.de -- Meduza-Auswahl 30. Jan. – 5. Feb. 2025: Russland macht Jagd auf Trans-Menschen
       
       > Die russischen Behörden suchen nach medizinischen Akten von
       > Trans-Personen, um sie in Staatsdatenbanken zu überführen. Doch manche
       > Kliniken haben vorgesorgt.
       
   IMG Bild: Demonstration gegen die Diskriminierung von LGBT vor der russischen Botschaft in Paris
       
       Das [1][russisch]- und [2][englischsprachige] Portal Meduza zählt zu den
       wichtigsten unabhängigen russischen Medien. [3][Im Januar 2023 wurde Meduza
       in Russland komplett verboten]. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme
       gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter
       taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber
       Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der [4][taz Panter Stiftung]
       gefördert. 
       
       In der Zeit vom 30. Januar bis 5. Februar 2025 berichtete Meduza unter
       anderem über folgende Themen: 
       
       ## Wer psychisch krank ist, muss trotzdem dienen
       
       Sich der Einberufung zum Militär in Russland zu entziehen wird demnächst
       noch schwieriger: Das Verteidigungsministerium soll die medizinischen
       Vorschriften für das Militär verändern und die Liste der
       Gesundheitszustände, die eine Befreiung von der Wehrpflicht ermöglichen,
       einschränken. Nach diesen neuen Vorschriften würden selbst schwere
       psychische Störungen Rekruten nicht mehr disqualifizieren, [5][berichtet
       Meduza auf Englisch.]
       
       Nach Angaben der „Bewegung für Kriegsdienstverweigerung Russland“ bereitet
       das Ministerium eine umfassende Überarbeitung des Verzeichnisses der
       Konditionen, die eine Person vom Militärdienst ausschließen, vor. Diese
       Liste wird von den Einberufungsbehörden verwendet, um die
       Diensttauglichkeit eines Anwärters festzustellen.
       
       Auch Vertragssoldaten und bereits mobilisiertes Personal mit
       mittelschweren, vorübergehenden endogenen Psychosen sowie „schweren
       neurotischen Störungen“ im Zusammenhang mit Stress, somatischen Symptomen
       und Stimmungsschwankungen werden nun in die Kategorie C statt E eingestuft.
       Das bedeutet, dass sie in den Reihen der russischen Armee verbleiben.
       
       Auch bei körperlichen Gebrechen gibt es Änderungen: So muss nun etwa bei
       chronischer Nesselsucht muss eine fehlende Wirksamkeit der Behandlung über
       einen Zeitraum von vier Wochen nachgewiesen werden.
       
       ## Neue Einschulungsregeln für Kinder in Russland
       
       Am 11. Dezember 2024 verabschiedete die russische Staatsduma in dritter
       Lesung ein Gesetz, das Kinder von Migrant:innen die Einschulung verwehrt
       – sofern sie nicht vorher einen Test über die russischen Sprachkenntnisse
       bestehen. Das Gesetz tritt am 1. April 2025 in Kraft, die neuen Regeln
       gelten dann für das im September beginnende Schuljahr 2025-2026,
       [6][berichtet Meduza auf Englisch].
       
       Kinder, die den Test nicht bestehen, werden nicht zum Schulbesuch
       zugelassen. Die Prüfung soll kostenlos sein, das russische
       Bildungsministerium die Testverfahren festlegen. Schulen müssen im Rahmen
       des Zulassungsverfahrens außerdem überprüfen, ob sich ein Kind legal in
       Russland aufhält. Kinder, deren Eltern sich illegal im Land aufhalten, wird
       die Einschreibung verweigert.
       
       Das russische Bildungsministerium hat außerdem vorgeschlagen, Eltern von
       haftbar zu machen, wenn Kinder nach dem Nichtbestehen des Tests keine
       zusätzlichen Russischkurse belegen. Der Verordnungsentwurf sagt: Kinder,
       die die Prüfung nicht bestehen, müssen ein dreimonatiges Förderprogramm auf
       Kosten ihrer Eltern absolvieren. Wenn ein Kind nicht innerhalb eines Monats
       an einem solchen Programm teilnimmt, können die Kinderschutzbehörden die
       Lebensbedingungen der Familie überprüfen und die Strafverfolgungsbehörden
       benachrichtigen.
       
       Genauen Daten über die Zahl der Kinder von Migrant:innen in seinen
       Schulen gibt es in Russland nicht. Zahlen des Bildungsministeriums aus dem
       Jahr 2023 zeigen jedoch, dass 178.000 Schüler mit ausländischer oder ohne
       Staatsangehörigkeit eingeschrieben waren. Fast die Hälfte von ihnen
       besuchte die Grundschule, 39 Prozent die Klassen 5 bis 8 und 11 Prozent die
       Klassen 9 bis 11.
       
       ## Auch Kinder wissen von der Front
       
       Der Krieg in der Ukraine, den Russland vor drei Jahren ausgelöst hat,
       findet nicht nur an der Front statt. In Russland sind auch Schüler:innen
       immer mehr der Kriegspropaganda ausgesetzt. Schulkinder werden zu
       Veranstaltungen im Zusammenhang mit dem „Großen Vaterländischen Krieg“
       geschickt, Hochschulstudent:innen stellen Lageröfen her und weben
       Tarnnetze für die Kämpfer der sogenanten „militärischen Sonderoperation“.
       
       Auch in der Ukraine ist der Krieg ist der Krieg in den Schulen präsent:
       Schüler:innen in Kyjiwer Schulen werden Drohnen und moderne Waffen
       gezeigt. Kinder von Kämpfern der ukrainischen Streitkräfte, die von
       Russland gefangen genommen wurden, nehmen an Aktionen teil, um ihre
       Angehörigen nach Hause zu holen.
       
       [7][Ihre Geschichten hat Meduza fotografisch festgehalten]. Die Bilder
       zeigen, wie Schüler:innen Tarnnetze für russische Militäreinheiten
       herstellen oder Schüler:innen beim Besuch des Siegesmuseums in Moskau
       (russischer Text).
       
       ## Wie Russland gegen Trans-Menschen vorgeht
       
       Im Rahmen der russischen Anti-Queer-Kampagne hat die Polizei jahrelang
       Razzien in Nachtclubs, auf privaten Partys und in medizinischen
       Einrichtungen durchgeführt. Das geht schon lange so: [8][Seit November
       2023, als der Oberste Gerichtshof Russlands die nicht existierende
       „internationale soziale LGBT-Bewegung“ als „extremistische Organisation“
       einstufte].
       
       Und nun könnte der Terror noch wachsen, [9][berichtet Meduza auf Englisch.]
       
       Eines Tages im Jahr 2019 klappte Yael Demedetskaya ihren Laptop auf – und
       sah online, wie ein ehemaliger Kollege Stapel von medizinischen Unterlagen
       aus der Klinik in Moskau, in der sie einmal gearbeitet hatte, in Brand
       setzte. Mit Feuerzeugbenzin übergossen, verbrannten mehr als 6.000 Akten.
       Demedetskaya, die in den Vereinigten Staaten im Exil lebt, hatte die
       Vernichtung der Akten veranlasst: Um Transgender-Patienten vor dem immer
       härteren Vorgehen Russlands gegen die LGBTQ+-Gemeinschaft zu schützen. Der
       russische Staat macht Jagd auf die Krankenakten von Transgender-Personen,
       um staatliche Datenbanken zu füllen.
       
       Mehr als ein Jahrzehnt zuvor gründeten Demedetskaya und ihr Mann die
       Transgender Foundation und später eine Klinik, um Menschen bei der
       Geschlechtsumwandlung medizinisch zu unterstützen. Die Demedetskys flohen
       aus Russland und beantragten 2017 Asyl in den Vereinigten Staaten, nachdem
       sie von der Polizei bedroht und von einer Gruppe von Männern gewaltsam
       angegriffen worden waren. Die Arbeit ihrer Gruppe endete mit dem Verbot von
       Geschlechtsumwandlungen in Russland. Und die Stiftung wurde als „nationale
       Sicherheitsbedrohung“ eingestuft.
       
       Demedetskaya erklärte gegenüber Meduza, dass ihre Klinik absichtlich auf
       die Digitalisierung ihrer Aufzeichnungen verzichtete – für den Fall, dass
       diese vernichtet werden müssten, um die Identität der Patienten vor den
       Behörden zu verbergen.
       
       Andere Einrichtungen waren nicht so gut vorbereitet. Demedetskayas Freund,
       ein Gynäkologe, erzählt: Die Polizei habe im Dezember 2023 in einer anderen
       Klinik „herumgeschnüffelt“. Als der Beamte, der für die Durchsuchung der
       Akten von Trans-Patienten zuständig war, erst nichts finden konnte,
       beschlagnahmten die Behörden einfach den gesamten Computer des Büros – mit
       Kabeln und Monitor. Nach diesem Vorfall stellte die Klinik die chirurgische
       Hilfe für Transgender-Personen ein.
       
       Sieben Quellen, die mit Meduza sprachen, darunter Menschenrechtsaktivisten
       aus dem ganzen Land, berichteten von Polizeirazzien in medizinischen
       Einrichtungen und bei einzelnen Ärzten, die Transgender-Personen geholfen
       haben. Die Beamten suchen nach Aufzeichnungen über die zuvor ausgestellten
       Sonderbescheinigungen, die es Menschen erlaubten, ihre
       Geschlechtskennzeichnung in offiziellen Dokumenten zu ändern. Bevor
       Russland Geschlechtsumwandlungen verbot, hatten medizinische Kommissionen
       Formulare mit Transsexualismus“-Diagnosen ausgestellt, die die Änderungen
       von Geburtsurkunden und anderen Dokumenten erlaubten.
       
       5 Feb 2025
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://meduza.io
   DIR [2] https://meduza.io/en
   DIR [3] /Russische-Medien-im-Exil/!5911767
   DIR [4] /!v=4269299f-23bb-40f2-a4ea-2b1b1ae40192/
   DIR [5] https://meduza.io/en/feature/2025/02/04/russia-s-defense-ministry-is-quietly-making-it-even-harder-to-get-a-medical-exemption-from-military-service
   DIR [6] https://meduza.io/en/feature/2025/02/04/russia-s-defense-ministry-is-quietly-making-it-even-harder-to-get-a-medical-exemption-from-military-service
   DIR [7] https://meduza.io/feature/2025/02/03/v-ukraine-i-rossii-shkolnikam-dazhe-mladshih-klassov-pokazyvayut-oruzhie-i-dayut-ego-v-ruki-fotografii
   DIR [8] /Meduza-Auswahl-23--29-Januar-2025/!6066185
   DIR [9] /Meduza-Auswahl-23--29-Januar-2025/!6066185
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Tigran Petrosyan
       
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