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       # taz.de -- Protest gegen Geflüchtetenunterkunft: Gegenüber wohnen Wutbürger
       
       > Das Stadt Hamburg prüft, ob in einem Altbau besonders schutzbedürftige
       > Geflüchtete unterkommen können. Anwohner*innen fühlen sich
       > übergangen.
       
   IMG Bild: Ab Herbst sollen in diesem Haus in der Sierichstraße 53 in Hamburg-Winterhude besonders schutzbedürftige Geflüchteten leben
       
       Hamburg taz | Ein Haus in der Sierichstraße im Hamburger Norden sorgt für
       Protest: Der Altbau mit der Hausnummer 53 soll womöglich als [1][Unterkunft
       für Geflüchtete genutzt werden], die wegen geschlechtlicher Identität oder
       sexueller Orientierung besonders schutzbedürftig sind. 38 Wohneinheiten
       sind geplant.
       
       Ob das Haus, das dem städtischen Sozialunternehmen Fördern und Wohnen
       gehört, als Unterkunft umgebaut werden kann, prüft die Sozialbehörde
       derzeit. Doch Anwohner*innen der Sierichstraße haben schon jetzt etwas
       gegen die Pläne – und fühlen sich von den Behörden übergangen.
       
       Das Haus liegt im Bereich „Winterhude 21“, in einem Teil des
       Bebauungsplans, der als reines Wohngebiet ausgewiesen ist. Da eine
       Geflüchtetenunterkunft aber als öffentlich-rechtliche Unterkunft gilt, ist
       das eigentlich rechtswidrig. Die Sozialbehörde hat deshalb beim Bezirksamt
       Nord einen Antrag auf Befreiung von dieser Regel gestellt.
       
       Das macht die Anwohner*innen sauer, sagt [2][Philipp Kroll,
       stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU Nord]. „Die Gerüchteküche
       vor Ort ist am Leben“, sagte er im Regionalausschuss vergangene Woche.
       „Teilweise sind die E-Mails, die wir bekommen, auch sehr AfD-lastig.“
       Deshalb stellte Kroll im Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude vergangene
       Woche einen Antrag auf ein Bürgerforum, der allerdings nach der Debatte auf
       Krolls Wunsch vertagt wurde.
       
       ## Vier Wochen Zeit für Rückmeldungen
       
       Dabei wurden in der Vergangenheit durchaus Bürger*innen eingebunden. Die
       Eigentümer*innen desselben Baublocks wurden im Dezember informiert und
       hatten vier Wochen Zeit für Rückmeldungen. „Es hat bereits von einigen
       Eigentümern des Baublocks Einwände gegeben“, sagt Alexander Fricke,
       Sprecher des Bezirksamts Nord. Damit befassen sich nun im Rahmen des
       Bauplanverfahrens die Behörden.
       
       Außerdem haben Anwohner*innen wegen der Nutzung als
       Betreuungseinrichtung im reinen Wohngebiet einen Anwalt eingeschaltet, mit
       dem im Februar ein Treffen organisiert sei, so Fricke. Die Staatsrätin der
       Sozialbehörde stehe in Kontakt mit den Betroffenen.
       
       Eine ganz bestimmte Gruppe Nachbar*innen hat allerdings ein besonderes
       Problem: Die von gegenüber. Denn auf der Sierichstraße verläuft die Grenze
       zwischen einem reinen Wohngebiet und einem allgemeinen. Letzteres bedeutet,
       dass teilgewerbliche Nutzung von Flächen erlaubt ist – und dass die Stadt
       deshalb die Menschen dort auch nicht nach Einwänden fragen muss.
       
       Eine Anwohnerin von der anderen Straßenseite, die anonym bleiben will,
       sagte der taz, dass das ungerecht sei. Sie könne nicht für die ganze
       Nachbarschaft sprechen, denn sie seien nicht organisiert, aber die Menschen
       hätten doch Fragen: Wer da reinkäme, für wie lange.
       
       „Die Menschen lesen, wie in der Nähe von anderen Flüchtlingsunterkünften
       regelmäßige Polizeieinsätze sind, der Supermarkt [3][Sicherheitspersonal
       einstellen muss, die Häuser an Wert verlieren]“, sagt die Anwohnerin. Seit
       über zwanzig Jahren wohne sie hier. Bei einem solchen Vorgang müsse doch
       „das ganze Viertel mitgenommen werden“.
       
       Sie möchte von der Stadt informiert werden und mitreden. Es herrsche die
       Vorstellung, in Winterhude hätten die Menschen so viel, dass sie teilen
       könnten. „[4][Wir als Viertel müssen diese Menschen integrieren], während
       die Stadt weiterzieht.“
       
       Klar ist: Geflüchtete brauchen Wohnraum, und erwünscht sind sie selten. Das
       zeigt auch das [5][Beispiel Sophienterrassen], wo die Stadt die Nutzung der
       Immobilie aufgrund von Widerstand in der Nachbarschaft im Herbst dieses
       Jahres wieder schließen muss. Auch gegen Unterkünfte [6][in Duvenstedt] und
       in Bahrenfeld gibt es Vorurteile, Nachbar*innen sprechen sich teils klar
       rassistisch gegen sie aus.
       
       Susanne Otto, Regionalbeauftragte des Bezirksamt Nord, sagte im
       Regionalausschuss Eppendorf-Winterhude vergangenen Montag deshalb, dass
       Informationsveranstaltungen während der Planungsphase weiterhin nicht
       vorgesehen sind. Erst wenn das Bauprüfverfahren abgeschlossen ist und es
       wirklich zum Umbau kommt, werden Bürger*innen informiert, sagt Otto.
       
       Natürlich bestehe die Hoffnung, dass es klappt mit einer Unterkunft. „Jede
       Möglichkeit, die die Stadt hat, um gerade schutzbedürftige Menschen
       unterzubringen, muss genutzt werden“, sagt Otto. Wenn in Winterhude alles
       richtig läuft, beginnt im Frühjahr der Umbau. Im Herbst sollen Menschen
       einziehen können.
       
       13 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Unterbringung-von-Gefluechteten/!t5223780
   DIR [2] https://bv-hh.de/hamburg-nord/documents/umbau-sierichstrasse-53-kleine-anfrage-von-philipp-kroll-169682
   DIR [3] /Sozialwohnungen-fuer-Hamburg-Blankenese/!5873539
   DIR [4] /Dezentrale-Fluechtlingsunterbringung/!5435733
   DIR [5] /!5443792
   DIR [6] https://www.hamburg.de/wandsbek/pressemitteilungen/17318192/2023-08-22-unterkunft-gefluechtete-duvenstedt-infoveranstaltung/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Theresa Moosmann
       
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