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       # taz.de -- Die Grenze bei Rafah: Ausbau der Festung Ägypten
       
       > Die Grenze zwischen Gaza und Ägypten wird verstärkt. Kairo rüstet sich
       > offenbar für einen Massenansturm im Falle einer Bodenoffensive in Rafah.
       
   IMG Bild: Kein Durchkommen: Grenzanlage in Rafah zwischen Gaza und Ägypten am 10. Februar
       
       Mit der [1][drohenden israelischen Bodenoffensive in Rafah] rückt die
       politisch hochsensible Grenze zwischen Gaza und Ägypten in den Blick. Weit
       mehr als eine Million Menschen sind auf palästinensischer Seite in und um
       die Kleinstadt Rafah zusammengetrieben worden.
       
       Ägypten baut derweil von der anderen Seite die Grenzzäune und -mauern immer
       weiter aus und lässt nur wenige Verwundete zur Behandlung in Krankenhäusern
       durch. Doch ob die Grenze einem Massenansturm standhalten würde, ist
       unklar.
       
       Das unabhängige ägyptische Nachrichtenportal [2][Mada Masr berichtet] unter
       Berufung auf Augenzeugen auf beiden Seiten der Grenze, dass das Land
       stattdessen in den vergangenen Tagen eine Betonmauer mit Stacheldraht sowie
       eine Stahlbarriere weiter ausgebaut habe. Laut Berichten hat Kairo zudem 40
       Panzer und Militärfahrzeuge in Richtung Grenze geschickt.
       
       Schon im November hatte Kairo auf ägyptischer Seite eine Sandbarriere und
       zusätzliche Betonbarrieren errichtet. Sie sollen verhindern, dass von
       palästinensischer Seite aus Menschen in eine Pufferzone auf ägyptischer
       Seite gelangen. Das Regime in Kairo schließt es aus, die Grenze in großem
       Maßstab für Schutzsuchende zu öffnen. Grund dürfte in erster Linie sein,
       dass palästinensische Flüchtlinge in Ländern wie Jordanien oder dem Libanon
       seit Jahrzehnten eine erhebliche politische Kraft sind.
       
       ## Als Israel den Sinai verließ
       
       Die Grenze zwischen Gaza und Ägypten ist politisch sensibel, denn im Rahmen
       ihres Friedensvertrags von 1979, der die israelische Besatzung der
       ägyptischen Halbinsel Sinai beendete, einigten sich beide Länder auf eine
       Pufferzone namens Philadelphi-Korridor.
       
       Dieser 14 Kilometer lange Streifen, der auf palästinensischer Seite liegt,
       erstreckt sich über das gesamte Grenzgebiet zwischen Gaza und Ägypten und
       sollte von israelischen Streitkräften kontrolliert und patrouilliert
       werden. Ägypten stimmte außerdem zu, die Sinai-Halbinsel teilweise zu
       demilitarisieren.
       
       Israel kontrollierte den Philadelphi-Korridor bis 2005, als es sein Militär
       komplett aus dem besetzten Gazastreifen zurückzog und alle israelischen
       Siedlungen in dem Gebiet räumte. Ägypten und Israel einigten sich in diesem
       Zug auch auf neue Regeln. So durfte Ägypten 750 Soldaten und schwere Waffen
       zur Überwachung und Sicherung der ägyptischen Seite des Korridors in das
       Gebiet schicken. Zwei Jahre später übernahm die Hamas die vollständige
       Kontrolle im Gazastreifen, einschließlich des Grenzgebiets zu Ägypten.
       
       ## Wohin im Fall einer Bodenoffensive?
       
       Nun stellen zwei Entwicklungen das Sicherheitsarrangement erneut infrage:
       Zum einen hat Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu erklärt, den
       Philadelphia-Korridor wieder unter israelische Kontrolle bringen zu wollen.
       Das Gebiet „muss in unseren Händen sein“, sagte er. Ansonsten ließe sich
       die von Israel angestrebte Demilitarisierung des Gazastreifens nicht
       durchsetzen. Eine Rückeroberung des Korridors würde zwar nicht ägyptisches
       Staatsgebiet betreffen, doch wäre der Gazastreifen damit faktisch von
       Ägypten getrennt.
       
       Zum anderen stellt sich die Frage, was passiert, sollte Israels Militär in
       den kommenden Wochen tatsächlich mit Bodentruppen in Rafah vorrücken. Zwar
       hat Netanjahu angedeutet, dass die Zivilist*innen aus Rafah in den
       nördlichen Gazastreifen fliehen könnten, wo es viele Gebiete gebe, die von
       der Armee geräumt worden seien. Allerdings geben Hilfsorganisationen zu
       bedenken, dass freie Flächen, auf denen jegliche Infrastruktur fehle, keine
       Option seien für die Unterbringung von Zehntausenden Menschen.
       
       Nicht auszuschließen ist ein Massenansturm und möglicherweise ein
       Durchbrechen der hoch gesicherten Grenze zu Ägypten – ein Szenario, das
       Kairo unbedingt verhindern will. Laut Berichten vom Wochenende soll Kairo
       hinter den Kulissen sogar mit einer Aussetzung seines Friedensvertrags mit
       Israel gedroht haben, sollte Israels Militär in Rafah eindringen.
       
       Offenbar in Reaktion auf die Berichte sagte Außenminister Samih Shukri am
       Montag allerdings: „Es gibt ein Friedensabkommen zwischen Ägypten und
       Israel, das seit 40 Jahren in Kraft ist und auch in Kraft bleiben wird.“
       Der Friedensschluss von 1979 mit Israel war ein historischer Schritt, war
       Ägypten doch das erste arabische Land, das Israel offiziell anerkannte.
       
       13 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Konflikt-zwischen-Israel-und-Hamas/!5987612
   DIR [2] https://www.madamasr.com/en/2024/02/11/news/politics/egypt-fortifies-borders-as-israel-plans-invasion-evacuation-of-rafah/
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
       ## TAGS
       
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