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       # taz.de -- Verkehrsunfälle in Berlin 2023: Mehr ist immer noch weniger
       
       > Die Zahl der Verkehrsunfälle ist 2023 wieder gestiegen, liegt aber unter
       > dem Vor-Pandemie-Niveau. Mit 33 erreicht die Zahl der Getöteten ein Tief.
       
   IMG Bild: „Geisterrad“ am Savignyplatz: Radfahrende haben mit das höchste Risiko, bei einem Unfall ums Leben zu kommen
       
       Berlin taz | Die schlechte Nachricht: Die Zahl der Verkehrsunfälle in
       Berlin ist 2023 gegenüber dem Vorjahr um 3 Prozent gestiegen. Die nicht
       ganz so schlechte Nachricht: Die damit erreichte Zahl von gut 134.000
       Unfällen liegt immer noch unter dem Niveau von 2019. Im letzten Jahr vor
       der Covid-Pandemie – als die Verkehrsaktivität sprunghaft abnahm – war es
       noch zu über 147.000 Unfällen gekommen.
       
       Polizeivizepräsident Marco Langner stellte die Zahlen am Montag als Teil
       der jährlichen Unfallbilanz vor, sekundiert von den Senatorinnen für
       Inneres, Iris Spranger (SPD), sowie Verkehr, Manja Schreiner (CDU). Dabei
       zeigen die Teilstatistiken ein differenzierteres Bild: Zwar ging die Zahl
       aller zur Schaden gekommenen Personen von 17.809 (2019) auf rund 15.377
       (2020) zurück, um nun wieder auf 16.245 (2023) zu steigen. Bei den
       Getöteten hingegen sieht es anders aus: Hier waren es im Lockdown-Jahr 2020
       mit 50 Unfallopfern sogar 10 mehr als 2019 – seitdem ist die Kurve aber
       gefallen, mit 33 Toten hat Berlin nun den niedrigsten Stand seit
       Jahrzehnten erreicht.
       
       Sie habe beim Blick zurück in die Statistiken schlucken müssen, sagte Iris
       Spranger: 1990 seien noch 226 Verkehrstote zu beklagen gewesen. Trotzdem
       sei jede getötete Person eine zu viel. Das sieht auch Manja Schreiner so,
       die daran erinnerte, dass die „Vision Zero“ auch für die schwarz-rote
       Koalition gelte. Es gebe etliche Regelwerke und Pläne, um die Zahl schwerer
       Unfälle weiter zu senken, nach dem Rad- sei nun auch ein Fußverkehrsplan in
       Arbeit.
       
       Danach gefragt, ob die geplante Rück-Anordnung von Tempo 50 auf
       Hauptverkehrsstraßen nicht dem eigenen Ziel zuwiderlaufe, verwies die
       Senatorin erneut darauf, dass Tempo 30 dort zur Luftreinhaltung eingeführt
       worden sei. Weil die Berliner Gesamtflotte mittlerweile deutlich weniger
       Schadstoffe emittiere, lasse sich das rechtlich nicht aufrechterhalten. Ihr
       Haus prüfe aber, wo Tempo 30 aus Sicherheitsgründen beibehalten werde.
       
       ## Vielleicht doch besonnener?
       
       Die größte Gruppe der Schwerverletzten und Toten bildeten auch 2023 wieder
       [1][Radfahrende] und [2][FußgängerInnen], rund die Hälfte der insgesamt
       Getöteten waren dabei Menschen über 65. Marco Langner wies darauf hin, dass
       die Gruppe der SeniorInnen nicht nur mit den geburtenstarken Jahrgängen
       deutlich wachse, sondern auch immer mobiler werde. Warum die Unfallzahlen
       alles in allem noch hinter 2019 zurückbleiben? Am Homeoffice liege es wohl
       nicht, eher an der Wirksamkeit polizeilicher Kontroll- und
       Aufklärungstätigkeit. „Vielleicht bewegen sich die Leute heute aber auch
       etwas besonnener“, sagte der Polizei-Vizechef.
       
       Für die Teilnehmer an illegalen Autorennen und Raser auf der Flucht vor der
       Polizei gilt das definitiv nicht: 593 Ermittlungsverfahren wurden 2023
       gegen sie eingeleitet, fast 90 mehr als im Vorjahr. [3][Rechtskräftige
       Urteile wegen Mordes gegen Fahrer, die beim Rasen jemanden getötet haben],
       scheinen wenig Abschreckungskraft zu besitzen. Innensenatorin Spranger
       unterstrich ihre Botschaft an die Zielgruppe verbal und mit dem
       Zeigefinger: „Rasen ist hoch gefährlich. Machen. Sie. So. Etwas. Bitte.
       Nicht.“
       
       Die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, nannte
       es „Hohn gegenüber Betroffenen und Angehörigen“, wenn Polizei und Senat die
       Zahlen als „Rückkehr zur Normalität“ bezeichneten. Kapek findet die Bilanz
       „erschütternd“. Sie zeige „dass es mehr Verkehrssicherheitsmaßnahmen,
       Tempolimits und -kontrollen statt weniger braucht“.
       
       26 Feb 2024
       
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