URI: 
       # taz.de -- Strengere Regeln fürs Autofahren: Kartell des Wegsehens
       
       > Die EU debattiert über neue Führerscheinregeln. Doch die Politik
       > vermeidet alles, was die Freiheit der Autofahrenden nur minimal
       > einschränken könnte.
       
   IMG Bild: Grünes Licht? Gibt es verkehrspolitisch meist nur für Autofahrende
       
       Diese Woche schon wieder: Ein Autofahrer, der zwei Menschen totgefahren
       hat, erhält dafür zwei Jahre Freiheitsstrafe – auf Bewährung. Es ist ein
       übliches Urteil: Mensch totgefahren, Bewährungsstrafe. Als hätte jede:r
       Autofahrer:in einen selbst verschuldeten Unfall mit Todesfolge frei.
       
       Auch vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Abstimmung im EU-Parlament zu
       möglichen [1][Gesundheitschecks für Menschen mit Führerschein] so
       deprimierend. Denn die Vorschläge, die einigermaßen vielversprechend
       klingen – Sonderführerscheine für schwere und damit besonders gefährliche
       Autos wie SUVs, verpflichtende Gesundheitschecks für alle und regelmäßige
       Überprüfung, ob man noch auf dem aktuellen Stand ist, was Verkehrsregeln
       und Fahrpraxis angeht –, sind längst vom Tisch oder lagen gar nicht erst
       drauf.
       
       Es ist ein Kartell des Wegsehens: Vor allem die deutsche Politik vermeidet
       alles, was nur den Anschein erwecken könnte, die heilige Freiheit der
       Autofahrenden minimal einzuschränken. Alle sollen so lange, so schlecht und
       so schnell fahren dürfen wie möglich – und oft eben auch darüber hinaus.
       [2][Geschwindigkeitsbegrenzungen], breite Radwege auch an Landstraßen,
       sichere Übergänge für zu Fuß Gehende, Poller oder Bänke, die
       Durchgangsverkehr aussperren, Straßenabschnitte, die zu Aufenthaltszonen
       werden – es gibt so viele Vorschläge, die Städte, Orte, [3][Gemeinden
       lebenswerter machen] würden. Vorschläge, die schwächere
       Verkehrsteilnehmer:innen ohne Blech um sich herum, stattdessen
       vielleicht mit Rollator oder Schulranzen unterwegs, schützen würden. Die zu
       weniger und vorsichtigerem Autoverkehr führen würden und zu weniger
       Unfällen. Und die in den Schubladen liegen bleiben, weil die Umsetzung
       sofort zu Protesten und Klagen führt, vor denen die Politik einknickt.
       
       Die Vision Zero, ein Verkehr ohne tödliche Unfälle? Dass sich das
       Bundesverkehrsministerium diese offiziell zum Ziel gesetzt hat, ist mit
       jedem Unfall, mit jedem Bewährungsurteil, mit jeder Blockade besserer
       Regeln ein Stück mehr zynische Makulatur.
       
       29 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Debatte-ueber-EU-Fuehrerscheinregeln/!5958525
   DIR [2] /Tempolimit/!t5024108
   DIR [3] /Urbanistikforscherin-ueber-Innenstaedte/!5913762
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Svenja Bergt
       
       ## TAGS
       
   DIR Verkehrspolitik
   DIR Vision Zero
   DIR Führerschein
   DIR Verkehrstote
   DIR Verkehrssicherheit
   DIR Brüssel
   DIR wochentaz
   DIR Radverkehr
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Verkehrstote in Berlin: Wie viele noch?
       
       Eine Mutter und ihr Kind sterben bei einem Verkehrsunfall auf der Leipziger
       Straße. Auf einer Mahnwache werden Konsequenzen gefordert.
       
   DIR Österreich verschärft Strafen für Raser: Wenn das Auto zur Waffe wird
       
       Wer auf österreichischen Straßen deutlich zu schnell unterwegs ist, kann
       künftig sogar sein Fahrzeug los sein. Die neuen Regeln gelten ab März.
       
   DIR Debatte über EU-Führerscheinregeln: Tempolimit für Fahranfänger, pardon?
       
       In Brüssel sorgen drastische EU-Führerscheinregeln für Aufregung. Eine
       französische Grüne hat sie vorgeschlagen – jetzt wird gegen sie Stimmung
       gemacht.
       
   DIR Urbanistikforscherin über Innenstädte: „Wir brauchen mehr Grünflächen“
       
       Klimawandel und Digitalisierung verändern Innenstädte. Urbanistikforscherin
       Sandra Wagner-Endres über neue Nutzungen und soziale Räume.
       
   DIR EU widmet sich dem Radverkehr: „Die Mobilität im Alltag verändern“
       
       Eine gute Rad-Infrastruktur ist für die letzte Meile die beste Lösung, sagt
       die Europaabgeordnete Anna Deparnay-Grunenberg. Nun soll die EU helfen.