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       # taz.de -- Welthandelskonferenz in Abu Dhabi: WTO bemüht sich um Relevanz
       
       > Die WTO wird oft für tot erklärt, die ersehnte Reform ist nicht in Sicht.
       > Entwicklungsländer nutzen das Forum aber, um für ihre Interessen zu
       > werben.
       
   IMG Bild: Die nigerianische WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala neben dem Außenhandelsminister der Vereinigten Arabischen Emirate
       
       Abu Dhabi taz | „Handel im Dienst der Menschen“ versprechen Plakate am
       Kongresszentrum in Abu Dhabi, wo sich diese Woche
       Handelsminister*innen und Delegationen aus zahlreichen Staaten zur
       wichtigsten Konferenz der [1][Welthandelsorganisation (WTO)] treffen. Hier
       sollen gemeinsame Regeln für den Welthandel gefunden werden. Das
       funktioniert jedoch seit Jahrzehnten nur schlecht, immer weniger neue
       Regeln werden von allen Staaten angenommen, die USA blockieren das
       Streitbeilegungssystem.
       
       2017 endete die Konferenz in Buenos Aires ohne gemeinsame
       Abschlusserklärung. Doch seit Ngozi Okonjo-Iweala, die ehemalige
       Finanzministerin Nigerias, 2021 die Leitung der WTO übernommen hat, haben
       die Verhandlungen wieder an Fahrt aufgenommen.
       
       Als Durchbruch gilt das Übereinkommen zu Fischereisubventionen von 2022,
       das staatliche Zuschüsse zur Überfischung abschaffen soll und erstmals
       konkrete Nachhaltigkeitsziele in den Handelsregeln verankert. Jetzt wird in
       Abu Dhabi über zahlreiche Ausnahmen verhandelt, die Europäische Union will
       andere Regeln für nachhaltige Fischereipraktiken. Einige Entwicklungsländer
       fordern Übergangsfristen für sie und Ausnahmen für kleine Fischereien.
       Dieses Prinzip der „Sonder- und Vorzugsbehandlung“ für Entwicklungsländer
       fordern diese auch beim Landwirtschaftsabkommen. Sie wollen die Möglichkeit
       haben, ihre Märkte mit besonderen Mechanismen zu schützen, wenn die Importe
       von bestimmten Agrargütern plötzlich in die Höhe schnellen.
       
       Insbesondere Indien will außerdem ein Recht auf Agrarsubventionen, die auf
       Ernährungssicherheit abzielen. Das Land zahlt den Bäuer*innen Festpreise,
       damit diese für den heimischen Markt produzieren. Mit diesen Subventionen
       ist es Indien gelungen, die Abhängigkeit etwa von Weizenimporten aus den
       USA in den vergangenen zwanzig Jahren fast auf null zu reduzieren.
       Gleichzeitig ist Indien jedoch zu einem der größten Reisexporteure
       geworden. Viele bezweifeln, dass es wirklich um Ernährungssicherheit geht.
       So ist unwahrscheinlich, dass es hier zu einer Einigung kommen wird.
       
       Klar ist auch: Bei den ganz großen Themen wie einer grundlegenden Reform
       der WTO gibt es kaum Fortschritte. So blockieren die Vereinigten Staaten
       seit einigen Jahren die Ernennung neuer Richter*innen für das
       Streitschlichtungsverfahren, womit dieser Mechanismus zur Beilegung von
       Handelskonflikten in zweiter Instanz wirkungslos geworden ist. Dabei ist es
       von großer Bedeutung für die Wirksamkeit der WTO, das zweistufige
       Streitschlichtungsverfahren wiederherzustellen: Denn was bringen Regeln,
       wenn sie nicht einklagbar sind? Nicht nur bei den von den USA unter
       Präsident Donald Trump eingeführten „Strafzöllen“ auf bestimmte chinesische
       Güter stellen sich Fragen nach WTO-Konformität, sondern auch bei
       Subventionsprogrammen wie dem Inflation Reduction Act (IRA) unter Joe
       Biden. Da in den USA dieses Jahr Präsidentschaftswahlen anstehen, bremst
       die Regierung in Washington hier bei den Verhandlungen weiter.
       
       Dass die WTO weiterhin ein Forum für Welthandel ist, zeigen hingegen die
       zahlreichen Debatten abseits der offiziellen Gespräche, die zu neuen
       Initiativen führen könnten. Vor allem Entwicklungsländer versuchen, hier
       neue Vorschläge einzubringen. 2023 lancierte die Afrikanische Gruppe in der
       WTO zwei Erklärungen, in denen sie unter anderem mehr „Spielraum“ für
       Industriepolitik verlangen, also eine Veränderung der allgemeinen
       Subventionsregeln in der WTO zugunsten von ärmeren Ländern, zum Beispiel
       wenn es um nachhaltige Technologien geht. Analog zu dem sogenannten
       TRIPS-Waiver für Covid-19-Impfstoffe, einem befristeten Patentverzicht,
       fordern einige Länder die Aussetzung von geistigen Eigentumsrechten für
       Klimatechnologien. Wie viel „Handel im Dienst der Menschen“ sich die WTO
       auf die Fahnen schreiben kann, wird sich auch an diesen Fragen entscheiden.
       
       28 Feb 2024
       
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