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       # taz.de -- CDU-Stellenbesetzung im Senat: Der Vielbeschäftigte
       
       > Walter Gauks (CDU) ist neuer Senatsbeauftragter für die
       > Russlanddeutschen. Mit der Trennung von Senats- und Parteiarbeit soll er
       > es nicht so genau nehmen.
       
   IMG Bild: Mittendrin: Walter Gauks, der neue Senatsbeauftragte für die Belange von Russlanddeutschen
       
       Berlin taz | Ein Mann schaltet sich in den Mittagsstunden online in die
       Teambesprechung der Berliner CDU-Abgeordneten Olga Gauks ein. Er diskutiert
       mit, verteilt Aufgaben an Mitarbeiter der Abgeordneten. Zum Schluss schickt
       er ein Selfie in die Runde. Das zeigt ihn in einem Büro. Überschrieben ist
       es mit: „ein Bluck aus der Senatskanzlei“ (Fehler im Original). Die
       Teamsitzung dauert deutlich länger als eine Stunde. Das Chatprotokoll liegt
       der taz vor.
       
       Der Mann ist Walter Gauks, seines Zeichens Ehemann der [1][2023 in
       Marzahn-Hellersdorf direkt gewählten Abgeordneten Olga Gauks]; er selbst
       ist CDU-Ortschef von Marzahn-Mitte – und vor allem seit Mitte Januar
       „Ansprechperson des Senats für Deutsche aus Russland, Spätaussiedler und
       Vertriebene“. [2][Ein neu geschaffener Verwaltungsposten der schwarz-roten
       Koalition], als Vollzeitstelle angedockt beim Haus von
       Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD).
       
       Der Selfie-Spruch ist dann auch etwas dick aufgetragen. Denn Gauks' Büro
       befindet sich mitnichten in der Senatskanzlei des Regierenden
       Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) im Roten Rathaus, sondern in den
       Räumlichkeiten der Senatsverwaltung für Integration an der Potsdamer
       Straße.
       
       Doch unabhängig davon: Darf sich ein Mitarbeiter einer Senatsverwaltung
       eigentlich aus seinem Dienstbüro und während seiner Dienstzeit in die
       Besprechung einer Abgeordneten einklinken und dort Aufgaben verteilen?
       Immerhin gibt es das Prinzip der politischen Gewaltenteilung. Abgeordnete
       sollen als Teil der Legislative die Exekutive kontrollieren. Dass ein
       Mitarbeiter ebenjener Exekutive sich hier einmischt, gilt als No-Go.
       
       ## Fest verankert in der Marzahn-Hellersdorfer CDU
       
       Als die taz Walter Gauks mit dem Chatprotokoll konfrontiert, gibt er
       freimütig den Inhalt der mehr als einstündigen Besprechung mit dem Büro
       seiner Frau wieder, zu der er aber in seiner Mittagspause eingeladen worden
       sei. Auch habe er keine Anweisungen, sondern „tatsächlich eine Empfehlung“
       an Mitarbeiter seiner Frau ausgesprochen. „Dies tat ich in meiner Funktion
       als Mitarbeiter von Mario Czaja.“
       
       Im Büro des [3][Bundestagsabgeordneten aus Marzahn-Hellersdorf und
       ehemaligen Generalsekretärs der CDU] arbeitet Gauks als Minijobber im
       Nebenerwerb. Das bestätigt Czaja auf taz-Anfrage. Der Verwaltung der
       SPD-Integrationssenatorin habe er seine Nebentätigkeit mitgeteilt, so
       Kiziltepes Sprecher Stefan Strauß. Die Prüfung, ob und unter welchen
       Auflagen diese genehmigt wird, sei aber „noch nicht abgeschlossen“.
       
       Die Stelle beim Senat bekam Gauks, der zuvor Büroleiter bei Czaja war, ohne
       Ausschreibung. Da sie auf die Dauer der Legislaturperiode befristet ist,
       ist das juristisch nicht zu beanstanden. Politisch hat die Stellenbesetzung
       ein Geschmäckle.
       
       Denn der personell durchaus überschaubare Marzahn-Hellersdorfer
       CDU-Kreisverband von Walter Gauks verfügt mit Mario Czaja nicht nur über
       einen prominenten Kreischef. Auch dessen Stellvertreterin ist im Berliner
       CDU-Kosmos alles andere als ein kleines Licht. Die Rede ist von
       Bildungssenatorin [4][Katharina Günther-Wünsch, der neuen Partnerin von
       Senatschef Kai Wegner]. Und geschaffen wurde Gauks' Stelle letztlich auf
       Initiative der CDU.
       
       ## Grüne kritisieren Intransparenz bei Stellenbesetzung
       
       Auf seinen Posten gesetzt wurde Gauks dabei durch eine „Verständigung im
       Senat“, wie es in einer noch unveröffentlichten Senatsantwort auf eine
       Schriftliche Anfrage der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus heißt. Wie das
       genau abgelaufen ist, scheint aber selbst Gauks' Vorgesetzte Cansel
       Kiziltepe nicht zu wissen. Auf die Frage, ob Mitglieder von Gauks'
       CDU-Kreis Einfluss auf die Stellenbesetzung genommen haben, antwortet
       Kiziltepes Sprecher der taz: „Dazu liegen der Senatsverwaltung keine
       Informationen vor.“
       
       [5][Dara Kossok-Spieß], Russlanddeutsche und Mitglied des Landesvorstandes
       der Grünen, sagt, dass sie eine Ansprechperson „für die Belange der oft
       übersehenen Gruppe der Russlanddeutschen“ zwar außerordentlich begrüße.
       Umso wichtiger sei es aber, das Besetzungsverfahren „transparent und
       parteiunabhängig“ zu gestalten. „Einmal mehr zeigt der schwarz-rote Senat,
       dass er ein Problem mit Transparenz hat“, so Kossok-Spieß zur taz.
       
       Die CDU wollte bei der Personalie Gauks offenbar auf Nummer sicher gehen.
       Dem Vernehmen nach wurde vereinbart, dass im Falle irgendwann eintretender
       disziplinarrechtlicher Schritte gegen Gauks nicht Kiziltepes Verwaltung
       zuständig ist, sondern Wegners Senatskanzlei. Offiziell bestätigt ist das
       nicht.
       
       ## Interne Vorwürfe aus der CDU
       
       Folgt man den Aussagen von CDU-Mitgliedern, mit denen die taz gesprochen
       hat und die alle nicht namentlich genannt werden wollen, dann soll Gauks in
       der Senatsverwaltung mehr als einmal Zeit gefunden haben, um sich – neben
       Deutschen aus Russland, Spätaussiedlern und Vertriebenen – auch seiner
       Partei zu widmen.
       
       So heißt es, er würde in Vormittagsstunden, also während seiner Arbeitszeit
       im Senat, in CDU-internen Chatgruppen mitdiskutieren. Gauks bestreitet das
       gegenüber der taz. Er betont: „Selbstverständlich beachte ich meine
       arbeitsrechtlichen Verpflichtungen hinsichtlich Arbeitszeit und
       Aufgabengebieten.“
       
       Nun arbeitet Gauks nicht nur für den Senat und Mario Czaja. Nebenbei
       bekleidet der in Kasachstan geborene Spätaussiedler über den Vorsitz
       besagter CDU-Ortsgruppe hinaus auch noch mehrere andere Ehrenämter. So übt
       er hohe Funktionen in der CDU-nahen Landsmannschaft der Deutschen aus
       Russland aus und ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins Lyra Marzahn.
       
       Dieser Verein, der kulturelle Veranstaltungen für Spätaussiedler durchführt
       und 2021/2022 mehrere Corona-Testzentren betrieb, ist von der CDU nur
       schwer zu unterscheiden. Schon rein optisch nicht, denn die Werbebanner von
       Bezirks-CDU und dem Verein ähneln einander. Aber auch räumlich nicht: Zu
       dem riesigen Vereinsraum in einem Einkaufscenter in Marzahn gelangt man
       durch das gemeinsame Bürgerbüro von Mario Czaja und Olga Gauks.
       
       ## Fast wie ein Familienbetrieb
       
       CDU und Lyra Marzahn hängen eng miteinander zusammen, auch familiär: Walter
       Gauks ist gleichzeitig Vereinschef und Mitarbeiter von Czaja. Eine andere
       Mitarbeiterin von Czaja ist die Ehefrau eines ehemaligen
       Vereinsmitarbeiters. Der stellvertretende Vereinschef Alexander Korneev ist
       zudem Mitarbeiter von Olga Gauks und Bezirksverordneter der CDU in
       Marzahn-Hellersdorf. Als solcher kann Korneev auch über bezirkliche Gelder
       mitentscheiden, die wiederum seinem Verein zufließen.
       
       CDU-Mitglieder berichten, dass Lyra Marzahn während der Coronazeit mit
       einem mobilen Testzentrum Teilnehmer von Veranstaltungen der Union testete.
       „Ich denke, die hatten da ein Monopol“, sagt ein Parteimitglied. „Mir ist
       jedenfalls nie ein anderer Tester bei CDU-Veranstaltungen aufgefallen.“
       
       Seitdem nach der Wiederholungswahl 2023 auch in Marzahn-Hellersdorf die CDU
       den Ton angibt, sei die Verbindung zwischen Lyra Marzahn und der
       Bezirkspolitik fragwürdig schwammig, sagen Mitglieder anderer Fraktionen
       zur taz.
       
       Die Linken-Verordnete Martina Polizzi erinnert sich beispielsweise an eine
       Auszeichnungsveranstaltung von Ehrenamtlern Ende 2023 durch den Bezirk, die
       in den Räumen des CDU-nahen Vereins mit Durchgang zu den Bürgerbüros der
       CDU-Abgeordneten stattfand. Man wähnte sich bei der CDU. Wie viel Miete der
       Bezirk dem Verein dafür zahlte, will Polizzi in Erfahrung bringen.
       
       Doch zurück zu Walter Gauks und seinem neuen Posten im Senat: Wenige Tage
       nach seinem Amtsantritt im Januar berichtete Gauks auf seinem privaten
       Facebook-Account von einem Besuch bei einem Projekt – und zwar einem seines
       eigenen Vereins. Nicht als Vereinschef, sondern ausdrücklich als
       Senatsmitarbeiter. Dort sagte er den Besuchern laut eigener Darstellung zu,
       „dass die Organisationen auch für diese Arbeit gestärkt werden“.
       
       Eine unzulängliche Trennung zwischen privaten Interessen und der Arbeit im
       Senat? So sieht es jedenfalls die Integrationsverwaltung. Sprecher Stefan
       Strauß sagt: „Herr Gauks wurde aufgefordert, hier eine strikte Trennung
       vorzunehmen.“
       
       ## Bekanntschaft mit der Justiz
       
       Dass Gauks eine durchaus problematische Besetzung gewesen sein könnte,
       zeigt sich schlussendlich auch in anderer Hinsicht. So fanden 2019 nach
       Angaben des Sprechers der Staatsanwaltschaft Berlin, Sebastian Büchner, in
       Gauks' Privaträumen und in den Räumen seines damals in Lichtenberg
       ansässigen Vereins Lyra Hausdurchsuchungen statt.
       
       Grundlage war eine Strafanzeige des Bundesamtes für Migration und
       Flüchtlinge (Bamf). Die Nürnberger Behörde hatte dem ehemaligen Verein
       Fördermittel für Unterricht gewährt, die laut einem rechtskräftigen Urteil
       des Verwaltungsgerichtes Ansbach zweckfremd eingesetzt worden waren.
       
       Es wurden, so das Urteil, fast so viele Stunden an einzelnen Tagen
       abgerechnet, wie der Tag Stunden hat. Das Bamf forderte 44.000 Euro zurück.
       Sebastian Büchner sagt: „Das Verfahren gegen Herrn Gauks wurde nach Zahlung
       einer Geldauflage von 5.000 Euro 2021 eingestellt. Voraussetzung für eine
       solche Einstellung ist, dass seitens der Staatsanwaltschaft ein
       hinreichender Tatverdacht bejaht wurde, aber das öffentliche Interesse an
       der Strafverfolgung anderweitig beseitigt wurde“ – eben durch die
       Geldzahlung.
       
       Der Verein hatte sich schon zuvor insolvent gemeldet. 2020 gründete Gauks
       den fast namensgleichen Verein Lyra Marzahn.
       
       16 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlerfolg-der-CDU-in-Berlin/!5917725
   DIR [2] https://www.berlin.de/sen/asgiva/presse/pressemitteilungen/2024/pressemitteilung.1405481.php
   DIR [3] /Berlins-CDU-Chef-fuehrt-Kritiker-an/!5958700
   DIR [4] /Kai-Wegner-und-Katharina-Guenther-Wuensch/!5981434
   DIR [5] /Russischsprachige-Community-in-Berlin/!5890351
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Marina Mai
       
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