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       # taz.de -- Streit über Erklärung zu Bauernprotesten: Anti-Galgen-Appell ohne Freie Bauern
       
       > Die Agrarorganisation Freie Bauern hat es abgelehnt, einen Aufruf gegen
       > Demos mit Galgensymbolen und gegen Unterwanderung durch Radikale zu
       > unterschreiben.
       
   IMG Bild: Gegen solche Gewaltsymbole wendet sich die niedersächsische Erklärung: Galgen bei einer Bauerndemonstration im Januar in Berlin
       
       Berlin taz | Die Organisation „Freie Bauern“ hat sich geweigert, eine
       [1][Erklärung] zu unterzeichnen gegen Proteste mit Galgen oder vor
       Politiker-Privathäusern. „Die Freien Bauern wurden eingeladen, die
       gemeinsame Erklärung mitzutragen, haben sich schließlich aber gegen eine
       Unterzeichnung entschieden“, teilte das niedersächsische Agrarministerium,
       das das Papier der Landesregierung und fünf Landwirtschaftsverbänden
       initiiert hatte, der taz mit.
       
       Als Begründung hätten die Freien Bauern angegeben, sie wollten nicht eine
       Passage mittragen, wonach die Unterzeichnenden sich distanzieren „von nicht
       angemessenen Verhaltensweisen und Symbolen (Proteste vor Privathäusern,
       Zurschaustellung von Galgen, Verbrennen von Strohpuppen etc.) und
       antidemokratischen Äußerungen“. Zudem warnt die Erklärung „vor einer
       Vereinnahmung der [2][landwirtschaftlichen Proteste] durch radikale
       Gruppierungen und vor deren Aufrufen zur Gewalt“.
       
       „Da der Landesregierung und den weiteren Unterzeichnenden die Formulierung
       in dieser Form wichtig war – insbesondere auch der Passus, dass die
       Zurschaustellung von Galgen nicht akzeptabel ist –, wurde der Appell ohne
       die Freien Bauern unterzeichnet“, so das Ministerium. Es werde seine
       Einladung zu einem für Donnerstag geplanten Gespräch mit der Organisation
       zurückziehen, wenn sie den Abschnitt nicht doch noch selbst veröffentlicht
       und damit mitträgt.
       
       Die Freie Bauern Deutschland GmbH ist zwar eine Splitterorganisation, in
       der man anders als in einem Verein nicht Mitglied werden kann. Die
       Lobbyfirma ist aber im Rahmen der jüngsten Bauernproteste von Medien
       zitiert worden und spielte bei Demonstrationen eine Rolle. Die Gruppe
       stellte agrarpolitisch radikale Forderungen auf, wie die „[3][Rücknahme
       aller Dünge-, Pflanzenschutz- und Tierhaltungsregeln], die uns seit 2017
       ideologisch bevormunden“.
       
       Bereits bei der Unterzeichnung der Erklärung am 4. Januar hatte
       Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) kritisiert, die Freien Bauern hätten
       „zum Ausdruck gebracht, sie würden sich in keiner Weise irgendwie
       vorschreiben lassen wollen, wie sie denn ihren Ärger, ihre Kritik zum
       Ausdruck bringen wollen“. Das sei nicht akzeptabel, so Weil weiter.
       
       „Jedenfalls als Landesregierung kann ich sagen, dass wir mit niemandem
       zusammenarbeiten können, der nicht auch schlichtweg bereit ist, sich an den
       vorgegebenen Rahmen in unserer Gesellschaft zu halten.“ Bei den Aktionen
       der Freien Bauern seien viele „absolut rechtschaffene Menschen“. „Sie mögen
       bitte auch genau hinschauen, ob diejenigen, die in dieser Organisation das
       Sagen haben, sie denn auch an dieser Stelle richtig führen.“ Die
       niedersächsische Organisation des Bauernverbands, Landvolk, sowie die
       Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Land schafft Verbindung
       Niedersachsen-Bremen, der Bund deutscher Milchviehhalter und die
       Landesvereinigung Ökologischer Landbau dagegen hatten unterzeichnet.
       
       In der Berichterstattung über die Erklärung ging die Kritik Weils unter.
       Damals stand im Vordergrund, dass sich ein SPD-Ministerpräsident in dem
       Papier gegen die Pläne der Ampelkoalition zur Streichung der
       Agrardieselsubvention stellte. Angesichts der Eskalation von Protesten im
       Zusammenhang mit dem Vorhaben am Aschermittwoch im baden-württembergischen
       Biberach ist die Passage in der Erklärung wieder besonders aktuell. Doch
       die Freien Bauern haben sie bis Redaktionsschluss nicht unterschrieben.
       
       Ihr Landessprecher in Niedersachsen, Fokko Schumann, sagte der taz zwar:
       „Ich war in der Sache gleich von Anfang an mit vereinbar. Bloß mit der
       Ausformulierung habe ich mich schwergetan … Ich persönlich würde die
       Erklärung jetzt unterzeichnen.“ Aber auch auf mehrfache Nachfrage wollte er
       nicht sagen, ob die Freien Bauern das Dokument zum Beispiel bei dem Treffen
       der Landesregierung mit Agrarverbänden am Donnerstag unterschreiben würden.
       
       Fraglich ist, wie frei Schumann innerhalb seiner Organisation entscheiden
       kann. „Die Kommunikation zum Appell lief zunächst über die Landesvertreter,
       wurde dann aber von deren Bundesgeschäftsstelle übernommen“, berichtete das
       Agrarministerium in Hannover. „Freie Bauern“ wie Schumann haben laut
       Internetseite der Organisation gegen „Beitragszahlung“ nur das Recht, sich
       „Mitglied der Initiative FREIE BAUERN“ zu nennen. „Aus der Beitragszahlung
       ergeben sich keine weiteren Rechte oder Pflichten innerhalb der Initiative
       FREIE BAUERN“, so die Firma.
       
       Ihr Referent für Politik und Medien, Reinhard Jung, hatte der taz im
       Oktober 2020 über diese Konstruktion gesagt: „Das ist undemokratisch.“
       Offiziell hätten die sogenannten Mitglieder „keine Macht“. Aus seiner Sicht
       „gute Leute“ würden „auch entsprechende Funktionen bekommen, aber wir
       können auch mal die Notbremse ziehen“. Die Führung kann unliebsame
       Vertreter jederzeit absetzen.
       
       Die Freien Bauern sind auch nicht vom Finanzamt als gemeinnützig anerkannt.
       Voraussetzung ist laut [4][Abgabenordnung], „die Allgemeinheit auf
       materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern“.
       
       Die Freien Bauern unterscheiden sich von anderen Organisationen ebenfalls
       in ihrem Umgang mit der zumindest in Teilen rechtsextremen AfD. „[5][Wir
       sprechen auch mit AfD-Politikern]“, sagte Jung der taz 2023. Die AfD holte
       die Freien Bauern zudem als Sachverständige zu Bundestagsanhörungen.
       
       Jung tolerierte auch, dass bei einer Demo der Freien Bauern im Januar in
       Berlin zwei Protestierer ein Banner mit der rechtsextremen Aufschrift „Eure
       Demokratie ist unser [6][Volkstod]“ zeigten. Dazu befragt sagte Jung
       [7][der taz] vor Ort: „Was soll ich dazu sagen, dass hier Fahrräder fahren?
       Ich mein’: Die Welt ist so, wie sie ist. Wir machen eine Demonstration und
       solange sie die Demonstration nicht stören, werde ich die Polizei nicht in
       Gang setzen. Wenn da irgendein Hansel mit einem Plakat rumsteht … Ich
       werde ja jetzt nicht jedes Plakat kontrollieren.“
       
       ## Werbung für rechten Radiosender
       
       Schon 2020 kritisierten die Freien Bauern, dass sich der Bauernverband von
       der schwarzen Fahne mit blutrotem Schwert [8][der gewalttätigen
       Landvolk-Bewegung] aus den 1920er Jahren distanziert hatte, die als ein
       Wegbereiter der NSDAP gilt.
       
       Im September 2023 moderierte ein bekannter „Freier Bauer“, Peter Guhl, eine
       [9][Veranstaltung mit radikalen Rechten] wie dem
       Ex-Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und dem Buchautor Markus
       Krall. Bei dem Treffen wurden auch Verschwörungsmythen propagiert. Ähnlich
       wie früher der AfD-Thüringen-Chef Björn [10][Höcke] warb Guhl bei einer
       [11][Demonstration am 13. Februar in Lauenburg] für den rechten
       Internetradiosender kontrafunk. Das 13-Punkte-Programm von
       Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) gegen Rechtsextremismus, das zum
       Beispiel ein schärferes Waffenrecht vorsieht, lehnte der Landwirt aus
       Mecklenburg-Vorpommern ab.
       
       Gleichzeitig versuchen die Freien Bauern immer wieder, kritische Stimmen
       durch juristische Schritte zum Schweigen zu bringen. Aktuell gehen sie
       [12][nach eigenen Angaben] gegen den Präsidenten des Bauernverbandes
       Schleswig-Holstein, Klaus-Peter Lucht, vor. Er hatte laut [13][Lübecker
       Nachrichten] gesagt: „Von extremen Randgruppen, Rechtsbruch oder Aufrufen
       hierzu haben wir uns immer klar distanziert und werden dies auch in Zukunft
       tun.“ Lucht nannte demnach dabei explizit die Freien Bauern, mit denen man
       sich nicht gemeinmache.
       
       20 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.ml.niedersachsen.de/download/202676/Gemeinsame_Erklaerung_zu_den_Plaenen_der_Bundesregierung_zur_hoeheren_Besteuerung_von_Agrardiesel_und_von_landwirtschaftlichen_Fahrzeugen_PDF_84_KB_nicht_vollstaendig_barrierefrei_.pdf
   DIR [2] /Bauernproteste-in-Deutschland/!5982726
   DIR [3] https://www.freiebauern.de/images/Januar24.pdf
   DIR [4] https://www.gesetze-im-internet.de/ao_1977/__52.html
   DIR [5] /Rechtsradikale-und-Agrarproteste/!5920354
   DIR [6] https://www.politische-bildung-brandenburg.de/lexikon/volkstod
   DIR [7] /Start-der-Bauernproteste/!5982195
   DIR [8] https://www.freiebauern.de/index.php/8-mitteilungen/229-freie-bauern-halten-distanzierung-von-schwarzer-landvolkfahne-fuer-historisch-unbegruendet
   DIR [9] /Verschwoerungsmythen-bei-Landwirtstreffen/!5964721
   DIR [10] https://twitter.com/julia__klaus/status/1539598583837638656
   DIR [11] https://www.youtube.com/watch?v=4g-O8vSVAbQ
   DIR [12] https://www.freiebauern.de/index.php/8-mitteilungen/498-freie-bauern-gehen-gerichtlich-gegen-verleumdung-durch-den-praesidenten-des-bauernverbandes-schleswig-holstein-vor
   DIR [13] https://www.ln-online.de/lokales/luebeck/bauernverband-schleswig-holstein-distanziert-sich-von-freien-bauern-uneinigkeit-bei-landwirten-vor-TYX5TMNEMZHEJJQJCKAEOVBFDM.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jost Maurin
       
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