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       # taz.de -- Münchner Sicherheitskonferenz: Düstere Aussichten
       
       > Auf der Münchner Sicherheitskonferenz fehlt es an einer zündenden Idee,
       > wie der russische Krieg in der Ukraine beendet werden kann.
       
   IMG Bild: Eindringliche Appelle am Rande der Siko
       
       München taz | Die Kundgebung auf dem Odeonsplatz ist überschaubar. Ein paar
       hundert Menschen sind am Samstagmittag gekommen, um gegen den russischen
       Angriffskrieg auf die Ukraine und für mehr Unterstützung für das
       geschundene Land zu demonstrieren. Im vergangenen Jahr waren es noch mehr
       gewesen. „Wir wollen Frieden für die Ukraine“, rufen die Demonstrant:innen.
       Doch zwei Jahre nach Beginn des Kriegs ist kein Ende absehbar. Auch die
       Staats- und Regierungschefs, die sich unweit im Bayerischen Hof versammelt
       haben, fehlt es offenkundig an einer Idee, wie der russische Präsident
       Wladimir Putin dazu gebracht werden kann, das Morden zu stoppen.
       
       Im Jahr ihres 60. Jubiläums steht die Münchner Sicherheitskonferenz (Siko)
       unter keinem guten Stern. Erst überschattet der [1][Tod des russischen
       Regimekritikers Alexei Nawalny] den ersten Kongresstag, dann kommt am
       frühen Samstagmorgen die Meldung über den Rückzug der ukrainischen Truppen
       aus der lange umkämpften Stadt Awdijiwka. Das sei eine „professionelle
       Entscheidung, um so viele Leben wie möglich zu retten“, sagt Wolodymyr
       Selenskyj bei seinem Auftritt am Samstag nur knapp auf Nachfrage zu dem
       schweren militärischen Rückschlag.
       
       Eigentlich will der ukrainische Präsident ein zuversichtlicheres Bild der
       Lage in seinem Land vermitteln. Doch das gelingt ihm nicht. „Der russische
       Mythos, dass die Ukraine nicht gewinnen kann, den widerlegen wir“, sagt
       Selenskyj zwar vermeintlich selbstbewusst. „Wir sollten keine Angst davor
       haben, Putin zu besiegen.“ Es sei „sein Schicksal, zu verlieren“.
       
       Die derzeitige Kriegsrealität sieht allerdings anders aus, das weiß
       Selenskyj nur zu gut. Die Ukraine braucht dringend zusätzliche militärische
       Unterstützung, um den Krieg nicht zu verlieren. Er will nicht als
       Bittsteller erscheinen, aber genau das ist er. „Waffenpakete,
       Flugabwehrpakete, das ist gerade das, was wir erwarten“, sagt Selenskyj.
       Die Frage sei, „wie lange erlaubt die Welt es Russland noch, so zu
       handeln?“
       
       Bemerkenswert ist, dass er die aus seiner Sicht nötige Antwort auf diese
       Frage nicht nur auf die erhofften Waffenlieferungen reduziert, sondern auch
       einen Bereich umfasst, der ansonsten auf der Siko nicht so gerne diskutiert
       wird: „Wir müssen alle Lücken und Schlupflöcher bei den Sanktionen gegen
       Russland schließen“, sagt er.
       
       Kein Sektor der russischen Wirtschaft solle davon ausgenommen werden. „Das
       sollte auch den Nuklearsektor betreffen“ – eine unverhohlene Spitze, dass
       Frankreich zuliebe Uran aus Russland bis heute nicht Teil der
       EU-Sanktionspakete ist. Andere EU-Länder wie Österreich oder Ungarn
       beziehen immer noch in großem Maßstab ihr Gas aus Russland. Von den
       blühenden Geschäften des Nato-Mitglieds Türkei mit der russischen Despotie
       ganz zu schweigen.
       
       Über die Sanktionen beziehungsweise Nichtsanktionen verlor Bundeskanzler
       Olaf Scholz, der unmittelbar vor Selenskyj auf der Bühne stand, kein Wort.
       Denn dafür gilt sein auf den Westen und die Nato bezogenes Postulat nicht:
       „Wir stehen geschlossener zusammen denn je.“
       
       Auch ansonsten umging der Kanzler die nicht gerade unbedeutende Frage, wie
       nichtmilitärischer Druck auf Putin ausgeübt werden kann, damit dieser
       endlich seinen Krieg gegen die Ukraine stoppt. Dabei ist auch ihm durchaus
       bewusst, dass um die Aussicht auf einen Sieg der Ukraine auf dem
       Schlachtfeld nicht gut bestellt ist. Trotz enormer eigener Verluste seien
       wesentliche Teile der russischen Streitkräfte intakt, führte Scholz aus.
       Russland habe seine Armee seit vielen Jahren auf diesen Krieg vorbereitet.
       
       Was mit der militärischen Unterstützung der Ukraine erreicht werden kann,
       formulierte er so: „Einen Diktatfrieden auf Geheiß Moskaus wird es nicht
       geben, weil wir das nicht zulassen werden.“ Wobei Scholz bei seiner
       bisherigen Linie blieb, dass eine direkte Kriegsbeteiligung Deutschlands,
       der EU oder der Nato ausgeschlossen bleibt. „Wir wollen keinen Konflikt
       zwischen Russland und der NATO“, sagte er. „Deshalb sind sich alle
       Unterstützer der Ukraine seit Beginn des Krieges einig: Wir schicken keine
       eigenen Soldaten in die Ukraine.“
       
       Aber es gelte, sich vor Russland zu schützen. Daher sei eine massive
       Aufrüstung erforderlich. So werde Deutschland nicht nur in diesem Jahr zwei
       Prozent seines Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung stecken, sondern
       auch „in den 20er-, den 30er Jahren und darüber hinaus“, kündigte Scholz
       an. Denn eins sei „doch vollkommen klar: Wir Europäer müssen uns sehr viel
       stärker um unsere eigene Sicherheit kümmern, jetzt und in Zukunft.“
       
       Das Geld, das jetzt und in Zukunft für die Sicherheit ausgeben würde,
       „fehlt uns an anderer Stelle“, bereitete Scholz die bundesdeutsche
       Bevölkerung auf harte Zeiten vor. Er „sage aber auch: Ohne Sicherheit ist
       alles andere nichts“. Damit wandelte der Sozialdemokrat ein altes Zitat
       Willy Brandts um. „Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne den
       Frieden nichts“, hatte der einmal weise gesagt.
       
       17 Feb 2024
       
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