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       # taz.de -- Linke hat neue Spitze im Bundestag: Machtvoll in den Untergang
       
       > Bei der Restlinken im Bundestag siegt Machtpolitik. Der Kampf ums
       > gemeinsame Überleben ist damit verloren.
       
   IMG Bild: Heidi Reichinnek (links) und Sören Pellmann (rechts) sind guter Dinge, Martin Schirdewan und Janine Wissler (Mitte) eher nicht
       
       Wer in der Sonntagsfrage bundesweit näher bei 3 als bei 4 Prozent liegt,
       dem sollte klar sein, dass die Zeit für destruktive Machtspielchen vorbei
       ist. Aber in der neuen Gruppe der Linkspartei im Bundestag wird einfach
       weitergemacht wie bisher. Statt integrative Lösungen zu finden, also sich
       unterzuhaken, wird mit einer Einstimmenmehrheit knallhart durchgezogen. Wer
       so Politik macht, entscheidet sich gegen die parlamentarische Zukunft der
       Linkspartei.
       
       Nach der äußerst knappen Wahl der Spitze der neuen Linken-Gruppe im
       Bundestag gab Parteichef Martin Schirdewan die zweckoptimistische Parole
       aus: „Auf geht's!“ Nur wohin? Schlechter hätte es für ihn und seine
       Co-Vorsitzende Janine Wissler nicht ausgehen können. Und das nicht nur,
       weil mit Heidi Reichinnek und Sören Pellmann ausgerechnet jenes Duo jetzt
       der Bundestagslinken vorsteht, das den beiden auf dem Erfurter Parteitag
       2022 – mit Unterstützung von Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht –
       [1][vergeblich den Parteivorsitz streitig gemacht] hatte.
       
       Das Problem ist ein weitaus tiefergehendes. Denn mit dieser Wahl hat die
       Mehrheit der Restlinken im Bundestag bewiesen, dass sie nichts begriffen
       hat. Wer gehofft hat, die Linkspartei könnte nach dem überfälligen
       [2][Abgang von Sahra Wagenknecht & Co.] doch noch mal die Kurve kriegen,
       dürfte eines Besseren belehrt worden sein. Da kann sich die Parteiführung
       so mühen, wie sie will. Wer viel bewegen möchte, aber schon bei der
       Mehrheit der Linkenabgeordneten nichts bewegen kann, hat offenkundig ein
       Problem.
       
       Und dieses Problem hat einen Namen: Dietmar Bartsch. Dass sich mit jeweils
       14 gegen 13 Stimmen seine Favorit:innen durchgesetzt haben, dürfte der
       letzte siegreiche Akt des Ex-Linksfraktionschefs und seiner treuen Garde
       aus alten SED- und PDS-Weggefährt:innen gewesen sein. Erst hat Bartsch die
       Linke durch das fatale Bündnis mit Wagenknecht an den Abgrund geführt,
       jetzt gibt er seiner Partei noch den Stoß. Schirdewan und Janine Wissler
       müssen machtlos zusehen.
       
       ## Mangelnde intellektuelle Kompetenz
       
       Dahinter stehen neben der [3][chronischen Strippenzieheritis von Bartsch]
       auch handfeste inhaltliche Differenzen. Die unterschiedlichen
       Akteur:innen in der Linkspartei haben keine gemeinsame Antwort, warum
       sich ihre Partei in einer existenziellen Krise befindet. Nun haben sich im
       Bundestag jene durchgesetzt, die dafür waren, Wagenknecht und ihrem
       linksnationalkonservativen Anhang stärker entgegenzukommen, um deren
       Abspaltung zu verhindern.
       
       Dass sie bis heute nicht erkannt haben, warum der Bruch ein fundamentaler
       ist, zeugt von mangelnder intellektueller Kompetenz. Nicht minder absurd
       ist die Behauptung, mit einer stärkeren Ostorientierung könne es wieder
       aufwärtsgehen. Denn wer rechnen kann, kommt schnell zu dem Schluss, dass
       das Hauptproblem der Linken ihre fehlende Attraktivität in Westdeutschland
       ist.
       
       Die Annahme, PDS-Politik aus den 1990ern recyceln zu können, führt im
       Westen auch zu PDS-Ergebnissen – ohne jedoch auf alte PDS-Höhen im Osten
       zurückzukehren. Genauso ist es ein Irrtum zu glauben, die Linke sei zu
       „bewegungsorientiert“. Wenn sie das mal nur mehr wäre! Dass nunmehr zwei
       gebürtige Ostdeutsche der Linken im Bundestag vorstehen, ist indes kein
       Problem. Warum auch.
       
       Hätten Heidi Reichinnek und Clara Bünger nicht gegeneinander, sondern
       gemeinsam kandidiert, wäre das eine interessante Kombi gewesen: Zwei junge
       ostdeutsche Powerfrauen mit politischem Talent hätten ein
       ausstrahlungsfähiges Duo abgegeben. Der große Haken ist ein anderer: Die
       Linkspartei steht vor ihrem Untergang, weil für relevante Teile zumindest
       der Altvorderen Solidarität auch in den eigenen Reihen nicht ein
       substanzielles linkes Prinzip ist, sondern nur eine Phrase für belanglose
       Programme.
       
       Wer jedoch nicht zusammenstehen will, der entscheidet sich dafür, dass es
       künftig keine parlamentarische Stimme von links gegen den Rechtsruck, gegen
       Sozialabbau, gegen Militarisierung, gegen inhumane Flüchtlingsabwehr mehr
       geben wird. Das sind düstere Aussichten.
       
       20 Feb 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Pascal Beucker
       
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