URI: 
       # taz.de -- Politische Kommunikation im Krieg: Dilemma der Öffentlichkeiten
       
       > Dort „der Wähler“, da „die Verbündeten“ und nicht zuletzt Putin – bei
       > Waffenlieferungen ist es schwer, den richtigen Ton zu treffen. Auch für
       > Scholz.
       
   IMG Bild: Muss vielen Seiten gerecht werden: Scholz
       
       Diesen Mittwoch war gut zu hören, was die CDU einmal an Armin Laschet
       hatte. Das war der Unions-Spitzenkandidat für die Bundestagswahl 2021,
       inzwischen fast vergessen. Laschet jedenfalls, [1][morgens im
       Deutschlandfunk befragt,] was er von Olaf Scholz’ Umgang mit der Ukraine
       und dem Taurus-Marschflugkörper halte, sagte: „Ich habe seine Zurückhaltung
       immer richtig gefunden, dass er sehr behutsam in diesem Krieg agiert, dass
       er genau überlegt, welche Konsequenzen das alles für Deutschland haben
       kann.“ Er sagte es sogar zweimal, garniert mit einer Besinnungspause.
       Balsam! Da denkt jemand über Verständnis für Nachdenklichkeit nach, und
       noch dazu bei der Union!
       
       Nicht, dass ich der scharfen, spöttischen, meinetwegen auch ätzenden Töne
       schon überdrüssig wäre. Nach den langen Jahren der Merkel-Halbnarkose
       müssen sich viele wahrscheinlich immer noch an den Sound einer
       streitfreudigeren Demokratie gewöhnen. Bei der Diskussion über Krieg und
       Frieden, Militär und Waffen allerdings fangen wir inhaltlich wie
       stilistisch ja ziemlich weit vorne an, und dabei nehme ich diese Zeitung
       nicht aus.
       
       Zumal der Verlauf der Ukraine-Diskussion zeigt, wie anspruchsvoll die
       Aufgabe für PolitikerInnen ist, die drei Öffentlichkeiten gleichzeitig zu
       bedienen haben. Da ist einmal die vertraute inländische Bühne – „der
       Wähler“. Dann gibt es die Nato – „die Verbündeten“. Und nicht zuletzt ist
       da noch Putin, dem niemand in die Hände spielen wollen sollte, dem an der
       Demokratie gelegen ist.
       
       Als Olaf Scholz am Montag auf der [2][„Chefredakteurskonferenz“ der
       Nachrichtenagentur dpa] zu sprechen ansetzte, wollte er erkennbar
       Weitreichendes loswerden. Unglücklicherweise knetete er unablässig den
       Schaumstoff seines Mikros, und dazu beschloss die Dachfensterautomatik,
       sich quietschend zu öffnen. Doch gut verständlich blieb, dass Scholz den
       Taurus-Marschflugkörper nicht an die Ukraine liefern will, weil er anders
       als England und Frankreich keine eigenen Soldaten zur Zielerfassung
       einzusetzen beabsichtige – weder in Deutschland noch in der Ukraine. Dies
       sei eine Kriegsbeteiligung, die er ausschließen wolle.
       
       Damit hatte Scholz also endlich öffentlich begründet, wo er den Haken an
       der Taurus-Lieferung sieht (inländisch gefordert) – hatte andererseits aber
       auch verraten, dass Briten und Franzosen stärker im Krieg mitwirken, als
       die Welt vielleicht wissen soll ([3][Natopartner vergrätzt]). Außerdem aber
       hatte er Deutschland in einer Art festgelegt, die Russlands Präsident noch
       verwenden könnte (Putin genutzt).
       
       Man kann jetzt alle Unterpunkte noch strittig stellen, und das ist
       vergangene Woche [4][auch ausführlich geschehen]. Aber deutlich wird doch,
       dass der Kampf um Glaubwürdigkeit daheim an anderer Stelle den Preis
       hochtreibt. Wer umgekehrt sagt, „ein Teil dieser Antworten würde die
       Bevölkerung verunsichern“ (Dank an den früheren Innenminister [5][Thomas de
       Maizière für dieses unsterbliche Bonmot] aus der Sicherheitspolitik), kommt
       damit innenpolitisch nicht mehr weit.
       
       Es hilft auch nichts, zu beklagen, dass nur die deutsche Öffentlichkeit
       jede Schraube an jeder Lenkwaffe öffentlich behandelt wissen will, während
       anderswo die Staatenlenker halt Kriegsgerät bestellen oder schicken, wie es
       ihnen dünkt.
       
       Es wäre ein merkwürdiger Wunsch, dass die demokratische Öffentlichkeit doch
       bitte weniger Transparenz verlangen und aufs Detail nicht mehr so achten
       möge. Allerdings wäre es, je länger der Ukraine-Krieg dauert, umso
       sinnvoller, anzuerkennen, welches Kommunikationsdilemma sich stellt, wenn
       die Demokratie von außen bedroht wird.
       
       Schon deshalb finde ich die besser temperierten Töne zum Thema gerade so
       erholsam.
       
       1 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://bilder.deutschlandfunk.de/3e/0a/9f/11/3e0a9f11-770e-492f-b60e-e057fc005298/interview-laschet-28022024-100.pdf
   DIR [2] https://www.tagesschau.de/inland/scholz-taurus-ukraine-102.html
   DIR [3] https://www.handelsblatt.com/politik/international/ukraine-geheimnisverrat-jetzt-sind-briten-sauer-auf-bundeskanzler-scholz/100019459.html
   DIR [4] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/ausland/taurus-scholz-debatte-ukraine-krieg-russland-100.html
   DIR [5] https://www.youtube.com/watch?v=xgmys5K1UnA
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ulrike Winkelmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Olaf Scholz
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Waffenlieferung
   DIR Kolumne Ernsthaft?
   DIR Schwerpunkt Zwei Jahre Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
   DIR Olaf Scholz
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR TV-Duell mit Höcke: Einfach mal das Dilemma zugeben
       
       Nur „keine Bühne den Faschisten“ zu rufen, hilft nicht viel. Denn sie haben
       eigene Plattformen, auf denen die deutsche Welt pausenlos untergeht.
       
   DIR Vertrauliches Bundeswehr-Gespräch: Ministerium prüft russische Spitzelei
       
       Eine Vertraute Putins veröffentlicht eine Aufnahme, auf der deutsche
       Luftwaffen-Offiziere zu hören sein sollen. Sicherheitspolitiker zeigen sich
       alarmiert.
       
   DIR Rede an die Nation: Putins übliche Verdrehungen
       
       In seiner Rede an die Nation droht der russische Präsident dem Westen mit
       einem Atomkrieg. Seinem Land verspricht der Kremlchef eine rosige Zukunft.
       
   DIR Frankreich über Bodentruppen: Macron und Scholz im Ukrainekrieg
       
       Frankreichs Präsident bringt Bodentruppen in der Ukraine ins Gespräch.
       Deutschlands Kanzler widerspricht. Was verbirgt sich hinter der Debatte?
       
   DIR Streit um Marschflugkörper: Scholz gegen Taurus-Lieferung
       
       Die Bundeswehr darf nicht beteiligt sein, sagt Olaf Scholz. FDP und Grüne
       kritisieren das Nein des Kanzlers zu Taurus-Lieferung an die Ukraine.