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       # taz.de -- Debatte um Deutschlands Verlässlichkeit: Stirnrunzeln über Taurus-Leak
       
       > Nach den Veröffentlichungen ist Schadensbegrenzung angesagt. Die
       > diplomatischen Kanäle laufen auf Hochtouren – mit ungewissem Ausgang.
       
   IMG Bild: Nase zu und durch: Scholz bei seinem Pressetermin in Sindelfingen
       
       Berlin taz | [1][Es sind rund 30 Minuten, die es in sich haben und eine
       mittlere diplomatische Krise ausgelöst haben.] Führende deutsche Offiziere
       diskutieren via Online-Call über eine mögliche Lieferung der
       Marschflugkörper Taurus an die Ukraine. Die panzerbrechende Kriegsgeräte
       haben eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern, brauchen eine spezielle
       Programmierung, ihre Nutzung bedarf Ausbildung und Expertise. Die
       russischen Nachrichtendienste fangen den Call ab und reichen ihn an Russia
       Today weiter.
       
       Die Veröffentlichung ist vor allem deshalb brisant, da sich Kanzler Olaf
       Scholz nur wenige Tage zuvor vehement gegen eine Taurus-Lieferung gestellt
       hat. Mit der Begründung, dass russisches Territorium getroffen werden
       könnte. Genau diesen Ball nimmt nach den sogenannten Taurus Leaks nun die
       russische Regierung auf und sorgt für Empörung in der Bundesregierung.
       
       „Die Aufnahme … besagt, dass innerhalb der Bundeswehr Pläne für Angriffe
       auf russisches Territorium inhaltlich und konkret diskutiert werden“, sagte
       Kreml-Sprecher Dmitri Peskow. Ein Sprecher der Bundesregierung sprach
       dagegen von einer „absurden, infamen russischen Propaganda“. Die Führung in
       Moskau versuche den Westen und Deutschland mit der Veröffentlichung des
       Mitschnitts zu spalten. Kanzler Scholz machte erneut deutlich, dass er
       keine Möglichkeit zur Lieferung der Marschflugkörper mit einer Reichweite
       von 500 Kilometern sieht.
       
       In besagtem Mitschnitt betonen die Bundeswehr-Spitzen, dass weder Scholz
       noch Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) eine positive
       Entscheidung getroffen hätten. Sie kommen auch zum Schluss, dass es kaum
       möglich sein wird, Taurus kurzfristig zu liefern, ohne dass deutsche
       Soldaten an der Zielauswahl beteiligt wären. Bei einer langen Ausbildung –
       die Rede ist dabei von acht Monaten – könnte die Ukraine selbst in der Lage
       sein, den Marschflugkörper Taurus zu bedienen. Allerdings auf Grundlage
       deutscher Daten.
       
       ## Scholz bleibt beim Nein
       
       [2][Scholz bekräftigte am Montag bei einem Besuch in Sindelfingen in einer
       Diskussion mit Schülern, dass er keine Möglichkeit für eine Lieferung
       sieht.] „Es kann nicht sein, dass man ein Waffensystem liefert, das sehr
       weit reicht und dann nicht darüber nachdenkt, wie die Kontrolle über das
       Waffensystem stattfinden kann“, sagte er. „Und wenn man die Kontrolle haben
       will und es nur geht, wenn deutsche Soldaten beteiligt sind, ist das für
       mich ausgeschlossen.“ Der Kanzler kritisierte zudem erneut, dass in der
       deutschen Debatte nur über ein Waffensystem gesprochen werde, aber nicht
       darüber, dass Deutschland weit mehr Militärhilfe als jedes andere
       europäische Land leiste.
       
       Am Montag dementierte das Auswärtige Amt, dass der deutsche Botschafter in
       Moskau vorgeladen worden sei. Das Gespräch im russischen Außenministerium
       sei länger geplant gewesen, hieß es. Der russische Ex-Präsident und
       Vizevorsitzende des nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedjew, drohte
       Deutschland erneut – wie auch schon am Wochenende. In Berlin hieß es, dass
       man sich angesichts wiederholter Drohungen aus Moskau davon nicht
       beeindrucken lasse.
       
       Doch wie hoch ist nun der außenpolitische Schaden? Vertreter der
       Bundesregierung halten sich bedeckt und wiegeln ab. Doch die
       Krisendiplomatie läuft auf Hochtouren. Außenministerin Annalena Baerbock
       fliegt am Dienstag nach Paris, um den französischen Außenminister Stéphane
       Séjourné zu treffen. Am Donnerstag wird ihr britischer Amtskollege David
       Cameron in Berlin erwartet. Anders als Scholz gilt Baerbock als
       Befürworterin einer Taurus-Lieferung an die Ukraine. (mit dpa, rtr)
       
       4 Mar 2024
       
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