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       # taz.de -- Regierungsmodell für die Niederlande: Geert Wilders geht leer aus
       
       > Nach vier Monaten einigt sich eine Rechtskoalition auf ein
       > Regierungsmodell. Aber ohne den rechtspopulistischen Wahlsieger als
       > Premier.
       
   IMG Bild: Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders verzichtet auf das Amt des Ministerpräsidenten
       
       Amsterdam taz | Knapp vier Monate nach den niederländischen
       Parlamentswahlen ist in die äußerst zähen Koalitionsverhandlungen Bewegung
       gekommen – [1][und das offenbar zunächst auf Kosten von Geert Wilders], der
       mit seiner rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) die Wahlen
       gewonnen hatte. Die vier beteiligten Parteien sind sich einig, den
       „nächsten Schritt“ gehen zu wollen. Diese Entscheidung ist Teil eines
       Berichts, den Verhandlungsleiter Kim Putters am Donnerstagnachmittag dem
       Parlament übermittelte und der bereits im Vorfeld bekannt wurde. Die von
       niederländischen Medien als „Durchbruch“ bezeichnete Einigung macht eine
       Rechts-Regierung in Den Haag nun um einiges wahrscheinlicher.
       
       Beteiligt daran sind neben der rechtspopulistischen PVV und der
       liberal-rechten Volkspartij voor Vrijheid en Democratie (VVD) auch der
       sozial-konservative Nieuw Sociaal Contract (NSC) sowie die
       konservativ-populistische BoerBurgerBeweging (BBB). Zusammen kommen sie auf
       88 der 150 Parlamentssitze. Sicher sind inzwischen zwei bemerkenswerte
       Kernaspekte: Das Kabinett soll ein sogenanntes „außerparlamentarisches“
       werden, zu dem alle vier Parteien Minister*innen beitragen – das war
       während der bisherigen Verhandlungen strittig, als auch eine
       Minderheits-Regierung erwogen wurde.
       
       Erste Konsequenz des nun gewählten Modells: Die vier Parteichef*innen
       werden kein Teil der Regierung, sondern als Fraktionsvorsitzende im
       Parlament bleiben. [2][Dies bestätigte NSC-Chef Pieter Omtzigt] am
       Donnerstagmittag nach einer letzten Besprechung mit Verhandlungschef
       Putters. Dilan Yeşilgöz, die bisherige Justizministerin und VVD-Leiterin,
       sagte, dieser Schritt sei nötig, um ein entsprechendes Kabinett zu
       realisieren.
       
       Betont vorsichtig äußerte sich Yeşilgöz zur Personalie Geert Wilders: Als
       Chef der mit großem Vorsprung stärksten Partei wäre Wilders nach
       niederländischer Gewohnheit der naheliegende Kandidat für das Amt des
       Premierministers. Nach Aussage der VVD-Chefin habe ihre Partei dies nicht
       blockiert, ihm aber auch „nicht automatisch zugestimmt“, da diese Option
       für sie mit „Fragezeichen“ verbunden gewesen sei.
       
       ## Abbruch der Gespräche oder rechtes Kabinett?
       
       [3][Wilders, mit dessen Partei jahrelang keine andere zusammenarbeiten
       wollte], hatte am Mittwochabend per X erklärt: „Ich kann nur
       Premierminister werden, wenn alle Parteien das unterstützen. Das ist nicht
       so.“ Zunächst hatte er diesen Schritt staatsmännisch als im allgemeinen
       Interesse dargestellt: „Die Liebe für mein Land und meine Wähler*innen
       ist größer und wichtiger als meine eigene Position.“ Wilders’ Rückzug als
       Regierungschef gegen eine vollwertige Koalition – so der anvisierte Deal.
       
       Am Donnerstag trat Wilders dann öffentlich nach: Er sei „genauso wütend wie
       sie“ (die PVV-Wähler*innen), dass er nicht Premier werde, und finde das
       „ungerecht und staatsrechtlich falsch“. Er habe vor der Alternative
       gestanden, sich für ein „[4][rechtes Kabinett zu entscheiden oder die
       Gespräche abzubrechen,] so der PVV-Chef mit sichtbarem Frust.
       
       Allein BBB-Chefin Caroline van der Plas habe ihn voll unterstützt, während
       „eine andere Partei sagte, sie wollte es eigentlich nicht, werde es aber
       nicht verhindern, und eine Partei sagte, im außerparlamentarischen Modell
       könne davon keine Rede sein.“ Mit „der anderen Partei“ ist offensichtlich
       die VVD gemeint, die sich während der Verhandlungen äußerst wankelmütig
       über eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulist*innen präsentierte.
       Letzteres war indes eine deutlicher Seitenhieb auf den NSC, dessen Chef
       Pieter Omtzigt sich im Februar zwischenzeitlich aus den Verhandlungen
       zurückgezogen hatte.
       
       Details über den Bericht von Verhandlungsleiter Putters waren bei
       Redaktionsschluss nicht bekannt. Das außerparlamentarische Modell, das ohne
       einen detaillierten Koalitionsvertrag operiert und von wechselnden
       Mehrheiten ausgeht, ist in den Niederlanden ein Novum. So präsent der
       Begriff in der aktuellen Debatte ist, so vage ist er auch. Inhaltlich ist
       zu erwarten, dass vor allem ein restriktiver Kurs in Sachen Asyl und
       Migration eingeschlagen wird, was zwischen den beteiligten Parteien Konsens
       ist. Seitens der PVV sind nun keine größeren Entgegenkommen mehr zu
       erwarten.
       
       14 Mar 2024
       
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