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       # taz.de -- Streit um Marschflugkörper: Scholz gegen Taurus-Lieferung
       
       > Die Bundeswehr darf nicht beteiligt sein, sagt Olaf Scholz. FDP und Grüne
       > kritisieren das Nein des Kanzlers zu Taurus-Lieferung an die Ukraine.
       
   IMG Bild: Aufnahme der Bundeswehr: Kampfjet Tornado, bestückt mit dem Lenkflugkörper Taurus, der im Rahmen der Übung „Two Oceans“ fliegt
       
       Berlin rtr |/dpa | Bundeskanzler Olaf Scholz hat erstmals ausführlich
       begründet, warum er bisher keine Zustimmung zur Lieferung von
       Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine gegeben hat. „Deutsche Soldaten
       dürfen an keiner Stelle und an keinem Ort mit den Zielen, die dieses System
       erreicht, verknüpft sein“, sagte er am Montag auf einer
       Chefredakteurs-Konferenz der Nachrichtenagentur dpa. „Auch nicht in
       Deutschland“, fügte er hinzu. Die Ukraine brauche derzeit vor allem
       Munition.
       
       Der Streit über die [1][Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern] mit einer
       hohen Reichweite von 500 Kilometern tobt seit Monaten in der
       Ampel-Koalition. Auch die Tatsache, dass Deutschland mittlerweile zum
       zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine aufgestiegen ist und in diesem
       Jahr mehr als sieben Milliarden Euro für Waffen und Munition bereitstellt,
       hat daran nichts geändert. Die Befürworter argumentieren, dass mit Taurus
       auch Ziele tief hinter der Frontlinie getroffen und russische Nachschubwege
       unterbrochen werden könnten. Mit der Reichweite könnten allerdings auch
       Ziele in Moskau erreicht werden.
       
       Scholz hatte mehrfach betont, dass Kriterium für die Lieferung von Waffen
       immer sei, dass diese eng mit den USA abgestimmt sein müsse, die ebenfalls
       keine Marschflugkörper lieferten – anders als Frankreich und
       Großbritannien. Zudem dürfe die Nato selbst nie Kriegspartei werden.
       Deshalb bilden etliche Nato-Staaten wie auch Deutschland seit Monaten
       ukrainische Soldaten aus, die dann gelieferte westliche Waffensysteme
       bedienen. Der Kanzler argumentiert, dass dies mit Taurus nicht möglich sei.
       
       ## „Weitreichende Waffe“
       
       „Das ist eine sehr weitreichende Waffe, und das, was an Zielsteuerung und
       Begleitung der Zielsteuerung vonseiten der Briten und Franzosen gemacht
       wird, kann in Deutschland nicht gemacht werden“, sagte der Kanzler. Das
       wisse auch jeder, der sich mit diesem System auseinandergesetzt hat.
       „Deshalb bin ich immer wieder verwundert, dass die Frage erneut gestellt
       wird. Das wäre aus meiner Sicht etwas, das nicht zu verantworten wäre, wenn
       wir uns auf gleiche Weise an der Zielsteuerung beteiligen würden.“
       
       Scholz betonte auf Nachfrage, dass man sich auch nicht verhalten könne wie
       Frankreich oder Großbritannien: „Das, was andere Länder machen, die andere
       Traditionen und andere Verfassungsinstitutionen haben, ist etwas, das wir
       jedenfalls in gleicher Weise nicht tun können“, sagte der SPD-Politiker.
       
       Verteidigungsminister Boris Pistorius schloss sich der Meinung des Kanzlers
       an. „Natürlich“ dürfe die Bundeswehr keine Kriegspartei werden. „Eigentlich
       kennt jeder diese Argumentation“, sagte der SPD-Politiker. Den Hinweis,
       dass auch andere Länder Taurus-Systeme ohne Bundeswehr-Soldaten einsetzten,
       wies er zurück. „Es gibt unterschiedliche Modelle von Taurus“, betonte
       Pistorius.
       
       ## Kritik von Grüne und FDP
       
       Koalitionspolitiker von FDP und Grünen haben Scholz (SPD) wegen seiner
       Weigerung kritisiert, der Ukraine Taurus-Marschflugkörper zu liefern. Die
       Vorsitzende des Bundestag-Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes
       Strack-Zimmermann (FDP), sagte dem Fernsehsender „Welt“, Scholz liege
       falsch mit der Behauptung, es müssten Bundeswehrsoldaten in die Ukraine, um
       diese Waffe vorzubereiten. „In diesem Fall kann die Programmierung in
       Deutschland stattfinden, beziehungsweise die ukrainischen Soldaten müssen
       das hier gelehrt bekommen.“
       
       Strack-Zimmermann trat auch Befürchtungen entgegen, dass die
       Taurus-Flugkörper von Ukrainern umprogrammiert werden könnten, um damit
       Ziele in Russland anzugreifen, die Deutschland nicht billigen würde, sodass
       die Bundesrepublik in den Krieg gezogen werden könnte. Es gebe in der
       Ukraine bereits eine Menge programmierter Waffen aus deutscher Produktion:
       „Wenn das also das Argument ist, müssten wir sofort alle automatischen
       Waffen, die auf Angriffe reagieren, abziehen. Ich halte das für
       vorgeschoben.“
       
       Auch die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt kritisierte
       Scholz. „Niemand, der Taurus für die Ukraine fordert, will, dass
       Deutschland zur Kriegspartei wird“, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk
       Deutschland (Dienstag). Aber: „Für den Frieden in Europa und darüber hinaus
       ist es essenziell, dass die Ukraine diesen Verteidigungskampf gewinnt.“ Die
       größte Gefahr für die Ukraine und für Deutschlands Sicherheit bleibe es,
       dass Russlands Präsident Wladimir Putin die Oberhand behalte und dann
       seinen imperialistischen Feldzug fortsetze.
       
       Strack-Zimmermann zeigte sich auch irritiert über den Zeitpunkt von Scholz'
       Erklärung zu seinem Nein. Gerade sei Außenministerin [2][Annalena Baerbock
       (Grüne) bei einem Ukraine-Besuch] von einer russischen Drohne verfolgt und
       bedroht worden. Es sei daher „hochproblematisch, … dass just zwei Tage
       später der Kanzler der Bundesrepublik dann ausschließt, dieses System zu
       nutzen – das ist schon bemerkenswert“, sagte sie.
       
       Scholz hatte seine Weigerung mit dem Risiko einer Verwicklung Deutschlands
       in den Krieg begründet. „Deutsche Soldaten dürfen an keiner Stelle und an
       keinem Ort mit den Zielen, die dieses System erreicht, verknüpft sein. Auch
       nicht in Deutschland“, sagte er am Montag bei der
       dpa-Chefredaktionskonferenz.
       
       27 Feb 2024
       
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