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       # taz.de -- Berliner Clubkultur: Feierarbeiter, vereinigt euch!
       
       > Die Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft (BCG) steht noch ganz am
       > Anfang. Minijober sollen als Arbeitnehmervertretung aushelfen. Verdi ist
       > skeptisch.
       
   IMG Bild: Keine leichte Arbeit und oft nur dank Trinkgeld halbwegs gut bezahlt: Barkeeperin in einem Club
       
       Berlin taz | Während einer [1][rauschenden Clubnacht] haben die Partygäste
       im optimalen Fall die Zeit ihres Lebens. Dafür hat die Crew des Clubs zu
       sorgen, Angestellte hinter dem Tresen, an der Garderobe, die Security.
       Stressige Jobs sind das. Man arbeitet in der Nacht und ist ständig einem
       gewissen Lautstärkepegel ausgesetzt. Mit „Mental Health in Clubs“ hat der
       Berliner Lobbyverband Clubcommission deswegen Ende letzten Jahres ein
       längerfristiges Forschungsprojekt gestartet. Verbunden mit dem Ziel, die
       Zufriedenheit am Arbeitsplatz Club zu erhöhen.
       
       Dass noch viel grundlegender auf teilweise vorhandene Missstände im
       Berliner Clubbetrieb geschaut werden muss, fordert nun die Mitte Dezember
       letzten Jahres gegründete Berliner Clubarbeitenden Gewerkschaft (BCG). Noch
       ist sie klein und kaum bekannt.
       
       Kalle Kunkel, Sprecher von Verdi Berlin-Brandenburg, muss nach einer
       Anfrage der taz erst einmal im Fachressort Kultur nachfragen, ob schon
       jemand von der Konkurrenz gehört hat. Und Jens Schwan, Betreiber des
       Onlineportals The Clubmap, Gründer der Technoparade Zug der Liebe und
       langjähriger Szenekenner, glaubt, bislang sei das Interesse an der neuen
       Gewerkschaft äußerst verhalten.
       
       Aber BCG ist ja auch erst am Anfang. Für die Kommunikation muss bislang ein
       Instagram-Konto reichen, nicht einmal eine eigene Homepage gibt es. Aber
       Alex von der BCG, der seinen richtigen Namen nicht nennen will, um nicht
       bei der nächsten Bewerbung für einen Job als die Nervensäge von der
       Clubgewerkschaft zu gelten, sagt, Mitglieder im mittleren zweistelligen
       Bereich habe man bereits gewinnen können.
       
       Das nächste Ziel sei, im unteren dreistelligen Bereich anzukommen. Um dann
       irgendwann, logisch, „möglichst alle Leute zu erreichen, die wir
       ansprechen.“ Zwischen 6.000 und 9.000 seien das. Bis es in Berliner Clubs
       so weit sein könnte, dass eine Party wegen eines Streiks der Belegschaft
       kurzfristig gecancelt werden muss, dürfte es noch dauern.
       
       ## Alle kommen aus dem Clubkontext
       
       Zu den Gründern der BCG gehören laut Alex bis zu acht Leute, die sich in
       unterschiedlichem Maße in die Aufbauarbeit der Gewerkschaft einbringen.
       Alle kämen sie aus dem Clubkontext. Er selbst arbeite als Runner, trägt
       während einer Partynacht also die Verantwortung, dass alles von der Technik
       bis zum Barbetrieb möglichst reibungslos abläuft.
       
       Auslöser für die Gründung ist eine Auseinandersetzung Angestellter [2][des
       Kreuzberger Clubs Aeden mit der Geschäftsführung]. Das bekommt man nicht
       von Alex selbst erzählt, der sehr geizig ist bei der Nennung von Namen,
       sondern von einem weiteren Gründer von BCG, der ebenfalls anonym bleiben
       möchte. Eine Gruppe von Beschäftigten habe in dem Club, der erst seit
       zweieinhalb Jahren existiert, einen Betriebsrat gründen wollen, sagt er.
       
       Allen, die das Anliegen verfolgten, sei nach und nach gekündigt worden.
       Mehrere Verfahren vor einem Arbeitsgericht wegen unrechtmäßigen Kündigungen
       stünden demnächst an. Lutz Leichsenring, Pressesprecher der Clubcommission,
       sagt, man kenne den Fall, könne aber nicht beurteilen, ob es tatsächlich zu
       den Kündigungen aufgrund der Geschichte mit dem Betriebsrat gekommen sei,
       was rechtswidrig gewesen wäre. Eine Bitte der taz um Stellungnahme an das
       Aeden blieb unbeantwortet.
       
       Clubarbeitenden, die Unrecht erfahren haben an ihrem Arbeitsplatz, denen
       etwa ohne rechtsgültigen Grund gekündigt wurde, wolle man mit der neuen
       Gewerkschaft beistehen, sagt Alex. Und beispielsweise auch darüber
       aufklären, dass man während einer langen Schicht im Club das Recht auf
       Pausen habe. „Teilweise werden solche Arbeiterrechte in den Clubs mit den
       Füßen getreten. Und das wollen wir verändern.“
       
       Wie gesagt, Namen möchte er nicht nennen, keinen Laden als schwarzes Schaf
       herausheben. Es sei ihm und seinen Mitstreitern zudem bewusst, sich in
       einer fragilen Szene zu bewegen – vor allem nach der Corona-Pandemie, die
       für die Clubs existenziell bedrohlich war. Er sagt aber auch, viele
       Berliner Clubs, die längst etabliert seien, würden immer noch so tun, als
       seien sie „kleine DIY-Spaces, dabei streichen sie teilweise
       Millionengewinne ein.“ Während die Löhne für die angestellten Nachtarbeiter
       sich rund um den Mindestlohn bewegen würden.
       
       Noch sei man mit keinem der Clubs konkret im Kontakt, so Alex. Irgendwann
       möchte man sich mit ihnen aber gemeinsam an einen Tisch setzen. Und auch
       einen Branchentarifvertrag aushandeln.
       
       ## Kampf mit Umsatzeinbußen
       
       Hört sich interessant an, findet Javid Ansar, Mitbetreiber des
       Friedrichshainer Clubs Beate Uwe. Aber: „Wer soll so einen Tariflohn
       bezahlen?“ Clubbetreiber würden seit Corona „mit Einbußen beim Umsatz
       kämpfen, die Mehrwehrtsteuer ist gestiegen, die Touristen fehlen.“
       
       Lutz Leichsenring von der Clubcommission stellt erst einmal klar, man
       verstehe sich nicht als Arbeitgeberverband. Man habe beispielsweise auch
       einen „Arbeitskreis Personal“, der Unterstützung beim Bilden von
       betriebsratsähnlichen Strukturen anbiete. Solche wären „in manchen Clubs
       auch notwendig.“ Außerdem sei es „in unserem Interesse, dass Leute fair
       bezahlt werden und dass der Arbeitsplatz im Club attraktiv ist.“ Die
       Gründung von BCG „finden wir gut.“
       
       [3][Der Frage, ob sich die neue Gewerkschaft irgendwann als relevanter
       Player in der Berliner Clubkultur] etablieren kann, begegnet Jens Schwan
       eher skeptisch. Er findet durchaus, dass es zu viele prekäre Jobs im
       Nachtleben gäbe. Außerdem würden immer mehr Partyläden auf Kartenzahlung
       umstellen. Das Tresenpersonal befürchte deswegen, die wichtige
       Zusatzeinnahme der Trinkgelder könne dadurch geringer ausfallen. Aber er
       glaubt, dass viele einfach nur froh seien, etwa neben dem Studium einen
       Minijob im Club zu haben und sich überhaupt nicht für eine
       betriebsratsähnliche Selbstorganisation interessieren würden.
       
       Tatsächlich sind laut einer Studie der Clubcommission aus dem Jahr 2018
       rund 40 Prozent der Angestellten in den Clubs Minijobber. Ob diese Lust
       darauf haben, die monatlich voraussichtlich fünf Euro Mitgliedsbeitrag bei
       der BCG zu entrichten, ist fraglich.
       
       Bei der Belegschaft eines Clubs wie dem About Blank dürfte das Feedback
       auch eher gering ausfallen. Hier verdienen alle vom Booker bis zur
       Putzkraft gleich viel oder besser gesagt: gleich wenig. Man versteht sich
       als Kollektiv und wer sich nicht gut behandelt fühlt, kann einen so
       genannten „Clubrat“ konsultieren. In einem Club wie dem About Blank mit
       seinem politischen Anspruch und seiner genossenschaftlichen Struktur gibt
       es letztlich gar keine Angestelltenverhältnisse.
       
       ## Sorge um Spaltung
       
       Aber auch bei vielen anderen Clubs gilt, dass Leute oft dort arbeiten, weil
       sie sich mit dem Laden identifizieren oder es generell cool finden zu
       arbeiten, wo andere Party machen. Die Frustration über schlechte
       Arbeitsbedingen drängt man dann eher beiseite.
       
       Ob es daran liegt, dass in Berlin kaum Clubs einen echten Betriebsrat haben
       wie das queere Schwuz und das Berghain? Oder daran, dass Clubbetreiber sich
       zu oft den Gründungen von Betriebsräten entgegenstellen? Zu solchen Fragen
       braucht die BCG irgendwann belegbare Zahlen und Fakten, um seriös arbeiten
       zu können.
       
       Henrik Grunert, Vorsitzender des Betriebsrats im Schwuz, gibt bereits an,
       man stehe als Betriebsrat „uneingeschränkt“ hinter der Gründung der BCG.
       „Wir wollen fest daran glauben, dass eine spezialisierte Vertretung in Form
       einer Gewerkschaft notwendig ist, um sicherzustellen, dass die
       Arbeitsbedingungen sowohl gerecht als auch förderlich für die teilweise
       hohen gesundheitlichen Belastungen gestaltet werden können und müssen.“
       
       Weniger euphorisch ist da Verdi-Mann Kunkel. Grundsätzlich würde man
       Selbstorganisationen von Beschäftigten begrüßen, sagt er. Eine Spaltung
       wolle man jedoch vermeiden. „Die Gewerkschaft im Clubbereich gibt es schon,
       nämlich Verdi.“
       
       6 Mar 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
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