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       # taz.de -- Basketball-Diplomatie: Körbe für eine gute Beziehung
       
       > Ende der 70er Jahre versuchten die USA mit College-Basketballern aus
       > South Dakota das Verhältnis zu Kuba aufzulockern. Es blieb eine Episode.
       
   IMG Bild: Kubanisch-amerikanische Begegnung: Bei Olympia 1972 führte der Spielplan die Widersacher des Kalten Krieges zusammen
       
       Als die DC-9 der Fluglinie Southern Airlines am 4. April 1977 von der
       Andrews Air Force Base in Maryland abhob, war den Insassen der Maschine
       nicht klar, wie sie in Kuba empfangen werden. Würde man die Amis links
       liegen lassen, gar mit Verachtung strafen? Es kam anders.
       
       Die Kubaner hatten in Havanna buchstäblich einen roten Teppich für den
       Klassenfeind ausgerollt. Über das Textil schritten nicht nur die beiden
       demokratischen US-Politiker George McGovern und James Abourezk, Vertreter
       des Bundesstaates South Dakota im US-Senat, sondern auch ein Dutzend
       Basketballspieler der South Dakota State University in Brookings und der
       University of South Dakota in Vermillion: Basketball-Diplomaten der zweiten
       Basketball-Studentenliga NCAA.
       
       [1][Die Ping-Pong-Diplomatie] ist jedem politisch Interessiertem ein
       Begriff, also die politische Annäherung Chinas und der Vereinigten Staaten
       in den 1970er Jahren mit Hilfe des Tischtennissports. Der Sport sollte dort
       Brücken bauen, wo die Politik versagte. Und so war es auch im Jahr 1977,
       als der demokratische US-Präsident Jimmy Carter die Bemühungen der beiden
       Senatoren aus South Dakota von höchster Stelle aus absegnete.
       
       Die Pläne, Basketballspieler nach Kuba zum Zweck der politischen
       Entspannung zu schicken, war nicht neu. Auch unter der Präsidentschaft des
       Republikaners Gerald Ford wurde sie durchdacht, aber als Kuba 1975 Truppen
       zur Unterstützung der People’s Movement for the Liberation of Angola
       (MPLA), einer linksextremen Guerilla, entsandte, wurde das Projekt auf Eis
       gelegt.
       
       ## Gespräche mit „charmantem“ Castro
       
       Der Regierungswechsel in Washington ermunterte Abourezk und McGovern, ihre
       Kuba-Idee neu aufzulegen. Sie waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrfach auf
       die von den USA mit einem Embargo belegte Insel gereist, hatten
       stundenlange Unterredungen mit dem Máximo Líder, Fidel Castro. Sie
       unterhielten, wie sie später schilderten, durchaus freundschaftliche
       Beziehungen zu Castro, einem Baseball-Aficionado, der aber auch etwas mit
       Basketball anfangen konnte; beide Sportarten hatte er in seiner Jugend
       ausprobiert. Als Castro 2016 starb, sagte Abourezk, Castro sei für die USA
       ein schwieriger Partner gewesen, aber ein guter Staatschef für Kuba: „Er
       war ein charmanter und kluger Typ.“
       
       [2][Mit der Baseball-Diplomatie] ging es auf einem sportpolitischen
       Nebengleis freilich nicht so gut voran: Im Mai 1971, nur einen Monat nach
       der Tischtennisreise nach China, wollte der gebürtige Kubaner und Manager
       der San Diego Padres, Preston Gómez, eine ähnliche Mission anstoßen: Er
       versuchte ein Team von Allstars der Major League Baseball nach Kuba zu
       lotsen. Gómez, der die Havana Sugar Kings 1959 zum Sieg bei der Junior
       World Series geführt hatte, bekam 1970 von der kubanischen Regierung die
       Erlaubnis, sein Heimatland zu besuchen, um den kranken Vater zu sehen.
       Gómez traf sich mit Regierungsvertretern in Havanna, doch das
       US-Außenministerium blockierte den Vorstoß.
       
       Auch vier Jahre später kam Gómez nicht weiter. Dennoch fand ein Austausch
       auf kleinster Sportebene statt: die US-Volleyballmannschaft der Herren
       reiste 1972 zu einem Olympia-Qualifikationsturnier nach Kuba, und auch
       US-Boxer und Fechter landeten in Havanna – kein Vergleich allerdings zu den
       Basketball-Missionaren, die von einer 42-köpfigen Entourage begleitet
       wurden. Die Frauen der Politiker reisten 1977 mit, der Sportchef der South
       Dakota State Uni, Dave Martin, ein Mitbegründer der Miami Dolphins, Joe
       Robbie, Medienvertreter sowie etliche Touristen. Sie hatten sich zum
       Schnäppchenpreis von 600 Dollar eingekauft, um das nahe und doch so ferne
       Kuba zu sehen.
       
       Pikant auch, dass zwei Stewardessen und ein Kapitän der
       Southern-Airlines-Maschine schon einmal in Havanna gelandet waren –
       allerdings als Opfer einer der in dieser Zeit häufigen
       Flugzeugentführungen.
       
       ## Geschmackloser Scherz
       
       Noch auf dem Flughafen von Havanna gab’s einen ersten Umtrunk, Daiquiris
       wurden gereicht, Gesprächsstoff war reichlich vorhanden, und Senator
       McGovern verstieg sich zu dem etwas geschmacklosen Scherz, die Reisegruppe
       aus South Dakota sei wohl die größte US-Truppe, die seit der Invasion in
       der Schweinebucht auf Kuba gelandet sei. Dann wurde es endlich sportlich:
       Vor dem Anwurf am Folgetag wurden die Nationalhymnen gespielt, und jeweils
       15.000 Zuschauer im Kolosseum von Ciudad Deportiva zeigten Sportsgeist:
       Sehenswerte Aktionen der Gäste wurden ebenso beklatscht wie Korbleger von
       Ruperto Herrera Tabio, Félix Morales oder Alejandro Urgellés. In der ersten
       Begegnung, die 91:72 endete, war das College-Team ebenso chancenlos gegen
       olympiaerfahrene Kubaner wie in der zweiten Partie. Das karibische Team
       gewann wieder mit 19 Punkten Vorsprung: 88:69.
       
       Die US-Delegation genoss danach einen netten Urlaub an den kubanischen
       Stränden, man traf die besten kubanischen Sportler, zum Beispiel den
       olympischen Goldläufer Alberto Juantorena oder Boxer Teófilo Stevenson,
       besuchte eine Baseballfabrik, Bauernhöfe und eine Senioreneinrichtung. Die
       Uni-Sportler logierten kostenfrei im Marazul-Hotel in Santa Maria Del Mar,
       verteilten aber auch ihrerseits reichlich Geschenke: vor allem Jeanshosen
       in allen Größen.
       
       [3][Fidel Castro] selbst verpasste die historischen Basketballspiele. Er
       weilte seinerzeit in Moskau. Bruder Raúl vertrat ihn, führte Gespräche mit
       den US-Senatoren. Das kubanische Basketballteam, immerhin
       Bronzemedaillengewinner bei den Olympischen Spielen von München, reiste im
       September 1977 zu einem Gegenbesuch in die USA. Die Delegation gewann
       erneut gegen die Teams aus South Dakota, trat auch gegen Holy Cross und
       andere College-Mannschaften an.
       
       Dass die Idee, verfeindete Nationen einander näherzubringen, damals nicht
       so recht fruchtete, beweist ein mehr als verunglückter Kommentar des
       damaligen Uni-Präsidenten von South Dakota, Chuck Lein: „Vereinfacht
       gesagt, sahen sie (die kubanischen Basketballer) aus wie ein Haufen
       kommunistischer Idioten.“ Kein Wunder, dass die Basketball-Diplomatie im
       Sand verlief.
       
       17 Mar 2024
       
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   DIR Markus Völker
       
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