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       # taz.de -- Im Kaufhaus mit der Tochter: Terrorwarnung für Hatice
       
       > Neuerdings tritt meine Tochter ständig wütend gegen ihren Staubsauger und
       > kreischt: „Du verfluchter Terrorist!“ Das liegt natürlich nicht an mir.
       
   IMG Bild: Sieht doch eigentlich ganz sympathisch aus: Staubsauger
       
       Besondere Zeiten bringen besondere Menschen hervor. Zum Beispiel, als ich
       noch ein Kind war, kannte ich nicht mal das Wort „Terrorist“.Meine kleine
       Tochter Hatice [1][ist in der Hinsicht viel weiter.] Mit ihren acht Jahren
       kennt sie schon zwei Terroristen persönlich. Genau genommen, seitdem das
       Kaufhaus bei uns an der Ecke wegen einer Terrorwarnung geräumt werden
       musste.
       
       An dem denkwürdigen Tag hatte ich zusammen mit Hatice das Kaufhaus gerade
       betreten, als über Lautsprecher eine akute Terrorgefahr verkündet wurde und
       die Besucher dringend gebeten wurden, sofort das Kaufhaus zu verlassen.
       
       Hatice war unglaublich enttäuscht und verärgert, da sie ja gezwungen wurde,
       den Laden mit leeren Händen zu verlassen. „Papa, was ist denn
       Terrorgefahr?“, fragte sie mich mit funkelnden Augen. Um Hatices zarte
       Kinderseele nicht zu kränken, stammelte ich:
       
       „Ehm… öh… Terrorgefahr ist… Terrorgefahr… Das heißt: heute gibt’s keine
       Süßigkeiten! Wir müssen hier sofort raus!“ Ich weiß nicht, ob Hatice sich
       mit dieser Erklärung zufriedengegeben hätte, aber da goss eine hysterische
       Oma zusätzlich literweise Öl ins Feuer, in dem sie wie am Spieß brüllte:
       
       „Hiiilfeeee… Terroristen… Überall nichts als verdammte Terroristeeeenn!“
       
       „Was sind denn Terroristen, Papa?“
       
       „Was Terroristen sind, fragst du?“ Ich dachte an IS, Al Kaida, NSU und
       Hatices zarte Kinderseele und rief: „Das da! Das ist ein Terrorist!“
       
       „Was? Die Putzfrau, Papa?“
       
       „Nein. Der Staubsauger! Siehst du denn nicht, wie gefährlich das Ding ist?“
       Die Putzfrau mit dicken Schweißperlen im Gesicht rannte gerade panisch
       durch den Laden und schleifte dabei einen riesigen Staubsauger hinter sich
       her. „Hatice, was meinst du, was alles Schlimmes passieren kann, wenn
       dieser Terrorist jetzt jemanden am Fuß trifft! Deswegen müssen wir jetzt
       alle raus. Lauf! Lauf! Hörst du die Durchsage nicht, die wiederholen sie
       jetzt schon zum dritten Mal!“
       
       Kurz vor der vierten Wiederholung hatte ich plötzlich einen genialen
       Geistesblitz und nahm die Terrorwarnung mit meinem Handy auf. Und jetzt,
       immer wenn Hatice mich mit einer langen Süßigkeiten-Liste in der Hand zu
       unserem großen Kaufhaus hinter sich herzerrt, ertönt bereits am Eingang
       eine hektische Terrorwarnung: „Achtung, Achtung! Terrorgefahr! Bitte
       verlassen Sie umgehend unsere Geschäftsräume! Bitte räumen sie sofort den
       Laden!“ Uns beiden bleibt natürlich nichts anderes übrig, als wieder
       umzukehren. Ohne Süßigkeiten.
       
       Meine Frau Eminanim wundert sich seit einiger Zeit, weshalb Hatice ständig
       wütend gegen ihren Staubsauger tritt und kreischt: „Du verfluchter
       Terrorist! In der Hölle sollst du schmooooren!“
       
       Wie gesagt, in Hatices Alter kannte ich nicht mal das Wort „Terrorist“.
       Meine Tochter kennt zwei Terroristen höchstpersönlich. Einen im Kaufhaus,
       einen zu Hause.
       
       24 Mar 2024
       
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