# taz.de -- Berliner Wohnungsbau contra Naturschutz: Schneller bauen, weniger schützen?
> Umweltverband Nabu befürchtet „Anschlag auf die Stadtnatur“ durch das
> Schneller-Bauen-Gesetz. Er kritisiert Bausenator Christian Gaebler (SPD)
> hart.
IMG Bild: Das Schneller-Bauen-Gesetz soll dazu beitragen, dass in Berlin zügig mehr Kräne für mehr Wohnungsbau zu sehen sind
Berlin taz | Führt das von der schwarz-roten Koalition geplante
Schneller-Bauen-Gesetz zu weniger Artenschutz und massiver Schwächung beim
Naturschutzrecht? Das befürchtet der Landesverband des Naturschutzbunds
Deutschland (Nabu). Dem widerspricht Bausenator Christian Gaebler (SPD).
„Es ist falsch, wenn der Nabu sagt, wir würden gegen Bundesrecht
verstoßen“, äußerte sich der Senator vor Journalisten.
Hintergrund des Streits ist, dass CDU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag
vor elf Monaten vereinbart haben, den weithin gewünschten Wohnungsbau in
Berlin zu beschleunigen. Im Koalitionsvertrag heißt es über das angestrebte
Gesetz: „Dabei sollen für einen befristeten Zeitraum u. a. Regelungen zu
verkürzten Fristen, schnelleren Verfahren, engerer Abstimmung und
Verzahnung mit dem Baunebenrecht (z. B. Denkmalschutz, Natur- und
Artenschutz, Abstimmung zwischen den Behörden, parallele
Verfahrensschritte) sowie Flächenprüfungen in den Bezirken beschlossen
werden“.
Nach [1][gegenwärtiger Planung des Senats] soll das Abgeordnetenhaus dieses
Schneller-Bauen-Gesetz im Herbst beschließen. Gaebler sprach in der
Pressekonferenz von einem „überragenden öffentlichen Interesse an
Wohnungsbau und sozialer Infrastruktur“. Angesichts dessen sei wie so oft
eine Abwägung von Zielen nötig. Das soll zusammen mit der von Manja
Schreiner (CDU) geführten Senatsverwaltung für Umwelt geschehen.
Dem Nabu liegt nun nach eigenen Angaben ein interner Entwurf der
Wohnungsbauleitstelle in Gaeblers Senatsverwaltung für Stadtentwicklung
vor, der 2013 eingerichteten zentralen Anlaufstelle für Wohnungsneubau.
Dieser Entwurf soll vorsehen, das Mitspracherecht von Verbänden wie dem
Nabu einzuschränken. „Außerdem will Gaebler geschützte Biotope wie
Feuchtwiesen, Magerrasen, Feldhecken sowie naturnahe Eichenmischwälder wie
in der Wuhlheide aus dem Naturschutzgesetz streichen, so dass sie ohne
Genehmigung zerstört werden könnten“, kritisiert der Nabu [2][in einem auf
seiner Internetseite veröffentlichten Text].
## „Überlegungen müssen erlaubt sein“
Dort ist auch zu lesen, Gaeblers Vorhaben sei „ein Anschlag auf die
Berliner Stadtnatur“. Er bleibe „stellenweise sogar hinter dem Bundesrecht
zurück und würde sogar die Bebauung von Flächen erlauben, die bislang nach
dem Bundesnaturschutzgesetz gesichert sind“.
Dazu sagt Gaebler: „Wir können ja gar nicht gegen Bundes- und EU-Recht
agieren.“ Ihm geht es nach eigenen Worten um Folgendes: zu schauen, wo das
Land Berlin per Landesgesetz bisher über solche Vorgaben hinausgeht und wie
sich das unter Umständen wieder zurück führen ließe um schneller bauen zu
können. „Solche Überlegungen müssen erlaubt sein.“
Er habe teilweise die Erfahrung gemacht, „dass der Artenschutz missbraucht
wird, um zu verzögern“, sagte Gaebler, der von 2011 bis 2016 Staatssekretär
für Umwelt war. Nach seiner Darstellung würden Verbände bislang oft
mehrfach beteiligt, würden danach aber doch klagen.
Vom Nabu hingegen heißt es: „Gaebler wirft leichtfertig den Biotop- und
Artenschutz über Bord.“ Seiner Argumentation pro Beschleunigung folgt man
nicht: „Dass der Wohnungsneubau stockt, liegt gar nicht am Naturschutz,
sondern an hohen Baukosten und Zinsen, Fachkräftemangel und anderen
Problemen.“
Laut Gaebler gab es von der Bauwirtschaft Vorschläge, an welchen Punkten
sich beschleunigen lassen könnte. In der Pressekonferenz wies er nach einer
entsprechenden Frage des RBB aber die Vorstellung zurück, das
Schneller-Bauen-Gesetz würde von Lobbyisten der Bauwirtschaft formuliert:
„Den Gesetzentwurf schreiben wir bei uns im Haus.“
20 Mar 2024
## LINKS
DIR [1] https://www.berlin.de/aktuelles/8722473-958090-schneller-bauen-gesetz-soll-wohnungsbau-.html
DIR [2] https://berlin.nabu.de/news/2024/34718.html
## AUTOREN
DIR Stefan Alberti
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