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       # taz.de -- Bildungsministerium reformiert Bafög: Mehr Empfänger, nicht mehr Geld
       
       > Das Bafög soll reformiert werden. Kritiker bemängeln aber, dass eine
       > Erhöhung der Beträge nicht geplant ist – trotz Inflation und gestiegener
       > Kosten.
       
   IMG Bild: Erstsemesterbegrüßung an der Uni Köln im Oktober 2023
       
       Berlin taz | Zum kommenden Wintersemester wird sie kommen, die neue
       Bafög-Reform. Das kündigte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP)
       an, als sie am Mittwoch den Kabinettsentwurf vorstellte. So zufrieden wie
       die Ministerin zeigen sich jedoch nicht alle Koalitionspartner mit der
       geplanten Reform. Grüne und SPD kündigten bereits an, im Parlament für eine
       Erhöhung der Bedarfssätze kämpfen zu wollen. Auf diese hatten sich die
       Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag eigentlich geeinigt.
       
       [1][Wesentliche Änderung der Bafög-Reform ist], dass die Freibeträge
       angehoben werden sollen. Das bedeutet, dass mehr Studierende und Schüler
       Anspruch auf Bafög haben werden. Für Studierende soll es zudem einfacher
       werden, das Studienfach zu wechseln oder ein Semester länger zu studieren,
       ohne den Anspruch auf Förderung zu verlieren.
       
       Ein Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, den der Entwurf aufgreift, ist die
       sogenannte „Studienstarthilfe“ für Menschen aus finanziell benachteiligten
       Familien. Sie sollen einmalig 1.000 Euro als Unterstützung erhalten, um
       Kosten für Bücher, Laptop oder Mietkaution zu stemmen. Berechtigt sind laut
       Entwurf Studierende, die unter 25 Jahre alt sind und vor ihrem Studium
       Bürgergeld bezogen haben oder in Familien leben, die durch andere
       staatliche Leistungen wie den Kinderzuschlag oder Wohngeld unterstützt
       werden.
       
       ## SPD und Grüne fordern Beitragserhöhung
       
       Die Höhe des Bafögs aber bleibt unverändert. „Während zu Recht das
       Bürgergeld, die Renten und die Abgeordnetendiäten an die Inflation
       angepasst und angehoben werden, bleibt das ausgerechnet bei einem zentralen
       Instrument der Bildungsgerechtigkeit aus“, kritisierte Matthias Anbuhl,
       Vorstand des Deutschen Studierendenwerks. Dies sende ein fatales Zeichen an
       die junge Generation, sagte er der taz.
       
       Mit 452 Euro monatlich liege der Bafög-Grundbedarf deutlich unter dem
       Bürgergeld mit 563 Euro, was die Bundesregierung als soziokulturelles
       Existenzminimum definiere. „Studierende sind aber keiner Bürger*innen
       zweiter Klasse, sie essen, trinken und heizen nicht weniger als andere
       Menschen“, so Anbuhl weiter.
       
       Der Haushaltsausschuss des Bundestags hatte Stark-Watzinger 150 Millionen
       Euro für eine Bafög-Erhöhung in Aussicht gestellt. Ihr Entwurf sieht vor,
       nur rund 61 Millionen davon zu nutzen. „Den Löwenanteil von 89 Millionen
       soll Bundesfinanzminister Christian Lindner für die Haushaltssanierung
       einkassieren. Das darf sich das Parlament nicht gefallen lassen“, fordert
       der Vorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Andreas Keller.
       
       Auch in der Ampelkoalition gibt es Kritik an dem Entwurf der
       Bildungsministerin. Die SPD-Bundestagsfraktion wolle sich dafür einsetzen,
       dass die Bafög-Leistungen erhöht werden, erklärte ihr bildungspolitischer
       Sprecher Oliver Kaczmarek. Es brauche ein Vorgehen, damit das Bafög auch in
       den kommenden Jahren regelmäßig an die Lebenskosten angepasst werde. Auch
       Laura Kraft, Obfrau für die Grünen im Bildungsausschuss, hofft darauf, dass
       der Kabinettsentwurf im Parlament noch einmal überarbeitet wird: „Die
       Bedarfssätze müssen angehoben werden“, erklärt sie gegenüber der taz.
       
       ## Schuldenlast für Studierende steigt
       
       Auch die Wohnpauschale von monatlich 360 Euro müsse laut Kraft an die
       gestiegenen Mieten in Hochschulstädten angepasst werden. Bereits 2021 lagen
       die durchschnittlichen Mietausgaben der Studierenden laut der 22.
       Sozialerhebung mit 410 Euro im Monat deutlich über der Pauschale. Durch
       Krieg und Inflation dürften die Mieten in den vergangenen Jahren weiter
       gestiegen sein.
       
       Nicole Gohlke, Bildungssprecherin der Gruppe Die Linke, hält den
       Reformentwurf für eine „sozialpolitische Katastrophe“. Gohlke kritisiert,
       dass Studierende mit der geplanten Reform in Zukunft nach dem Studium ihren
       Bafög-Anteil schneller zurückzahlen müssen. Die monatliche Rückzahlungsrate
       ehemaliger Bafög-Empfänger soll von 130 auf 150 Euro steigen. „Statt einer
       dringenden Anhebung von Wohnkostenpauschale oder Bedarfssätze erhöht die
       Ampel lieber die Darlehenshöchstsumme und treibt Studierende damit weiter
       in die Schuldenfalle“, so Gohlke.
       
       ## Mangelnde Digitalisierung
       
       [2][Auch bei der Digitalisierung bleibe der Reformentwurf Fortschritte
       schuldig], bemängelt Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der
       CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Zwar können Bafög-Anträge inzwischen über ein
       Online-Portal oder per App eingereicht werden. Alles, was digital im Amt
       ankommt, muss dort jedoch ausgedruckt und meist in einer analogen Akte
       aufbewahrt werden. Laut Stark-Watzinger liege die vollständige
       Digitalisierung der Antragsbearbeitung in der Hand der Länder. Der
       vorgestellte Kabinettsentwurf soll in der kommenden Woche im Bundestag
       verhandelt werden.
       
       7 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Bafoeg-Erhoehung-fuer-Studierende/!5983033
   DIR [2] /Digitalisierung-beim-Bafoeg/!5979785
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Moritz Huhn
       
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