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       # taz.de -- Neutralitätspflicht in Hamburger Schulen: Protest gegen Podium mit AfD
       
       > Auf einer Podiumsdiskussion eines Hamburger Gymnasiums soll auch ein
       > AfD-Politiker auf der Bühne sitzen. Schüler*innen und Eltern sind
       > empört.
       
   IMG Bild: Auch zur Diskussion eingeladen: Hamburgs stellvertretender AfD-Chef Alexander Wolf liest in der Bürgerschaft „Junge Freiheit“
       
       Einmal im Jahr laden Oberstufenschüler*innen des Hamburger Gymnasiums
       Corveystraße seit den 1990ern zu den [1][„Lokstedter Gesprächen“, einer
       Podiumsdiskussion mit Hamburger Politiker*innen]. Am Dienstag, den 12.
       März finden sie unter dem Motto „Zukunft gestalten, Gemeinschaft
       entfalten!“ erneut statt. Das Oberstufenprofil „Medien und Gesellschaft“
       hat dafür im Rahmen seines Unterrichts eine Diskussion zum Thema
       Migrations- und Sozialpolitik organisiert.
       
       Neben zwei Fachexperten werden auch Vertreter*innen aller Parteien, die
       in der Hamburger Bürgerschaft sitzen, mitdiskutieren. Unter ihnen ist auch
       Alexander Wolf, stellvertretender Vorsitzender der AfD-Fraktion und deren
       Sprecher für Integration und Zuwanderung. [2][Vertreter der AfD], darunter
       auch Wolf, haben bereits in vergangenen Jahren an den Podiumsdiskussionen
       teilgenommen.
       
       In diesem Jahr gibt es Aufregung unter Teilen der Elternschaft, auch einige
       Schüler*innen sind empört. „Ich finde, es geht gar nicht, der AfD in
       diesen Zeiten eine Plattform zu bieten“, sagt Monika Ahrens der taz am
       Telefon. Ihre Tochter besucht die Oberstufe des Gymnasiums Corveystraße, am
       Dienstag ist sie verpflichtet, die Podiumsdiskussion zu besuchen. Mit einer
       E-Mail hat sie sich deshalb bereits an die Schulleitung und den Elternrat
       gewandt. Der E-Mail-Verlauf liegt der taz vor. Darin fordert sie, Alexander
       Wolf keine Gelegenheit zu geben, seine menschenverachtenden Themen vor den
       Jugendlichen auszubreiten.
       
       [3][Die Schulleitung verweist auf Nachfrage der taz auf ihre
       Neutralitätspflicht], die Veranstaltung werde trotz der Beschwerden wie
       geplant stattfinden. Eine ähnliche Antwort erhielt auch Monika Ahrens von
       dem verantwortlichen Lehrer. Alle beteiligten Schüler*innen seien im
       Unterricht auf die Diskussion vorbereitet worden. Außerdem solle die
       Veranstaltung anschließend im Politikunterricht nachbesprochen und
       eingeordnet werden.
       
       ## AfD muss eingeladen werden
       
       Hinter dem Streit steckt letztlich die Frage, wie Schulen mit der AfD
       umgehen sollen. Das sei eine Debatte, die vor Wahlen immer wieder aufkomme,
       sagt Sven Quiring, Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft
       (GEW) Hamburg. Dieses Jahr dürfen viele Oberstufenschüler*innen zum
       ersten Mal die Hamburger Bezirksversammlung wählen.
       
       Aus rechtlicher Perspektive sei klar, dass die AfD zu der Podiumsdiskussion
       am Corvey-Gymnasium eingeladen werden muss. Geregelt ist es in der
       [4][Geschäftsordnungsbestimmung Nr. 14 der Hamburger Schulbehörde].
       Grundsätzlich sieht diese vor, dass politische Parteien und Organisation an
       Schulen nicht für sich werben dürfen. Es gibt allerdings Ausnahmen:
       Vertreter*innen politischer Parteien dürfen im Rahmen des Unterrichts
       in Schulen eingeladen werden – dabei muss jedoch sichergestellt sein, dass
       alle in der Bürgerschaft vertretenen Parteien berücksichtigt werden.
       
       Passiert das nicht, droht den Schulleitungen ein Disziplinarverfahren. Die
       AfD versucht, es in möglichst vielen Fällen dazu kommen zu lassen: Auf
       ihrer Website informiert die Fraktion umfangreich über Neutralitätspflicht
       an Schulen und bestärkt Schüler*innen, gegen Verstöße vorzugehen. [5][2018
       richtete die Fraktion sogar ein Meldeportal ein]. Inzwischen ist das
       verboten.
       
       Was den Schulleitungen oder verantwortlichen Lehrkräften konkret droht, sei
       immer abhängig vom Einzelfall. Das teilt die Hamburger Schulbehörde auf
       Anfrage mit. Es gebe weder eine Statistik darüber, wie häufig die AfD
       Verstöße gegen die Neutralitätspflicht gemeldet hat, noch darüber, in wie
       vielen Fällen es zu Disziplinarverfahren kam.
       
       Die eindeutig rechtliche Lage ändert jedoch nichts an Monika Ahrens
       Haltung. Grundsätzlich begrüße sie Veranstaltungen wie den „Lokstedter
       Dialog“. Notfalls sei es ihr allerdings lieber, die Schulleitung würde sie
       ganz absagen, als sie mit der AfD stattfinden zu lassen, sagt sie. Damit
       stellt sie eine neue Frage in den Raum: Wenn Schulen dazu verpflichtet
       sind, auch AfD-Vertreter*innen zu solchen Podiumsdiskussionen einzuladen,
       sollten sie die Veranstaltungen dann überhaupt organisieren?
       
       Quiring von der GEW sagt, es sei grundsätzlich wichtig, politische Prozesse
       an Schulen zu thematisieren. Und dazu gehöre eben auch die
       Auseinandersetzung mit der AfD. „In guten Fällen führt das ja auch dazu,
       dass Schüler*innen die Positionen der AfD kritisch einordnen, vielleicht
       auch im Vergleich zum Grundgesetz betrachten.“ Grundsätzlich hält Quiring
       es auch für eine richtige Schutzfunktion der Demokratie, dass wirklich alle
       Parteien aus der Bürgerschaft zu solchen Veranstaltungen eingeladen werden.
       
       Es gebe jedoch eine Möglichkeit, Podiumsdiskussionen ohne die AfD zu
       veranstalten. Das Neutralitätsgebot gelte nämlich nur, wenn es sich um eine
       offizielle Schulveranstaltung handle. An Schulen könnten aber auch formal
       außerschulische Veranstaltungen stattfinden, solange Eltern oder
       Schüler*innen die Organisation außerhalb des Unterrichts übernehmen.
       „Das ist natürlich deutlich aufwendiger, als wenn die Schulleitung solche
       Veranstaltung organisiert“, sagt Quiring. Die GEW würde ein solches
       Vorgehen aber empfehlen.
       
       Eine Gruppe von Schüler*innen aus der Oberstufe will den Auftritt des
       AfD-Vertreters nach eigener Aussage nicht einfach akzeptieren. Mit Flyern
       würden sie an der Schule bereits über den AfD-Politiker informieren, sagen
       sie. Außerdem fordern sie für Dienstag zum Protest auf. „Wir wollen klare
       Kante zeigen“, sagt eine Schülerin der taz, die anonym bleiben will. „Am
       Dienstag planen wir, so viel Lärm zu machen, dass Alexander Wolf auf der
       Bühne nicht seinen Hass verbreiten kann.“
       
       Hinweis: Das Gymnasium Corveystraße hat die für Dienstag, den 12.3.
       geplante Veranstaltung am Montag, den 11.3. wegen Sicherheitsbedenken
       abgesagt.
       
       10 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://gymnasium-corveystrasse.de/lokstedter-gespraeche-2024/
   DIR [2] /Fotos-von-AfDlern-bei-Nazi-Aufmarsch/!5990484
   DIR [3] https://li.hamburg.de/resource/blob/611324/ef9a92592fc436e2f4dbe81f09222418/positioniert-euch-data.pdf
   DIR [4] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/59603/politische_neutralitaet_garantieren_klarstellung_der_geschaeftsordnungsbestimmung_nummer_14_der_behoerde_fuer_schule_und_berufsbildung.pdf
   DIR [5] /Kriminalisierung-der-Antifa/!5583111
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Anna Lindemann
       
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