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       # taz.de -- Wahlerfolg der Kommunisten in Salzburg: Gespenst in Österreichs Rathäusern
       
       > Nach Graz könnte bald auch Salzburg kommunistisch regiert werden. Die KPÖ
       > plus zieht in die Stichwahl um das Bürgermeisteramt in der Mozartstadt
       > ein.
       
   IMG Bild: Zwischen SPÖ und ÖVP steht Kay-Michael Dankl von der Salzburger KPÖ
       
       Wien taz | Der Siegeszug der österreichischen Kommunisten setzt sich fort,
       zumindest in den Großstädten: Bei der Bürgermeisterwahl in Salzburg-Stadt
       erzielte KPÖ-plus-Kandidat [1][Kay-Michael Dankl] genau 28 Prozent und kam
       damit auf Platz zwei.
       
       Mit diesem Ergebnis kommt es in zwei Wochen zur Bürgermeister-Stichwahl mit
       dem SPÖ-Spitzenkandidaten Bernhard Auinger, der 29,4 Prozent einfuhr. Der
       letzte Salzburger Bürgermeister kam aus einer anderen politischen Ecke: Mit
       Harald Preuner hatte die ÖVP ihn seit 2019 gestellt. Ihm verhalf auch die
       Aufbruchsstimmung rund um Ex-Kanzler und ÖVPler Sebastian Kurz an die
       Stadtspitze. Unter anderem altersbedingt trat Preuner nun nicht mehr an,
       sein Nachfolger landete nun abgeschlagen auf Platz drei. Ohnehin war die
       ÖVP-Regierung eher eine Ausnahme. Seit 1945 wurde Salzburg überwiegend
       sozialdemokratisch regiert.
       
       Nun könnte die traditionell sozialdemokratisch-rote Stadt, die als alles
       andere denn als linke Hochburg galt, bald kommunistisch-dunkelrot regiert
       werden. Viele Salzburger dürften Dankl weniger wegen seiner Ideologie denn
       wegen seiner Themensetzung gewählt haben.
       
       Der 35-jährige Historiker und Museumsführer hatte sich bereits die letzten
       fünf Jahre im Salzburger Gemeinderat um leistbares Wohnen gekümmert, ein
       Thema, das besonders im teuren Salzburg zieht. Nirgendwo in Österreich gibt
       es höhere Mietpreise als in der vom Tourismus überlasteten
       [2][Mozartstadt]. Der soziale Wohnbau ist vergleichsweise unterentwickelt,
       dazu kommt die weiterhin grassierende Inflation. Im Februar lag sie in
       Österreich bei 4,2 Prozent, in der EU nur übertroffen von Estland und
       Kroatien (Deutschland: 2,7 Prozent).
       
       ## Vorbild: Elke Kahr, KPÖ-Bürgermeisterin von Graz
       
       Dankls ruhige Ausstrahlung und Eloquenz dürfte ebenso zu seinem
       Wahlergebnis beigetragen haben wie seine politische Tätigkeit auch in
       ärmeren Salzburger Stadtteilen.
       
       Von vornherein vermied er Angriffe auf die Mitbewerber, auch wenn die
       Konkurrenz, vor allem die ÖVP, das Schreckgespenst des Kommunisten im
       Rathaus zeichnete. Wie auch sein [3][Vorbild Elke Kahr] – KPÖlerin und seit
       anderthalb Jahren Bürgermeisterin von Österreichs zweitgrößter Stadt Graz –
       spendet Dankl nach eigenen Angaben einen Teil seines Politikergehalts.
       
       Von einem generellen Linksrutsch lässt sich nur bedingt sprechen. Eine
       Mehrheit der 119 Gemeinden im Bundesland Salzburg bleibt fest in ÖVP-Hand.
       In Summe gingen 39,9 Prozent der landesweiten Stimmen an die ÖVP – ein
       Minus von knapp 8 Prozentpunkten, verglichen mit 2019. Mit leichten
       Verlusten landete die SPÖ mit knapp 27 Prozent auf Platz zwei.
       
       An dritter Stelle liegt die FPÖ, deren bundesweiter Aufwärtstrend sich
       jedoch nur eingeschränkt widerspiegelt: Die Rechtsaußen-Partei kam mit
       leichtem Plus auf 13,3 Prozent, ein Plus von 3,6 Prozentpunkten. Die KPÖ
       plus erreichte landesweit 5,4 Prozent – das liegt auch daran, dass sie in
       den allermeisten Gemeinden keine eigenen Kandidaten stellte.
       
       Seit Jahrzehnten gilt in Österreich fast ausschließlich die FPÖ als
       Sammelbecken für Protestwähler, egal ob es um Ausländer, Corona-Maßnahmen
       oder den für sie leidigen Klimaschutz geht. Der Politikwissenschaftler
       Thomas Hofer sah im österreichischen Sender ORF angesichts des Salzburger
       KPÖ-Erfolgs auch ein [4][Protestpotenzial bei Linksparteien.]
       
       Dennoch lassen sich nur sehr eingeschränkt Schlüsse für kommende Wahlen
       ziehen: Im Herbst bestimmt Österreich einen neuen Nationalrat, außerdem
       finden Landtagswahlen in der Steiermark und in Vorarlberg statt. Bundesweit
       führt die FPÖ seit über einem Jahr mit rund 30 Prozent alle Umfragen an –
       ebendort kommt die KPÖ bei bislang höchstens 3 Prozent zu liegen. Der Trend
       könnte aber, zumindest in den Großstädten, nach oben zeigen.
       
       11 Mar 2024
       
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