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       # taz.de -- Luftqualität und Suizidrate: Saubere Luft gibt Lebensmut
       
       > Eine Studie findet erstmals einen Zusammenhang zwischen weniger Feinstaub
       > und dem Rückgang von Suizidraten. Wie lässt sich sowas überprüfen?
       
   IMG Bild: Für saubere Luft und gegen Feinstaub. Greenpeace-Aktivisten in Stuttgart
       
       Saubere Luft macht unser Leben besser und länger. Feinstaubbelastung
       fördert unter anderem Entzündungszustände im Gehirn, die in Verbindung mit
       Depression und Demenz stehen. [1][Außerdem erschwert sie Produktivität und
       komplexes Denken.] Diese Zusammenhänge bestätigen viele Studien. 23
       Millionen zusätzliche Lebensjahre könnte etwa die britische Bevölkerung
       laut Forschenden gewinnen, wenn Luftfilter die Feinstaubbelastung zu Hause
       halbierten. Jetzt rechnet eine [2][neue Studie in dem Fachblatt Nature
       Sustainability] vor, dass die stark gesunkene Suizidrate in China stark auf
       strengere Luftqualitätsrichtlinien zurückzuführen ist, die seit 2013
       gelten.
       
       ## Die Studie
       
       Etwa 700.000 Menschen weltweit setzen jedes Jahr [3][ihrem Leben selbst ein
       Ende] – ein Großteil davon in Ländern mit niedrigem bis mittlerem
       Einkommen. Dass diese Zahl dort, und besonders in China, zuletzt viel
       stärker gefallen ist als im Rest der Welt, wird oft dem ökonomischen
       Wachstum zugeschrieben. Die Verfasser*innen dieser Studie haben sich
       die Mühe gemacht, die komplexen Wechselwirkungen aus Verkehr, Feinstaub und
       ökonomischer Aktivität auseinanderzudividieren.
       
       Die Forschenden stützten ihre Berechnungen dazu auf möglichst viele Daten
       aus möglichst vielen unterschiedlichen Regionen des Landes. Über vier Jahre
       hinweg verglichen sie die Ergebnisse von 1.400 Luftmessern mit 139.196
       Statistiken zu Suiziden aus fast 600 chinesischen Ortschaften. Untersucht
       wurden speziell Tage mit sogenannten Umkehrwetterlagen. Bei diesem
       Wetterphänomen ist die Luft in den oberen Schichten wärmer als in den
       unteren, kalte Luft kann daher nicht aufsteigen und schließt, wenn die Luft
       schlecht genug ist, die Menschen am Boden in einer Smogglocke ein. Dieses
       Phänomen macht es möglich, den Effekt spontaner Luftveränderungen zu
       untersuchen.
       
       Tatsächlich stieg der Feinstaubgehalt in diesen Wetterlagen stark an. Und:
       Er ging einher mit einem 25-prozentigen Anstieg der Suizidraten. Besonders
       ältere Frauen waren davon betroffen. Möglicherweise, weil ihre Lungen und
       Gehirne besonders sensibel auf Feinstaub reagieren. Basierend auf diesem
       Zusammenhang berechneten die Forschenden, dass die Einführung der
       Luftqualitätsrichtlinien – und die dadurch gesunkene Feinstaubbelastung –
       innerhalb von fünf Jahren zwischen 13.000 und 79.000 Leben gerettet hat.
       Die Forschenden schätzen den Anteil der neuen Richtlinien am Rückgang auf
       etwa zehn Prozent.
       
       ## Was bringt’s?
       
       Immer mehr Studien belegen den Zusammenhang zwischen Feinstaubbelastung und
       Suizidrisiko. Diese zeigt zudem auf, was sich dagegen unternehmen lässt:
       Industrievorgaben, Verkehrswende, grüne Barrieren, Belüftungsanlagen und
       portable Luftfilter – all das hilft gegen Feinstaub. [4][Auch in Berlin hat
       sich übrigens die Luft in einigen Straßen in letzter Zeit signifikant
       verbessert.] Die Reaktion der Politik: Schön, dann brauchen wir ja kein
       Tempolimit mehr. Really?
       
       24 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Filter-und-UV-Licht-gegen-Schadstoffe/!5988444
   DIR [2] https://www.nature.com/articles/s41893-024-01281-2
   DIR [3] /Zu-wenig-Hilfsangebote/!5968789
   DIR [4] /Aus-fuer-Tempo-30-Abschnitte/!5987226
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Franca Parianen
       
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