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       # taz.de -- Angelscheinpflicht in Bremen: Lizenz zum Töten
       
       > Seit fast 500 Jahre gilt das sogenannte „Stockangelrecht“ in Bremen. Nun
       > debattiert es als letztes Bundesland über die Angelscheinpflicht.
       
   IMG Bild: Auch mal an den Tierschutz denken
       
       In Bremen wird demnächst ein Gesetz abgeschafft, das seit dem Jahr 1541
       Bestand hat. Es erlaubt das Angeln in Weser und Lesum ohne Angelschein,
       also ohne den Nachweis, dass man weiß, welche Fische überhaupt gefangen
       werden dürfen, welche nur außerhalb der Schonzeiten, und wie man sie so
       tötet, dass sie nur ein bisschen leiden, wenn sie an einem Haken im Maul
       aus dem Wasser gezogen werden und danach in der Luft hängen, ohne selbst
       welche zu bekommen.
       
       Ein solches Gesetz gibt es nur in Bremen, eine der vielen Vogeligkeiten im
       kleinsten Bundesland, auf die manche so stolz sind wie auf den örtlichen
       Fußballverein. In allen anderen Bundesländern geht [1][dem Grundsatz] nach
       nichts ohne Angelschein. Nichts Legales jedenfalls.
       
       Fast 500 Jahre hat dieses [2][sogenannte „Stockangelrecht“] niemand
       angetastet, bis … ja, bis Philipp Bruck 2019 für die Grünen in die
       Bremische Bürgerschaft gewählt wurde, ein Ingenieur mit einer Leidenschaft
       für Klima-, Arten- und Naturschutz, die ihresgleichen sucht.
       
       Gegen das Positionspapier, das der 34-Jährige vor zwei Jahren
       veröffentlichte, war etwa das Grüne Veggieday-Desaster vor der
       Bundestageswahl 2013 Pipifax. Denn darin forderte er nicht bloß eine Umkehr
       zur fleischlosen Ernährung, sondern zum Veganismus. Und das nicht einmal
       die Woche und nur in öffentlichen Kantinen. Nein, er wollte sogar der
       jährlichen Kirmes „Freimarkt“ vorschreiben, die Hälfte aller Fressbuden mit
       veganem Essen zu bestücken.
       
       ## Möglichst geräuschlos rumregieren
       
       Klima-, Arten- und Tierschutz hätten davon gleichermaßen profitiert, aber
       das war mit der Bremer SPD nicht zu machen, deren Devise lautet, bloß
       niemand verprellen und möglichst geräuschlos rumregieren. Und auf gar
       keinen Fall heilige Bremer Traditionskühe antasten – erst wenn der
       öffentliche Druck groß genug ist, wie beim seit 1545 bestehenden
       Schaffermahl, einem mehrgängigen Fressgelage, zu dem erst seit 2015
       [3][Frauen zugelassen sind].
       
       Auch an das freie Angeln für freie Bürger wollten die Bremer Sozen nicht so
       recht ran, dabei stand doch schon 2019 im Koalitionsvertrag zwischen SPD,
       Linken und Grünen, sie „strebten an, dass nur Personen angeln können, die
       über ausreichende Sachkunde verfügen“. Aber so strebsam waren die
       Sozialdemokrat:innen dann wohl nicht und Philipp Bruck unternahm
       jetzt einen neuen Anlauf.
       
       Und tatsächlich hat das Landesparlament nun ein Gesetz in erster Lesung
       verabschiedet, das diese Bremensie für nichtig erklärt. Erst mal ohne
       Debatte, die kommt dann in der nächsten Sitzung voraussichtlich im April.
       Eine große Kontroverse ist nicht zu erwarten, zumal ein großer Teil der
       Stockangler aus Russland stammen soll, und Russ:innen in Deutschland
       gerade nicht die größten Sympathien genießen, egal ob sie mit Putin angeln
       gehen würden oder nicht.
       
       Die organisierten Bremer Angler:innen finden es gut, dass dem wilden
       Treiben ein Ende bereitet ist. „Fische sind Lebewesen, die man richtig
       töten muss“, sagte Rolf Libertin der taz, er ist Vizepräsident des
       Landesfischereiverbands mit seinen in 18 Vereinen organisierten 6.000
       Mitgliedern. Richtig töten gehe so: Mit einem Schlag auf den Kopf betäuben
       und dann einen Stich ins Herz oder einen Schnitt unterhalb des
       Kiemendeckels.
       
       Man könnte sagen, es gibt Wichtigeres als so ein olles Gesetz, und dass ein
       Angelschein weder Tierleid verhindert noch das Einhalten von Schonzeiten
       garantiert. Oder man macht es wie Philipp Bruck und ist sich nicht zu fein
       für kleine Schritte. An denen lässt sich nämlich lernen, dass nichts so
       bleiben muss, wie es immer schon war. Eine Lektion für alle, die glauben,
       das Abendland gehe unter, wenn sie etwa nicht mehr täglich Fleisch essen
       dürfen.
       
       23 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.angelschein.de/angeln-ohne-angelschein/
   DIR [2] https://de.wikipedia.org/wiki/Stockangelschein
   DIR [3] /Das-Bremer-Brudermahl-wird-weiblicher/!5913635
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Eiken Bruhn
       
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