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       # taz.de -- Zukunft der Volksbühne: Wie lange währt die Legende?
       
       > Die Berliner Volksbühne steht an einem Wendepunkt. Nach dem Tod des
       > Intendanten René Pollesch ist ein neuer Ansatz am Haus nötig.
       
   IMG Bild: Die Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
       
       In zwei Jahren berühmt oder tot“. So das bald geflügelte Wort [1][Ivan
       Nagels], als Anfang der Neunziger der gar nicht mehr so junge Wilde
       [2][Frank Castorf] die Berliner Volksbühne übernahm. Sehr berühmt waren sie
       bald, weil in der einzigartigen Mischung aus genialischer
       Post-Ost-Dissidenz und kunstradikaler Post-West-Politik Castorf und
       [3][Pollesch], [4][Schlingensief], [5][Marthaler] und Fritsch vieles mehr
       zusammenkam, das nicht wirklich zusammengehörte, und in seltsamen
       Verbindungen Funken schlug.
       
       Irgendwann war die Luft raus. Castorf musste gehen, aber die Legende blieb.
       Ja, sie wurde nur immer größer und dabei leider auch immer bornierter gegen
       das Neue. Beim Versuch eines radikalen Neuanfangs hat [6][Chris Dercon]
       Fehler gemacht, hatte mit seinem Avantgarde-Programm gegen die
       identitär-nostalgischen Kräfte aber von Anfang an keine Chance.
       
       René Pollesch wurde nach einem unrühmlichen Interim als Bewahrer der
       Legende geholt, machte als Autor/Regisseur weiter sein Kollektiv-Ding,
       große Schauspieler*innen kamen zurück. Die großen Zeiten jedoch nicht.
       
       ## Ende der alten Zeiten
       
       Pollesch agierte nach außen mit Verweigerungsgesten, nach innen mit
       familienbetrieblicher Nestwärmeproduktion und schloss ansonsten mit einem
       erratischen, für das große Haus zu schmalen, teils genialen, teils im Rohr
       krepierten Programm an Dercons internationale Entgrenzungen an. In der
       mauen Auslastung leider auch, einzelnen Erfolgen etwa mit [7][Florentina
       Holzinger] zum Trotz. Kultursenator Joe Chialo hatte in Interviews schon
       kaum verklausuliert mit Abberufung gedroht.
       
       Und nun ist Pollesch tot, die Not groß, guter Rat teuer. Vieles ist
       denkbar, von [8][Interimsintendant Wuttke] bis Produktions- oder Tanzhaus.
       Nichts liegt auf der Hand. Was ganz sicher nicht hilft: der gerade allzu
       beachtete Text, in dem der Kritiker [9][Peter Laudenbach in der SZ]
       einerseits schmutzige Wäsche wäscht und andererseits seine persönlichen
       Vorlieben ([10][Nicolas Stemann] ja, Sebastian Hartmann nein) als der
       Weisheit letzten Schluss unterbreitet.
       
       Was es vor allem bräuchte: die Einsicht, dass die alten Zeiten für immer
       vorbei sind. Und damit Offenheit für womöglich ganz andere Sachen. Wenn
       dagegen die Legende weiterregiert, werden berühmt und tot kein Widerspruch
       sein.
       
       24 Mar 2024
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Ekkehard Knörer
       
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