URI: 
       # taz.de -- Marodes Hamburger Wahrzeichen: Köhlbrandbrücke hängt in der Luft
       
       > Der Senat stellt die Pläne für eine neue Köhlbrandquerung überraschend
       > doch nicht mehr vor Ostern vor. Offenbar Dissens zwischen SPD und Grünen.
       
   IMG Bild: Hamburger Wahrzeichen: Köhlbrandbrücke
       
       Hamburg taz | Eigentlich wollte der Hamburger Senat am Dienstag seine Pläne
       für eine neue Köhlbrandbrücke im Hafen vorstellen. Doch daraus wurde
       nichts: Kurz vor elf Uhr kam die Nachricht, die Landespressekonferenz sei
       abgesagt. Grund dafür sind Unstimmigkeiten zwischen der SPD-geführten
       Wirtschafts- und der grün geführten Umweltbehörde. „Dem Senat liegt heute
       keine entscheidungsreife Drucksache vor“, teilte der Senatssprecher Marcel
       Schweitzer mit. Es müssten noch letzte Rückmeldungen im Rahmen der
       Behördenabstimmung eingearbeitet werden. Bedenken gibt es insbesondere
       bezüglich der Höhe des geplanten Neubaus.
       
       Die 1974 fertiggestellte [1][Köhlbrandbrücke ist eines der Hamburger
       Wahrzeichen und zugleich das Schlüsselbauwerk einer zentralen Verkehrsachse
       im Hafen]. 40.000 Fahrzeuge überqueren werktags die Brücke, ein Drittel
       davon sind Lastwagen. Die Hamburger Hafenbehörde (HPA) geht davon aus, dass
       die zuletzt 2014 bis 2016 generalüberholte Brücke diese Belastung nicht
       mehr lange mitmachen wird. Deshalb soll sie 2036 ersetzt werden.
       
       Das Thema erhitzt schon monatelang die Gemüter, seitdem ein 15 Jahre altes
       Gutachten publik geworden ist, nach dem die Brücke vielleicht noch
       Jahrzehnte hätte erhalten werden können. Ingenieure der HPA wiesen das
       zurück: Der Beton der Rampen sei angefressen und der Stahl des zentralen
       Brückenelementes weich geworden.
       
       ## Ein Tunnel wäre teuer
       
       Zudem stellte sich im vergangenen Sommer heraus, dass [2][der vom Senat
       favorisierte Plan, einen Tunnel zu bauen], so nicht umsetzbar war. Der
       Baugrund war anders beschaffen als von den Planern angenommen. Die
       Tunnelröhre müsste daher 5,40 Meter tiefer liegen als erwartet, was den Bau
       verkomplizieren und teurer machen würde.
       
       Der hafenpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Markus
       Schreiber, zeigte sich überrascht über die Vertagung der
       Senatsentscheidung, „weil alle Fakten seit Wochen auf dem Tisch liegen“.
       Dass in letzter Minute Einwände vorgebracht würden, sei zumindest
       ungewöhnlich.
       
       „Wir haben bei dem Thema keinen großen Dissens“, versichert dagegen Nicolas
       Garz, Sprecher der Grünen-Bürgerschaftsfraktion. Seine Fraktion habe sich
       nicht auf eine Senatsentscheidung an diesem Dienstag eingestellt. Es sei
       auch nicht mit diesem Thema zur Landespressekonferenz eingeladen worden.
       
       Dass dieser Eindruck entstand, geht auf die Berichterstattung über einen
       internen Prüfbericht der Wirtschaftsbehörde vor zweieinhalb Wochen zurück.
       Der Bericht empfahl einen Brückenneubau, der deutlich billiger wäre als ein
       Tunnel. Ein Sprecher der Wirtschaftsbehörde dementierte damals nicht, dass
       die Entscheidung am Dienstag vor Ostern fallen könnte.
       
       Die von Melanie Leonhard (SPD) geführte Wirtschaftsbehörde favorisiert
       einen 73 Meter hohen Neubau – 20 Meter mehr als heute – sodass auch die
       größten Schiffe den dahinter liegenden Containerterminal Altenwerder
       anlaufen können. Alternwerder ist der modernste Hamburger Terminal, auf dem
       die Container führerlos von den Kränen zum Lager gefahren werden.
       
       ## Die Frage der Notwendigkeit
       
       Würde die neue Brücke höher gebaut als die alte, würde das die Kosten
       erhöhen und das Bauwerk empfindlicher machen. „Allen Beteiligten ist klar,
       dass eine erhöhte Brücke kräftigeren Witterungseinflüssen ausgesetzt ist“,
       sagt Norbert Hackbusch von der Linken-Bürgerschaftsfraktion. „Diese müssen
       sowohl für ihre Nutzung als auch ihre Lebensdauer sorgfältig berechnet und
       dargestellt werden.“ Die Architektin Christina Sassenscheidt,
       Geschäftsführerin des Denkmalvereins, hatte im Interview mit der taz
       gesagt, der Verkehr in 70 Metern Höhe müsste mit Wänden vor dem Wind
       geschützt werden.
       
       Dazu kommt die Frage, ob eine höhere und teurere Brücke überhaupt notwendig
       ist. Denn Altenwerder ist nur einer von vier Containerterminals in Hamburg,
       sodass für ganz große Containerschiffe reichlich andere Kais zur Verfügung
       stehen. „Sollte sich herausstellen, dass eine mehr als 70 Meter hohe Brücke
       lediglich für eine kleine Anzahl von Schiffen benötigt wird, müssen
       Alternativen in Betracht gezogen werden“, fordert der Bund der
       Steuerzahler.
       
       Der Naturschutzbund (Nabu) findet, auch die Entscheidung gegen einen Tunnel
       müsse nachvollziehbar begründet werden: „Nicht akzeptabel wäre eine
       Entscheidung für eine über 70 Meter hohe Brücke, wenn sie erkennbar allein
       aus einer gegenwärtig angespannten Haushaltslage heraus getroffen werden
       würde.“ Insgesamt müssten die gesamten baubedingten Klimaemissionen und
       Kosten einer Brückenlösung mit einer Lebensdauer von 60 Jahren im Vergleich
       zu einem Tunnel mit einer Lebensdauer von 130 Jahren verglichen werden.
       
       Zudem warnt auch der Nabu vor der Wind- und Wetteranfälligkeit einer so
       hohen Brücke – nicht zuletzt mit Blick auf den Klimawandel. Wenn als Teil
       der geplanten [3][A 26 Ost] nur drei Kilometer weiter südlich eine zweite,
       wind- und wetteranfällige Brücke von 50 Metern Höhe über die Elbe gebaut
       werden solle, könne von Resilienz keine Rede sein. „Statt zwei halbgarer,
       billiger Lösungen sollte lieber eine taugliche Nordvariante zwischen dem
       Köhlbrand und der Veddel organisiert werden“, schlägt der Nabu vor.
       
       26 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Geheimes-Gutachten-zur-Koehlbrandbruecke/!5949883
   DIR [2] https://suche.transparenz.hamburg.de/dataset/neue-koehlbrandquerung-nkbq-20181
   DIR [3] /A26-Ost-in-Hamburg/!5987389
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
   DIR Hamburg
   DIR Hamburger Hafen
   DIR Verkehr
   DIR Hamburger Senat
   DIR Architektur
   DIR Hamburger Hafen
   DIR Autobahn
   DIR Verkehrswende
   DIR Verkehrswende
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Abriss der Köhlbrandbrücke: Hamburger Wahrzeichen wird ersetzt
       
       Höher, teurer, breiter: Stadtbildprägende Köhlbrandbrücke soll durch
       milliardenschweren Neubau ersetzt werden. Umweltverbände bezweifeln Bedarf.
       
   DIR Geheimes Gutachten zur Köhlbrandbrücke: Hoffnung für Hamburger Wahrzeichen
       
       Die Köhlbrandbrücke sollte abgerissen werden. Nun wird diskutiert, ob sie
       doch erhalten werden kann. Zehn Fragen und Antworten.
       
   DIR A26 Ost infrage gestellt: Hamburger Grüne gegen Hafenautobahn
       
       Fraktionschef Lorenzen wendet sich gegen Denkverbote und verweist auf den
       Bund. Ampelkoalition hat vereinbart, Bundesverkehrswegeplan zu
       überarbeiten.
       
   DIR Streit über Köhlbrandbrücken-Abriss: Linke vermisst Klimaschutz
       
       Hamburgs Köhlbrandbrücke soll abgerissen, stattdessen ein Tunnel gebaut
       werden. Die Linke fordert ein Verkehrskonzept im Sinne des Klimaschutzes.