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       # taz.de -- Urteil des britischen Gerichts: Banger Aufschub für Julian Assange
       
       > Der Wikileaks-Gründer wird vorerst nicht ausgeliefert. Ein britisches
       > Gericht verschiebt die Entscheidung – die USA müssten erst Garantien
       > liefern.
       
   IMG Bild: Protest in London: Assange-Anhänger hoffen auf seine Freilassung
       
       London taz | Seit fünf Jahren sitzt Julian Assange im britischen
       Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh ein und wartet auf eine Entscheidung, ob
       er an die USA ausgeliefert werden soll. Am Dienstag entschied [1][das
       oberste Gericht in London] nun, dass seine Auslieferung weiteren Aufschub
       bekommt.
       
       Dem Gericht zufolge könne Assange zuversichtlich sein, dass drei seiner
       Einsprüche bei [2][einem weiteren Berufungsverfahren erfolgreich sein
       könnten]. Allerdings hängt dies davon ab, ob die USA innerhalb der nächsten
       drei Wochen ausreichende Garantien darlegen können, sodass sich Assange bei
       einem Gerichtsverfahren in den USA auf den ersten Verfassungszusatz der
       US-Konstitution berufen kann – und damit auf den Schutz der freien
       Meinungsäußerung.
       
       Die USA müssten zudem beweisen, dass ein dortiges Verfahren ihm nicht seine
       australische Staatsbürgerschaft zulasten lege und der erste
       Verfassungszusatz bei ihm wie bei US-Bürger:innen zum Tragen käme. Und: Es
       müsse ausgeschlossen werden, dass Assange mit der Todesstrafe rechnen muss.
       Sollten die USA diese Sicherheiten geben können, könnte der Ausweisung
       zugestimmt werden. Allerdings müssen sich Assanges Verteidiger vorab dazu
       äußern können. Falls die USA die Auflagen des Gerichtes nicht erfüllen,
       kommt es zu einem neuen Berufungsverfahren.
       
       Assange ist Gründer der Plattform Wikileaks und kämpft seit mehr als 13
       Jahren um seine Freiheit. Wikileaks hatte unter seiner Leitung im Jahr 2010
       700.000 geheime Dokumente zu US-Aktivitäten im Irak und in Afghanistan
       veröffentlicht, darunter ein Video, das den Beschuss von Zivilist:innen
       in Bagdad zeigt und damit ein eindeutiges Kriegsverbrechen darstellt. Die
       USA fordern seine Auslieferung aus Großbritannien, um ihm vor einem
       US-amerikanischen Gericht den Prozess zu machen. Im schlimmsten Fall muss
       Assange mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 175 Jahren rechnen.
       
       ## Erwartet Assange in den USA ein fairer Prozess?
       
       Im Urteil heißt es: Assanges Fall ist vor allem eine Frage der
       Meinungsfreiheit. Er habe damit ein Recht darauf, Berufung einzulegen. Auch
       wenn die USA behaupten, dass Assange nicht mit der notwendigen
       journalistischen Sorgfalt gearbeitet hatte, als er die Namen von
       Sicherheits- und Geheimdienstleuten veröffentlichte. Was zähle, sei sein
       Recht, sich überhaupt auf den ersten Verfassungszusatz der US-Konstitution
       berufen zu können. Das Fehlen dieses Rechts sei mit der Europäischen
       Menschenrechtskonvention nicht vereinbar.
       
       Das Gericht urteilte jedoch auch, dass Assanges Vergehen nicht politischer
       Natur seien und dass seine Ausweisung deswegen von den USA angefordert
       werde. Zudem ließ das Gericht keinen der Punkte zu, die sich darauf
       beziehen, dass Assange in den USA kein fairer Prozess erwarte. Auch
       Berichte, dass der CIA, der Auslandsgeheimdienst der USA, Assange laut
       Yahoo News in der ecuadorianischen Botschaft in London angeblich ermorden
       wollte, hätten keinen Einfluss auf die Ausweisung oder das Strafverfahren
       in den USA.
       
       [3][Assanges Verteidigung hatte wiederholt argumentiert], dass diese
       Berichte die Aussagen der US-Regierung unglaubwürdig erscheinen ließen. Bei
       einer Pressekonferenz in der Anwaltskanzlei von Assanges Verteidigungsteam
       am frühen Dienstagnachmittag bezeichnete die Ehefrau von Julian Assange,
       Stella Assange, das Urteil als bizarr: „Das britische Gericht gibt den USA
       eine weitere Möglichkeit, einen politischen und nicht einen rechtlichen
       Einwand zu machen.“
       
       Überhaupt hätte der Fall von vornherein abgesetzt gehört. Journalismus
       werde kriminalisiert, so Stella Assange. „Es ist nun eindeutig, dass der
       Fall sich auf die Verfolgung eines Journalisten aufgrund seiner Meinung
       bezieht“, behauptete sie. Aus ihrer Sicht heraus sei nur so der Bezug zum
       ersten Verfassungszusatz zu verstehen.
       
       Sowohl Stella Assange als auch Wikileaks-Direktor Kristinn Hrafnsson
       betonten bei der Pressekonferenz am Dienstag in London, dass der Fall erst
       unter Ex-US-Präsident Donald Trump aufgekommen sei. Sein Vorgänger Barack
       Obama hätte nicht gegen den Wikileaks-Gründer vorgehen wollen, da Assange
       journalistisch arbeitete und kein Hacker gewesen sei. Die US-Regierung
       sollte – anstatt weitere Garantien zu geben – den Auslieferungsantrag
       fallen lassen.
       
       26 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Daniel Zylbersztajn-Lewandowski
       
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