# taz.de -- FDP stützt Kolonialismus-Forschung: Hamburger Kaufmannssünden
> Opposition gewitzt: Ausgerechnet die Kaufmannspartei FDP gibt sich beim
> kolonialen Erbe aufklärungswilliger als Hamburgs rot-grüner Senat.
IMG Bild: Drei Bronzen aus aus dem ehemaligen Königreich Benin in Westafrika, 2018 ausgestellt im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe
„Hamburg hat eine schwierige koloniale Vergangenheit. Die Hansestadt
profitierte wirtschaftlich von Handelswaren, die unter Zwangsarbeit und
Sklaverei hergestellt wurden. Hanseatische Kaufleute unterstützten die
Etablierung deutscher Kolonien maßgeblich.“
Nanu! Haben sie da an der Elbe endlich die [1][immer wieder angekündigte
kritische Kommentierung] hinbekommen für ihr absurd großes
Bismarck-Denkmal? Nicht doch – gesagt (beziehungsweise geschrieben) hat
diese radikalen Sätze jetzt der FDP-Bürgerschaftsabgeordnete [2][Sami
Musa]. Ja, Sie haben das richtig gelesen: einer von zwei derzeit im
Hamburger Parlament sitzenden Liberalen.
Nun geht es in solchen Hohen Häusern nur selten um anlasslose,
[3][grundsätzliche Wahrheitsfragen], dafür umso öfter um des Parlaments
nobelste Aufgabe, ja, sein „Königsrecht“: darüber zu entscheiden, was die
öffentliche Hand wofür ausgibt. Eine fehlende Finanzierungszusage nämlich
stiftet den Anlass für Musas Ausflug in die postkoloniale Rhetorik: Er
bemängelt, dass die durch den Handel reich gewordene Stadt – genauer: der
rot-grüne Senat – sich bislang nicht dazu durchringen kann, die
[4][Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe“] auf solide Füße zu
stellen. Es wirke, als sei deren Gegenstand den zuständigen Behörden, also
der für die Kultur sowie jener für die Wissenschaft, „unangenehm“, so Musa.
Und weiter: „Wir fordern eine Weiterfinanzierung der Forschungsstelle, die
im weltweiten Vergleich herausragende wissenschaftliche Arbeit leistet.“
## Wertschätzung ja, Geld nein
Die Hamburger FDP-Bundestagsabgeordnete [5][Ria Schröder] sekundierte: „Die
Forschungsstelle betreibt wichtige wissenschaftliche Arbeit und bemüht sich
auch um eine breite Vermittlung an die Öffentlichkeit“, erklärte die
bildungspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Und verlangte,
„die Finanzierung sicherzustellen, um Deutschlands und Hamburgs führende
Rolle in diesem Bereich zu erhalten“.
Der Hinweis auf eine möglicherweise Schaden nehmende Außenwirkung öffnet in
Hamburg viele Türen – normalerweise. Woran hakt es hier? Musa hat schon
mehrfach zu erfragen versucht, wie die Landesregierung es hält mit der
Zukunft der Forschungsstelle – [6][das macht sonst allenfalls mal die
Linksfraktion].
Ende Januar erst beantwortete der Senat [7][eine seiner entsprechenden
Anfragen] – beziehungsweise er antwortete eigentlich nicht: Musas insgesamt
neun Punkten begegnete man mit einer länglichen Bemerkung etwa dazu, dass
die Kulturbehörde derzeit doch eine „Senatsstrategie“ mit dem Titel
„Hamburg dekolonisieren!“ vorbereite. Auch setze man sich ja „auf
Bundesebene für eine Verstetigung“ ein. Ach ja, zudem sei die
Forschungsstelle doch auch sehr gut im Einwerben von Drittmitteln.
„Ich bin der FDP sehr dankbar, dass sie das Thema aufgreift“, sagte am
Dienstag vergangener Woche der Leiter der Forschungsstelle, der
[8][Historiker Jürgen Zimmerer]. Immer wieder habe der Senat zwar seine
Wertschätzung für die Forschungsstelle geäußert und ihr „eine
Schlüsselrolle für die zukünftige Aufarbeitung des kolonialen Erbes“ sowie
von bis zu zehn Millionen Objekte aus kolonialen Kontexten zugewiesen.
Bloß, eben, das mit dem Geld.
Zimmerer beziffert „einen doch sehr überschaubaren Finanzbedarf von einer
halben bis einer Dreiviertel Million Euro“ – und klingt geradezu
versöhnlich, wenn er sagt: „Hamburg hat nicht nur ein Problem mit dem
kolonialen Erbe, es hat auch eine Lösung.“ Um seine Forschungsstelle
würden „uns andere Städte beneiden“.
21 Mar 2024
## LINKS
DIR [1] /Zukunft-des-Hamburger-Bismarck-Denkmals/!5774629
DIR [2] https://samimusa.de/
DIR [3] https://dserver.bundestag.de/btd/19/231/1923126.pdf
DIR [4] https://www.geschichte.uni-hamburg.de/arbeitsbereiche/globalgeschichte/forschung/forschungsstelle-hamburgs-postkoloniales-erbe.html
DIR [5] /JuLi-Chefin-ueber-den-Zustand-der-FDP/!5704111
DIR [6] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/58479/hamburgs_post_koloniales_erinnerungskonzept_ergebnisse_und_perspektiven.pdf
DIR [7] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/86225/fortbestand_der_forschungsstelle_hamburgs_post_koloniales_erbe.pdf
DIR [8] /Historiker-ueber-koloniale-Aufarbeitung/!5905040
## AUTOREN
DIR Alexander Diehl
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