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       # taz.de -- Polen vor den Kommunalwahlen: Stimmungstest für Tusk-Regierung
       
       > In Polen wird am Sonntag gewählt. Am spannendsten wird es in Krakau. Hier
       > war ein Postkommunist 20 Jahre lang Stadtpräsident. Wer wird sein
       > Nachfolger?
       
   IMG Bild: Hier wird es besonders spannend: Premier Donald Tusk im Wahlkampf in Krakau, 3. April
       
       Warschau taz | Polens Premier Donald Tusk und seine
       Mitte-links-Koalitionäre sind nervös: Am Sonntag finden im ganzen Land
       Regional- und Kommunalwahlen statt. Es ist der erste Stimmungstest nach den
       Parlamentswahlen Mitte Oktober 2023.
       
       Ziel der konservativ-liberalen Bürgerplattform von Donald Tusk ist es,
       [1][den Wahlerfolg vom vergangenen Herbst zu wiederholen]. Das ist nicht
       ganz einfach, denn bei den Wahlen zu den 16 Sejmiki (Landtage), den 314
       Powiaty (Kreistage) und den 2.477 Stadt- und Gemeinderäten sind fast 50.000
       Mandate zu verteilen. Die meisten davon auf dem Land und in kleineren und
       mittelgroßen Städten. Da aber sind die politischen und sozialen Themen ganz
       andere als in der „großen Politik“ – lokal eben, und oft hochemotional
       besetzt.
       
       ## Kluft zwischen Stadt und Land
       
       2018 hatte die nationalpopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS)
       die Kommunalwahlen gewonnen. Nur die großen und prestigeträchtigen Städte
       wie Warschau, Krakau, Lodz, Danzig, Stettin, Breslau, Posen und Lublin
       waren an liberale Politiker*innen von der PO, der Linken und
       parteilosen Bürgerinitiativen gegangen. Insgesamt waren dies über 20
       Großstädte.
       
       An die PiS hingegen fielen gerade mal vier Großstädte, dafür aber 62
       mittelgroße und kleinere Städte sowie insgesamt 168 Landgemeinden. Das war
       die klare Mehrheit.
       
       [2][Nur die Bauernpartei PSL] konnte auch in Landgemeinden und Kleinstädten
       punkten, während PO und Linke hier herbe Niederlagen einstecken mussten.
       
       In diesem Jahr allerdings werden die Karten völlig neu gemischt. Denn es
       treten etliche Parteien an, die es in dieser Konstellation vor fünf Jahren
       noch gar nicht gegeben hat. So beispielsweise das christlich-agrarische
       Parteienbündnis Dritter Weg, bestehend aus der Bauernpartei PSL und [3][der
       neuen Partei Polska 2050]. Auch die Neue Linke tritt als neues
       Parteienbündnis aus Sozialdemokraten (SLD) und dem grün angehauchten
       Frühling von Robert Biedron zum ersten Mal an.
       
       ## Spannung in Krakau
       
       Besonders spannend wird es bei diesen Wahlen in der südpolnischen
       Kulturmetropole Krakau. Über Jahrhunderte ließen sich hier Polens Könige
       krönen. Im Zweiten Weltkrieg wurde die nach Warschau zweitgrößte Stadt
       Polens nicht zerstört, dann aber – in der Nachkriegszeit – von den
       regierenden Kommunisten absichtlich vernachlässigt. Dennoch wählten die
       angeblich so konservativen Krakauer im Jahr 2002 den Postkommunisten Jacek
       Majchrowski zum Stadtpräsidenten.
       
       Danach waren sie so zufrieden mit ihm, dass sie ihn immer wieder wählten.
       Schon vor Monaten kündigte der inzwischen dienstälteste Stadtpräsident an,
       dieses Mal aus Altersgründen – er ist 77 Jahre alt – nicht mehr kandidieren
       zu wollen. Sein Posten ist heiß umkämpft. Umfragen zufolge hat der
       unabhängige Kandidat Lukasz Gibala die größten Chancen, Majchrowskis
       Nachfolger zu werden. Gegen ihn als einzigem läuft eine anonyme
       Schmutzkampagne, die bisher schon mehrere 100.000 Zloty gekostet haben
       muss.
       
       Sollte er in der Stadtpräsidentenwahl nicht mehr als 50 Prozent aller
       Stimmen bekommen, wovon eigentlich alle ausgehen, wird es eine zweite Runde
       geben. In der Stichwahl würden dann der Erst- und Zweitplatzierte
       gegeneinander antreten. Donald Tusk und die PO hoffen, dass dann ihr Mann
       in Krakau, Aleksander Miszalski, Gibala überholen wird und Stadtpräsident
       der alten Königsstadt wird.
       
       ## Wenig Überraschendes in Warschau
       
       In der Hauptstadt Warschau gibt es kaum Umfragen, auch keinen richtigen
       Wahlkampf, nur ein paar langweilige Plakate. Denn der bisherige
       Stadtpräsident Rafal Trzaskowski von der PO ist der unangefochtene Favorit.
       Die einzige ernst zunehmende Gegenkandidatin, Magdalena Biejat von der
       Neuen Linken, war nicht präsent genug in den Medien.
       
       Und der Kandidat der PiS, Tobiasz Bochenski, wirkte neben dem sympathisch
       wirkenden Sonnyboy von der PO eher wie ein humorloser Spielverderber.
       Wahrscheinlich gewinnt Trzaskowski die Wahl schon im ersten Anlauf.
       Allerdings können die Warschauer*innen nicht sicher sein, dass er in
       anderthalb Jahren nicht erneut startet – bei den Präsidentschaftswahlen
       Polens.
       
       6 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Gabriele Lesser
       
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