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       # taz.de -- Terror in Moskau: Versagen der Sicherheitsdienste
       
       > Russland jagt seit zwei Jahren Andersdenkende als „Terroristen“. Die
       > echten Gefahren aus Islamistenkreisen hat der FSB vernachlässigt.
       
   IMG Bild: Gedenken an die Opfer des Terroranschlags in Moskau
       
       19 Stunden hatte es gedauert, bis der Mann, den vor einer Woche angeblich
       fast 90 Prozent seines Volkes wieder einmal zum Präsidenten gekürt hatten,
       zu eben diesem Volk sprach – nach dem wohl schlimmsten Terroranschlag der
       vergangenen 20 Jahre. 19 Stunden Stille, während die Menschen in der
       verrauchten Konzerthalle „Crocus City Hall“ nahe Moskau um ihr Leben
       schrien. Mehr als [1][130 von ihnen überlebten das Attentat nicht].
       
       Putin telefonierte derweil mit dem belarussischen Diktator Alexander
       Lukaschenko, ließ sich offenbar allerlei Berichte von den
       Ermittlungsarbeiten bringen – und sagte erst etwas, als andere
       Staatenlenker längst ihr Entsetzen kundgetan und ihr Beileid für die
       Hinterbliebenen ausgedrückt hatten. Es ist ein typisches Verhalten Putins,
       der sich bei Katastrophen erst einmal Zeit verschafft.
       
       Das ließ sich beim Untergang des U-Bootes „Kursk“ 2000 genauso beobachten
       wie bei der Geiselnahme im Moskauer Dubrowka-Theater 2002 oder bei der
       Geiselnahme in der Schule von Beslan 2004. Das Beileid-Bekunden ist nicht
       Putins Stärke. Der 71-Jährige zeigt sich vor allem dann entschlossen, wenn
       er die Situation kontrollieren kann. Entgleitet ihm die Kontrolle, sucht
       Putin erst einmal das Weite.
       
       Dabei war der Mann gerade in den Tagen nach seiner „Wahl“ so redselig. Ein
       Team seien sie, eine Einheit, hatte er nach seinem als [2][fulminant
       bezeichneten Sieg] ans russische Volk ausrichten lassen. Er ließ sich von
       seinen Gegenkandidaten huldigen und brachte sie gar auf die Bühne bei
       seiner Feier von 10 Jahren „Rückkehr in den Heimathafen“, wie der Kreml die
       Annexion der Krim bezeichnet.
       
       Er sprach vor den Duma-Fraktionen, sprach vor seinen Vertrauenspersonen,
       und vor allem tat er das vor dem FSB, seiner früheren Wirkungstätte. Die
       Warnungen der USA vor möglichen Anschlägen schoss er in seiner Rede in der
       Lubjanka verächtlich in den Wind. Die Amerikaner wollten lediglich für
       Unsicherheit und Verwirrung sorgen, behauptete er. Nun ist die Unsicherheit
       wieder verstärkt da in Moskau.
       
       ## Viele offene Fragen
       
       Doch das, was Putin nach fast 20 Stunden Schweigen von sich gab, wirkt so
       entrückt von der „Einheit Volk“, dass sein Auftritt noch mehr verunsichert,
       als dass er den Menschen die Antworten gibt, nach denen sie verlangen: Wie
       konnten die Attentäter überhaupt in die Halle kommen? Warum ist der so
       aufgeblähte Sicherheitsapparat sofort zur Stelle, wenn ein paar
       Bürger*innen Blumen für einen toten Oppositionspolitiker ablegen wollen,
       aber offenbar abwesend, wenn bewaffnete Terroristen in einer Menschenmenge
       um sich schießen?
       
       Während Russlands Behörden in den vergangenen zwei Jahren nahezu täglich
       Andersdenkende wegen „Rechtfertigung des Terrorismus“ jagten, hatten sie
       den Blick für echte Gefahren aus Islamistenkreisen vernachlässigt. Um nun
       nicht allzu viele Fragen dazu beantworten zu müssen, verschärft der Kreml
       das propagandistische Getöse um eine [3][„ukrainische Spur“] beim jüngsten
       Terroranschlag und lässt die Menschen vollkommen im Ungewissen, was in den
       kommenden Tagen auf sie zukommen wird.
       
       24 Mar 2024
       
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       ## AUTOREN
       
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