URI: 
       # taz.de -- Mit „Godzilla x Kong“ die Welt retten: Natur, Patriarchat und Kernenergie
       
       > Der Blockbuster „Godzilla x Kong: The New Empire“ geht die derzeit
       > größten gesellschaftlichen Spaltungspunkte an. Und will uns am Ende alle
       > vereinen.
       
   IMG Bild: Atomkraft gegen Nachhaltigkeit: Godzilla (li.) und King Kong
       
       Gyaōn!!!“ ist die onomatopoetisch-japanische Umschreibung von „Roarrrr!!“,
       und bezeichnet das Geräusch, das Godzilla macht. Bei Bedarf lässt es sich
       auf ein stolzes „Gyaōōōōōn!!!!!“ ausweiten, denn das Biest hat gerade gut
       brüllen: Der neue „Godzilla x Kong“-Film spielte allein in den ersten Tagen
       (am Karsamstag startete er in den USA, am Donnerstag in Deutschland) über
       202 Millionen Dollar ein.
       
       Was dran ist am Reptil, liegt jedoch nicht auf erzählerischer Ebene. Das
       Abenteuer aus dem Monsterverse kommt in seiner neuesten Ausführung als
       seelenlose CGI-Schlacht daher, das Schönste und Schrecklichste daran sind
       die dystopischen Bilder von Monstern, die die Pyramiden von Gizeh oder die
       Strandkulisse Rios zerdeppern.
       
       Die kleinen Menschlein im Film haben schon seit einigen Sequels nichts mehr
       zu melden, ihre Rolle wurde auf Erklärversuche der langweiligen Storyline
       reduziert. Die geht so: King Kong und Godzilla fühlen, dass was passiert;
       dann passiert auch was, denn ein Megaaffe namens Scar King greift an und
       will die Welt vernichten; [1][Godzilla und King Kong] holen die Megamotte
       Mothra zu Hilfe, um Scar King und seinem buckligen Gesellen (ein Wesen
       namens Shimo, das alles schockfrosten will) die Stirn zu bieten.
       
       ## Riesendino ohne emotionale Bindungen zu Säugetieren
       
       Dennoch ist das Werk mehr als ein auf 200 dB aufgeblasener Aggro-Tierfilm.
       Denn Godzilla repräsentiert von jeher Atomkraft und die darin steckenden
       tödlichen Gefahren. Das Radioaktivität speiende Monster ist vor exakt 70
       Jahren als Reaktion auf die Atombombenangriffe auf Japan entstanden. Die
       Filmreihe arbeitete sich so am Trauma der Japaner:innen durch die
       grässlichen Explosionen in Nagasaki und Hiroshima ab.
       
       Von der Arten-Systematik her ist [2][Godzilla ein Riesendinosaurier],
       gehört also zu den Reptilien, und kann keine emotionalen Bindungen zu
       Säugetieren wie dem Menschen aufbauen – mit Echsen ist nicht gut schmusen.
       Der Primat King Kong dagegen steht für das Gegenteil von Godzilla: Natur,
       Nachhaltigkeit, Empathie und Bindung, vielleicht sogar für den neuen Mann.
       
       King Kong war schon immer in seinen Grundzügen freundlich, die weiße Frau
       wollte er einst nicht genuin umbringen, sondern hatte sich schlichtweg in
       sie verknallt. Und die Szene aus dem tollen King Kong-Remake von Peter
       Jackson, in der der Affe seinem Love Interest das Reich auf Skull Island
       zeigt, diesen vor Biodiversität strotzenden, naturbelassenen Dschungel, und
       dazu das Wort „schön“ gebärdet, treibt einem noch immer Tränen in die
       Augen. King Kong ist somit ein Öko und Naturschützer und wird nur sauer,
       wenn man ihn aus dem Dschungel herausholt.
       
       ## Demonstrative Freundschaft zu Frauen
       
       Im neuen Film verbünden sich zudem nicht nur die Gegenpole King Kong und
       Godzilla, Natur und Kernenergie, sondern man bittet auch Mothra dazu, ein
       Rieseninsekt, das Weiblichkeit repräsentiert. (Die Motte wird in den
       japanischen Originalfilmen oft von zwei weiblichen Feen-Zwillingen
       begleitet, die singend mit ihr kommunizieren.) Der Gegenspieler von
       Godzilla, King Kong und Mothra, jener Scar King, steht dagegen für die
       alte, aggressive Männlichkeit, der King Kong mit seiner demonstrativen
       Freundschaft zu Frauen längst abgeschworen hat.
       
       Somit versucht der neue Godzilla-Film, die momentan größten
       gesellschaftlichen Spaltungspunkte – Naturschutz, Energieproblematik, das
       herrschende Patriarchat – zu vereinen. Und damit auch uns zu vereinen.
       
       Als konsequente:r Umweltschützer:in müsste man zwar „Atomkraft, nein
       danke“ rufen – mit Godzilla haben wir keine Zukunft, erst wenn er begönne,
       Windenergie auszupusten. Man kann „Godzilla x Kong“ aber als
       Gesprächsangebot für ein friedliches Miteinander zwischen Männern und
       Frauen, Klimaschützer:innen und der Atomkraftindustrie lesen: Am Ende
       verdreschen King Kong, Mothra und Godzilla schließlich gemeinsam den alten
       Macho Scar King. Vielleicht rettet das ja doch ein bisschen die Welt.
       
       6 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Neuer-King-Kong-Film/!5779146
   DIR [2] /Neuverfilmung-Godzilla/!5042321
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jenni Zylka
       
       ## TAGS
       
   DIR Kolumne Cultural Appreciation
   DIR Blockbuster
   DIR Monster
   DIR Atomenergie
   DIR Nachhaltigkeit
   DIR wochentaz
   DIR wochentaz
   DIR Film
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Superman und die Vergangenheit: Hoffnung auf Kryptonisch
       
       „Man of Steel II“, der nächste Superman-Film, wird sich im nächsten Jahr im
       Kino auf die Suche nach seiner Vergangenheit machen.
       
   DIR Captcha-Tests zur KI-Erkennung: Sei ein Mensch!
       
       Captcha-Tests am Computer sollen aufzeigen, ob man ein Mensch ist. Wie
       schön wäre so was im echten Leben?
       
   DIR Neuer King-Kong-Film: Ein sympathischer Riesenaffe
       
       Der Monsterspektakelfilm „Godzilla vs. Kong“ bietet innige
       Tier-Mensch-Beziehungen. Außerdem beeindruckt er mit opulenten
       Monsterduellen.
       
   DIR Neuverfilmung „Godzilla“: Go, Godzilla, go!
       
       Inspirierte Besetzung und familiäre Werte: Regisseur Edwards versucht, das
       lädierte Ansehen des Prinzips Blockbuster zu restaurieren.