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       # taz.de -- Diskriminierung bei der BVG: Bei Einstieg droht Rassismus
       
       > Die BVG will rassistische Äußerungen eines U-Bahn-Fahrers prüfen. Dabei
       > geht es auch um die Debatte über Kriminalität und Migration.
       
   IMG Bild: Ist das hier ein Safe Space?
       
       Berlin taz | Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und
       Wirtschaftssenatorin und BVG-Aufsichtsratsvorsitzende Franziska Giffey
       (SPD) sind sichtlich stolz auf die neuste Errungenschaft der Berliner
       Verkehrsbetriebe. Gemeinsam mit deren Vorstandsvorsitzenden, Henrik Falk,
       drücken sie am Mittwochmorgen an der Bushaltestelle vor dem Roten Rathaus
       auf einen großen roten Buzzer – enthüllt wird ein neuer digitaler
       Informationszeiger, der nun flächendeckend eingeführt werden soll. „Wir
       wollen den ÖPNV attraktiver gestalten“, sagt Schreiner und legt noch einen
       drauf: „Wir sorgen für Sicherheit und Sauberkeit bei der BVG.“
       
       Aber Sicherheit für wen? Einen Tag zuvor ist erneut ein rassistischer
       Vorfall bei dem Unternehmen bekannt geworden. Der Menschenrechtsaktivist
       Mouatasem Alrifai schilderte auf X einen Vorfall, den er zusammen mit
       Freund*innen am Montagabend in der U9 am Bahnhof Zoo erlebt hatte: Der
       Fahrer der Bahn, mit der Alrifai unterwegs war, forderte per Durchsage,
       „die kriminellen Migranten dahinten“ auf, den Türbereich zu verlassen, um
       die Fahrt fortsetzen zu können.
       
       Eine Station später seien er und seine Freund*innen ausgestiegen und
       hätten den Fahrer mit seiner Aussage konfrontiert, berichtet Alrifai, der
       2016 aus Syrien geflohen ist, in Nürnberg lebt und sich dort im Rat für
       Integration und Zuwanderung engagiert, der taz. Zwei andere Zeug*innen
       fuhren weiter bis zur Endhaltestelle Osloer Straße, sprachen den Fahrer
       dort ebenfalls an und filmten das Gespräch, das Alrifai später auf X
       postete.
       
       Er habe doch nur „eine normale Meinungsäußerung“ getätigt, rechtfertigt
       sich der Fahrer, das sei ja wohl „nicht strafbar“. Außerdem sei von einer
       „Gruppe Migranten randaliert worden“. Auf die Frage hin, weshalb er eine
       rassistische und beleidigende Aussage mache, anstatt das offenbar
       vorliegende Problem mit einer blockierten Tür anders zu lösen, behauptet
       er: „Das ist die einzige Sprache, die sie verstehen.“
       
       Für Alrifai hatte das Erlebnis eine ironische Komponente, wie er sagt: „Ich
       war gerade für mehrere Tage in Berlin und hatte einigen Freund*innen
       gesagt, dass ich nach Berlin ziehen will, weil ich die Offenheit dieser
       Stadt sehr schätze.“ Für ihn bedeute der Vorfall nun zwar nicht, „dass alle
       Berliner*innen so sind“, betont er. „Aber nach diesem Ereignis bin ich
       immer noch schockiert und verwirrt.“
       
       ## „Wir gehen dem nach“
       
       Als die taz die Senatorinnen Schreiner und Giffey am Mittwoch bei ihrem
       Pressetermin auf den Vorfall anspricht, bleiben diese stumm. Stattdessen
       springt der BVG-Vorstandsvorsitzende Henrik Falk für sie in die Bresche:
       „Wir gucken uns das an und gehen dem nach“, sagt er. „Wenn sich das
       erhärtet, werden wir Maßnahmen ergreifen.“ Welche das sein könnten, will er
       indes nicht sagen. „Das werden wir dann sehen“, erwidert er knapp.
       
       Es ist nicht der erste Vorfall dieser Art bei der BVG. Laut
       Senatssozialverwaltung gingen 2023 bei der Ombudsstelle für das
       Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) 51 Beschwerden über
       diskriminierendes Verhalten durch BVG-Mitarbeitende ein. In diesem Jahr
       waren es bislang sieben. Rund ein Viertel davon betraf rassistische
       Diskriminierungen. Auch zu dem Vorfall von Montag liege bereits eine
       Beschwerde vor, teilt Sprecher Stefan Strauß auf taz-Anfrage mit.
       
       Mit dieser Bilanz belegten die Verkehrsbetriebe im vergangenen Jahr
       [1][Platz 3 bei Beschwerden zu staatlicher Diskriminierung] – vor der
       Polizei. Mehr Beschwerden gibt es nur in den Bezirksämtern und in
       Bildungseinrichtungen.
       
       Im Juli vergangenen Jahres wurde die BVG zum ersten Mal wegen der
       [2][rassistischen Diskriminierung eines Schwarzen Fahrgastes] durch
       Kontrolleure auf Schadensersatz verurteilt. Kurz zuvor hatte ein anderer
       Kontrolleur eine Haftstrafe auf Bewährung erhalten, weil er 2020 einen
       ebenfalls Schwarzen US-Amerikaner bei einer Kontrolle so brutal geschlagen
       hatte, dass dieser mit mehreren Knochenbrüchen ins Krankenhaus kam.
       
       Damals riefen Aktivist*innen die Initiative #bvgweilwirunsfürchten ins
       Leben, um solche Fälle von Diskriminierung und Gewalt öffentlich zu machen.
       Oft, aber nicht immer, geht es dabei um schlecht bezahlte
       Mitarbeiter*innen von Subunternehmen, wie sie vor allem bei den
       Ticketkontrollen eingesetzt werden.
       
       ## Spiegel der Gesellschaft
       
       Ob angesichts der Vorfälle Maßnahmen wie Fortbildungen für
       Mitarbeiter*innen ergriffen werden, sagt BVG-Vorstandschef Falk am
       Mittwoch nicht. Er verweist darauf, dass die BVG sehr divers sei, aber eben
       auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Um dann hinzuzufügen, dass die BVG
       ein weltoffenes und vielfältiges Unternehmen sei, das keinerlei Form von
       Diskriminierung oder Rassismus toleriere.
       
       Ähnlich äußert sich auch die Senatorin für Antidiskriminierung, Cansel
       Kiziltepe (SPD): „Wir dulden keinen Rassismus und keine Form der
       Diskriminierung in unserer Stadt!“, ließ sie am Mittwoch mitteilen. „Wir
       stehen mit der BVG immer im Austausch.“
       
       Ferat Koçak, Sprecher der Linken-Fraktion für antifaschistische Politik,
       kennt ausreichend rassistische Vorfälle, um von dem Verhalten des
       BVG-Fahrers nicht grundlegend überrascht zu sein. Davon, „dass das so über
       den Lautsprecher rausgehauen wird“, allerdings schon. „Die Menschen müssen
       verstehen, dass sie solche Aussagen nicht einfach tätigen dürfen“, sagt
       Koçak der taz. Er fordert im konkreten Fall „mindestens eine Abmahnung“
       sowie eine Schulung des Mitarbeiters. Dabei dürfe es aber nicht bleiben:
       Die BVG müsse auf jeden Fall „in Sachen Antidiskriminierungsarbeit noch mal
       nachlegen“.
       
       Wie das landeseigene Unternehmen dies zu tun gedenkt, dazu will der
       Linken-Abgeordnete in Kürze eine parlamentarische Anfrage stellen.
       Mouatasem Alrifai, den er persönlich kennt, hat er geraten, Anzeige zu
       erstatten. Der will das auch tun, nach Möglichkeit mit externer
       Unterstützung.
       
       Wie auch Ferat Koçak zieht Alrifai eine direkte Verbindung zwischen dem
       Fall und der [3][aktuellen Debatte über die Kriminalstatistik]: Dabei wird
       ein – nicht belegbarer – Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität
       konstruiert. Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte das mit der
       Ankündigung von schnelleren Abschiebungen noch befeuert. „Politiker*innen
       wie die Bundesinnenministerin schüren durch ihre Aussagen Rassismus“, sagt
       Koçak. Sie gefährdeten damit „die Sicherheit von Migrant*innen,
       Geflüchteten und Deutschen mit Migrations- und Fluchtbezug, anstatt sich um
       deren Schutz zu kümmern“.
       
       10 Apr 2024
       
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