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       # taz.de -- Wohlfühlen am Hamburger Hauptbahnhof: Securityfirma macht Sozialarbeit
       
       > Für Sicherheit und Ordnung am Hauptbahnhof setzt der Hamburger Senat
       > „Sozialraumläufer“ ein. Die arbeiten bei einer privaten Sicherheitsfirma.
       
   IMG Bild: Viel Bedarf an Sozialarbeit: Hamburger Hauptbahnhof
       
       Hamburg taz | In blauer Weste steht das Dreier-Team vor dem Ausgang des
       Hamburger Hauptbahnhofs. Vorn auf der Weste steht der Name einer
       Sicherheitsfirma, hinten steht: „Sozialraumläufer“. Die Farbe der
       Arbeitskleidung sei vielleicht nicht ganz so glücklich gewählt, sagt einer
       der drei. Manche Menschen dächten, sie seien von der Polizei. Das stimmt
       aber nicht. „Wir sollen Ansprechpartner für alle sein, die sich in der
       Umgebung des Bahnhofs aufhalten“, erklärt er.
       
       Die [1][Sozialraumläufer:innen sind Teil des Maßnahmenpakets zur
       Verbesserung der Situation am Hauptbahnhof], das die Stadt Ende Februar
       vorgestellt hat. Seit Anfang März ist jeweils ein aus drei Personen
       bestehendes Team in zwei Schichten im Einsatz, insbesondere auf der Achse
       zwischen dem Bahnhof, dem Zentralen Omnibusbahnhof und dem
       August-Bebel-Park. Hier befindet sich auch die Kontakt- und Beratungsstelle
       Drob Inn mit einem Konsumraum für suchtkranke Menschen.
       
       Die Aufgabe der Sozialraumläufer:innen ist es, zwischen allen zu
       vermitteln, die diesen öffentlichen Raum nutzen wollen, und dabei [2][für
       Ruhe und Ordnung zu sorgen]. Sie sollen beispielsweise obdachlose und
       suchtkranke Menschen über umliegende Hilfsangebote informieren, sie aber
       auch auffordern, bestimmte Regeln einzuhalten. Doch
       Sozialarbeiter:innen sind die Sozialraumläufer:innen nicht –
       die Stadt beauftragte stattdessen eine private Sicherheitsfirma.
       
       Daran gibt es Kritik. Die sozialpolitische Sprecherin der Linksfraktion,
       Olga Fritzsche, befürchtet, dass der Einsatz einer Sicherheitsfirma zur
       weiteren Verdrängung marginalisierter Menschen führe. „Eine Security-Firma
       kann nicht die Aufgabe von Sozialarbeiter:innen übernehmen“, sagt
       sie. Fritzsche zweifelt daran, dass die Menschen bei den Hilfsangeboten
       ankommen, wenn sie vom Bahnhof weggeschickt werden. Dadurch werde es für
       die Straßensozialarbeiter:innen schwieriger, ihre Klient:innen
       zu finden.
       
       ## Lieber eine Telefonhotline
       
       Außerdem kritisiert Fritzsche die Kosten der Maßnahme. Das Projekt ist
       zunächst auf acht Monate angesetzt, kann aber bis auf 18 Monate verlängert
       werden. Die maximalen Kosten würden dann 740.000 Euro betragen. „Für das
       Geld hätte man mehr Notfallschlafplätze einrichten können“, sagt Fritzsche.
       
       Auch von der [3][Hamburgischen Landesstelle für Suchtfragen] kommt Kritik.
       „Ich bin nicht sicher, wie effektiv diese Maßnahme ist“, sagt Sarah
       Kessler, Geschäftsführerin des Vereins. Eine weitere Gruppe von Akteuren am
       Bahnhof sorge eher für Verwirrung und nicht für ein besseres Zusammenspiel,
       vermutet sie. Der alternative Vorschlag der Landesstelle: eine
       Telefonhotline. Dorthin könnten sich Anwohner:innen bei Fragen oder
       Beschwerden wenden.
       
       Gerade steht das Team vor einem der Bahnhofsausgänge. Zweimal sprechen
       Passant:innen die Männer in den blauen Westen an und fragen, wie man zu
       einem Gleis kommt. Freundlich erklären sie den Weg. „Ganz klar steht bei
       dieser Aufgabe der soziale Aspekt im Vordergrund und nicht die klassische
       Securityarbeit“, sagt einer der Sozialraumläufer.
       
       Alle drei möchten ihre Namen nicht in der Zeitung lesen. Ihm mache die neue
       Aufgabe Spaß, sagt der eine, aber nicht allen Kolleg:innen falle die
       Umstellung leicht. Die Schichten am Bahnhof seien nur ein Teil ihrer
       Tätigkeiten – in den anderen Schichten arbeiteten sie weiter normal für die
       Sicherheitsfirma.
       
       Die Sozialbehörde teilt auf taz-Anfrage mit, dass die
       Sozialraumläufer:innen an einer Schulung teilgenommen hätten. Dort
       sei ihnen unter anderem der Umgang mit Menschen aus dem Drogen- und
       Obdachlosenmilieu näher gebracht worden. Außerdem seien sie über die
       Hilfestrukturen der Stadt informiert worden.
       
       Die Sozialraumläufer bestätigen, dass es zwei Vorbereitungstreffen gegeben
       habe. Dabei hätten sich aber vor allem die Akteure wie Polizei,
       Bahnhofmission und das Drob Inn vorgestellt. Um den richtigen Umgang mit
       den Menschen vor Ort sei es weniger gegangen.
       
       Als Vorbild für die Maßnahme gilt unter anderem die Stadt Wien, die seit
       Jahren mehrere mit ähnlichen Aufgaben betraute Interventionsteams am
       Bahnhof und an Verkehrsknotenpunkten einsetzt. Auch dabei ist das Ziel,
       zwischen allen Interessengruppen zu vermitteln. Anders als in Hamburg haben
       die Mitarbeitenden aber Berufe mit psychosozialem Hintergrund.
       
       „Klar muss man sich hier gegenseitig erst kennenlernen“, sagt einer der
       Sozialraumläufer. Noch hätten manche Menschen Berührungsängste mit ihnen.
       „Aber wir versuchen, die passende Hilfe für jeden zu finden.“ Der
       [4][Hauptbahnhof sei wie ein Mikrokosmos], da müsse man sich als Neuer erst
       mal einfügen.
       
       30 Mar 2024
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Hamburger-Hauptbahnhof/!5990597
   DIR [2] /Sicherheit-am-Hamburger-Hauptbahnhof/!5945319
   DIR [3] https://www.landesstelle-hamburg.de/
   DIR [4] /Unerwuenschte-Klientel/!5960136
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Clara Dünkler
       
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