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       # taz.de -- Ramadan in Italien: Kreuzzugsstimmung wegen Ferientag
       
       > Eine italienische Schule legt einen unterrichtsfreien Tag fest, der auf
       > das Ende des Fastenmonats Ramadan fällt. Die Rechten schäumen.
       
   IMG Bild: Meloni & Co haben kein Verständnis für muslimische Schüler*innen
       
       Rom taz | Eine Schule, die Rücksicht auf die vielen islamischen Kinder in
       ihren Klassen nimmt: Das ist schlicht eine Zumutung für [1][Italiens
       Rechtsregierung unter Giorgia Meloni], die immerhin nicht weniger als das
       christliche Abendland zu verteidigen hat.
       
       Kreuzzugsstimmung machte sich in Melonis Reihen breit, weil das Institut
       Iqbal Masih, gelegen in der Kleinstadt Pioltello vor den Toren Mailands,
       beschloss, am 10. April schulfrei zu geben. An jenem Tag feiern
       Muslim*innen weltweit das Fastenbrechen, sprich das Ende des Ramadan.
       Und in Pioltello wird kräftig mitgefeiert.
       
       Rund 43 Prozent der Iqbal Masih-Schüler*innen nämlich – knapp 1400 Kids
       zwischen 3 und 14 Jahren besuchen dort Kindergarten, Grund- und
       Mittelschule – stammen aus migrantischen Familien, die meisten von ihnen
       sind islamischen Glaubens.
       
       Bereits im Mai 2023 hatte die Schulkonferenz deshalb schon den Kalender für
       das laufende Schuljahr entsprechend geplant. Italiens Gesetz sieht vor,
       dass Schulen nach eigenem Gusto einige freie Tage festlegen können, zum
       Beispiel für Brückentage, solange sie die Jahresgesamtstundenzahl
       einhalten. Genau diese Autonomie nahm auch das Institut Iqbal Masih für
       sich in Anspruch, mit der von der Schulkonferenz getroffenen einstimmigen
       Entscheidung für einen freien 10. April.
       
       ## Pragmatische Entscheidung
       
       Die Begründung war pragmatisch: An dem Tag würden sowieso rund die Hälfte
       der Schüler*innen fehlen, führte der Direktor aus. Da sei es besser, den
       Kindern von vornherein freizugeben. Doch von solchem Pragmatismus wollte,
       vorneweg [2][die in Rom mitregierende, stramm fremdenfeindliche Lega unter
       Matteo Salvini], nichts wissen.
       
       „Hier handelt es sich nicht um Inklusion, sondern um Exklusion“, schäumte
       der Lega-Abgeordnete Rossano Sasso, „die Unterwerfung unter den Islam wird
       in kleinen Dosen verabreicht“. Seine Parteikollegin und
       Europaparlamentarierin Silvia Sardone legte mit den Worten nach, „wir sind
       hier in Italien und nicht in Saudi-Arabien“, deshalb müsse der
       „Präzedenzfall“ von Pioltello unbedingt verhindert werden. Und Parteichef
       Salvini wetterte gegen die „inakzeptable Entscheidung, die sich gegen die
       Werte, die Identität, die Traditionen unseres Landes richtet“.
       
       ## Angst vor „besorgniserregender Islamisierung“
       
       Daraufhin machte Unterrichtsminister Giuseppe Valditara aus dem fernen Rom
       die Geschichte zur Chefsache und schickte die Schulaufsicht vorbei. Und die
       Aufseher*innen wurden sofort fündig, teilten mit, der Beschluss der
       Schulkonferenz sei nicht hinreichend motiviert. Derweil jedoch hatte die
       Vizedirektorin der Iqbal Masih-Schule ihrerseits einen Brief an den
       Staatspräsidenten Sergio Mattarella geschrieben und ihn um Unterstützung
       gebeten. Die kam prompt. Mattarella lobte im Antwortschreiben die
       „wertvolle Arbeit der Schule“ – das war eine kleine Ohrfeige für den
       Unterrichtsminister.
       
       Und ein Ansporn für die Schulkonferenz. Sie legte am Montagabend mit einem
       neuen, einstimmigen Beschluss nach, der die Schließung am 10. April
       bekräftigt und dies „mit didaktischen, nicht mit religiösen Gründen“
       motiviert. Jetzt zetert die EP-Abgeordnete Sardone erneut gegen die
       „besorgniserregende Islamisierung“, die so angeblich vorangetrieben wird,
       und erneut soll auch die Schulaufsicht den Beschluss prüfen. Ihr bliebe nur
       der Weg vors Verwaltungsgericht – wo sie sich allerdings nach der
       gegenwärtigen Rechtslage nur blamieren kann.
       
       27 Mar 2024
       
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