# taz.de -- Die Wahrheit: Unterstützungskatze vor Gericht
> Wenn Dauerregen das Leben eintönig macht, gibt es in Irland eine Instanz,
> die im grauen Alltag für Aufmunterung und Lacher sorgt: die Justiz.
IMG Bild: Gruppenbild mit Hase, Gewinnern und dem Vorstand des Wahrheitklubs nach vollbrachtem Eierlauf
Es regnet seit September in Irland. Das schränkt die Freizeitaktivitäten
ein. Man kann ja nicht jeden Tag im Pub verbringen, und auch Museen und
Galerien verlieren nach dem zehnten Besuch ihren Reiz. Aber es gibt einen
Ort, wo einem täglich kostenlos ein abwechslungsreiches Programm geboten
wird: im Gerichtssaal.
Neulich erschien ein Angeklagter nackt vor dem Dubliner Bezirksgericht.
Joseph Davis weigerte sich, Kleidung zu tragen, weil seine „emotionale
Unterstützungskatze“ während einer Verkehrskontrolle verschwunden war.
Davis war wegen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung angeklagt, weil
er sich weigerte, den Polizisten seine Personalien zu geben.
Davis hielt sich im Gerichtssaal zunächst die Hände vor die Genitalien.
Doch nach wenigen Augenblicken sprang er mit ausgebreiteten Armen auf, um
seinen Fall vorzutragen. Zuvor hatte er seinen Anwalt mit den Worten, er
solle „sich verpissen“, in die Wüste geschickt. Davis sagte, er sei
gestresst, weil sein emotionales Hilfstier fehle: „Ich bin ohne es
verloren, und es ist ohne mich verloren.“
Richterin Marie Quirke setzte eine Kaution in Höhe von 200 Euro fest,
stellte jedoch fest: „Wie ich sehe, hat er heute keine Brieftasche bei
sich.“ Darauf entgegnete Davis: „Sie sehen überhaupt nichts.“ Die Richterin
ordnete eine ärztliche Untersuchung an und bat die Polizei herauszufinden,
was mit Oliver, der Katze, passiert sei.
In einem anderen Fall erklärte ein Mann vor dem Familiengericht, dass seine
Frau ihm nicht erlaubte, donnerstags zu duschen, weil sie glaube, er würde
sich freitags nach der Arbeit mit einer anderen Frau treffen. Darüber
hinaus schreibe sie ihm vor, welche Kleidung er zu tragen habe, damit er
nicht zu schick aussehe. Außerdem sei es ihm nicht erlaubt, Freunde und
Verwandte zu treffen. Er stehe am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Richter
Alec Gabbett verhängte ein Kontaktverbot gegen die Frau.
Der Preis für die beste Ausrede vor einem Gericht geht an eine Bernadette
O’Loughlin. Sie hatte sich den Nachlass ihres Ex-Ehemanns unter den Nagel
gerissen, obwohl der längst wieder geheiratet und mit der neuen Frau einen
Sohn hatte. O’Loughlin behauptete, sie habe vergessen, dass sie von ihrem
Mann geschieden war. Ihr Anwalt sagte, seine Mandantin leide unter
psychischen und alkoholbedingten Problemen und die Sache tue ihr sehr leid.
Richter John Aylmer verurteilte sie zu einem Jahr Gefängnis, setzte die
Strafe aber zur Bewährung aus – vermutlich wegen des Unterhaltungswerts
ihres Auftritts vor Gericht.
Hoffentlich regnet es weiterhin in Strömen, damit es keinen Grund gibt,
eine Gerichtsverhandlung zu versäumen. Nächste Woche steht nämlich ein Mann
vor Gericht, der auf einem Rummelplatz 9 Euro für ein Stück Zuckerwatte
verlangt hat, dessen Haltbarkeitsdatum 2007 abgelaufen war.
15 Apr 2024
## AUTOREN
DIR Ralf Sotscheck
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