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       # taz.de -- Von TV-Duellen bis Personalabbau: Eingeladen, ausgeladen, gekündigt
       
       > Warum uns der Personalabbau in Zeitungen alle angeht, ob die AfD zu
       > TV-Duellen eingeladen und die Philosophin Nancy Fraser ausgeladen werden
       > sollte
       
   IMG Bild: Chefmoderatorin Tatjana Ohm und Chefredakteur Jan Philipp Burgard von Welt-TV beim Duell zwischen Höcke (AfD) und Voigt (CDU)
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küpperbusch: Eskalation zwischen Israel und Iran.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Hoffen auf Vernunft des Iran. Mal was Neues.
       
       Bei mehreren deutschen Zeitungen soll es Personalabbau geben. Muss sich
       dafür nur die Branche selbst interessieren? 
       
       Kann man auch „Reamateurisierung“ nennen. Die Süddeutsche baut 30 Stellen
       ab, die Hamburger Morgenpost erscheint nur noch wöchentlich: Hier zerreiben
       Anzeigenschwund und Gratiskonkurrenz unterschiedslos Qualitätsmedium wie
       Boulevard. Morgens Rechner oder Smartphone hochfahren, und man ist nach
       fünf Minuten übersättigt mit Nachrichtenradau und Klick-dich-arm-Annoncen.
       Ein Tumormarker ist der Abbau von 13 Stellen beim Kölner Stadt-Anzeiger:
       Das durchaus beliebte Ressort „Ratgeber, Magazin, Freizeit“ wird künftig
       mit Rohtextmasse aus dpa und RND befüllt, Korrektur und Bildbearbeitung
       erledigt eine KI. Da nähert sich Journalismus der Schweinefütterung –
       nährstoffarmer Schlamm automatisiert ins Publikum gepumpt. Handwerk wird
       sich ins Hochpreissegment retten, darunter regiert Junkfood und darunter
       recherchefreie Amateure. Journalismus kann sich trollen.
       
       Die Spitzenkandidaten ihrer Parteien bei der Landtagswahl in Thüringen –
       Björn Höcke (AfD) und Mario Voigt (CDU) – haben bei Welt-TV diskutiert. Was
       haben Sie gelernt? 
       
       [1][Höcke hatte das Ding gewonnen, bevor es losging, und dafür hat er es
       doch recht hübsch verloren]. Die Welt-TV-Redaktion rief die Themen Europa,
       Migration und Erinnerungskultur auf, eine andere Formulierung für „dreimal
       Heimspiel Höcke“ – symptomatisch für einen Mainstream, Rechtsradikalen
       thematisch den rotbraunen Teppich auszurollen. So war es möglich, dass
       CDU-Voigt auftrumpfte mit dem Hinweis, in seinen Landkreisen seien
       Bezahlkarte und Arbeitspflicht gegen Migranten längst durchgesetzt, bei
       Höckes Kumpel in Sonneberg nicht. Mal im Ernst: Rhetorischer Treffer, doch
       so wird hier inhaltlich mitbejubelt, dass die CDU bei
       Ausländerfeindlichkeit praktisch noch toller ist als die Theoretiker von
       der AfD. Das mag an Pluralismus für den Springer-Konzern reichen. Die
       Gretchenfrage, ob man „ein Forum bietet“ oder „mit Argumenten enttarnt“,
       bleibt. Thüringen hat gut zwei Millionen Einwohner, und eine Gockelrunde
       zwischen zwei Oppositionspolitikern ist ungefähr Regionalfernsehen.
       Thüringen hatte 1930 die ersten NSDAP-Minister, und man kann nicht wachsam
       genug sein. Beides stimmt und von beidem nichts, von Thüringen war in den
       gut 70 Minuten fast keine Rede. Hier gingen Lust am Radau und inhaltliche
       Nähe des Senders vor – vor journalistischen Kriterien: Welche Themen sind
       in Thüringen wichtig? Und: Wer regiert da eigentlich? Wenn das nicht zu
       haben ist, kann man es jedenfalls lassen.
       
       [2][Die Uni Köln lud die US-Philosophin Nancy Fraser aus.] Wann wurden Sie
       zum letzten Mal ausgeladen? 
       
       Diese Nancys! Also Faeser gegen Fraser. Am Wochenende wurde auch ein
       „Palästinakongress“ in Berlin aufgelöst, zu dem neben BDS-Verdächtigen auch
       jüdische Initiatoren aufgerufen hatten. Einhergehend mit Betätigungs- und
       Einreiseverboten. Das ist schon ruppig und unterstreicht die Frage, ob auch
       Deutsche ohne Nazivergangenheit, eben Migranten, hier volle
       Meinungsfreiheit genießen. Der Korridor des Sagbaren wirkt verengt, bei
       Licht eher verschoben, wenn in der gleichen Woche ein als Faschist zu
       Bezeichnender im Fernsehen Welle machen darf. – Ich wurde mal aus einer
       ARD-Talkshow ausgeladen, weil, wie mir der Redakteur im Hintergrund
       zuraunte, die FDP dringend noch mal was sagen müsste in der Runde. Das
       waren idyllische Zeiten.
       
       Laut ZDF-Politbarometer erwartet nur einer von zehn in Deutschland einen
       Sieg der Ukraine im Verteidigungskampf gegen Russland. Hat Putin [3][oder
       Mützenich gewonnen, oder] sind die Deutschen einfach Realisten? 
       
       Das ist der aktuelle Tenor der TV-Militärs von Oberst Reisner bis General
       Freuding, es ist die Meldungslage, und es entspricht der inzwischen
       unbestrittenen Erkenntnis, dass es keine Game-Changer-Waffen geben wird.
       Dass Deutschland mit Kriegen gegen Russland und die Sowjetunion zwei
       Weltuntergänge verschuldet hat, muss man auch nicht als dringende Einladung
       lesen, es einfach noch mal zu versuchen. Die meinungsführende Waffensekte
       hat sich zwei Jahre gegen stattliche Umfragen immer wieder durchgesetzt,
       irgendwann ermüdet das und kommt die Opferzahl in den Blick. Kurz: Für
       diese Haltung – die noch stets mit klarer Unterstützung der Ukraine
       einhergeht – braucht es weder Putin noch Mützenich.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Nachdem ein bereits verwandelter Elfer nachträglich per Videoentscheid
       aberkannt wurde, ist das nächste Ziel der Mannschaft, bereits in Adiletten
       vor der „Sportschau“ zu sitzen, wenn das Match entschieden wird. Fragen:
       Ambros Waibel, waam
       
       Friedrich Küppersbusch ist Journalist, Produzent und mag keinen
       Videoentscheid.
       
       14 Apr 2024
       
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