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       # taz.de -- Vietnamkrieg-Serie „The Sympathizer“: Drama, Kriegsfilm, Satire
       
       > Die gelungene Serienadaption des preisgekrönten Romans „The Sympathizer“
       > erzählt die Geschichte des Vietnamkriegs aus vietnamesischer Sicht.
       
   IMG Bild: Ständig etwas auf der Spur: Hoa Xuande als der „Hauptmann“
       
       Als der kommunistische Doppelagent mit dem Namen Hauptmann (Hoa Xuande)
       erfährt, dass er beim [1][Fall Saigons] 1975 nicht mit seinen Genossen den
       Sieg feiern kann, sondern in die USA fliehen muss, ist er entsetzt. Dort
       soll er undercover arbeiten und südvietnamesische Migranten ausspähen.
       Befehl ist Befehl.
       
       Die Hauptperson in der [2][HBO-Serie] „The Sympathizer“ der südkoreanischen
       Regie-Legende Park Chan-wook hat als CIA-Stipendiat in den USA studiert,
       dann in Saigon beim Geheimdienst gearbeitet. Doch eigentlich ist er
       Kommunist mit Leib und Seele und würde lieber seine vom Krieg zerstörte
       Heimat aufbauen.
       
       Jetzt flieht er im überfüllten Flugzeug zusammen mit seinem General (Toan
       Le) und anderen südvietnamesischen Militärs in die USA. Der siebenteiligen
       Serie liegt der 2015 erschienene und mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete
       Roman „Der Sympathisant“ von [3][Viet Thanh Nguyen] zugrunde. Er bietet
       eine vietnamesische Perspektive auf diesen für die US-Popkultur so
       wichtigen Krieg, die im US-Kulturbetrieb völlig fehlt.
       
       Selbst sozialkritische Filme wie „Die durch die Hölle gehen“ (1978) bleiben
       einer US-Sichtweise verhaftet und dämonisieren den vietnamesischen Gegner.
       „The Sympathizer“ erzählt als bitterböse Komödie ungeschminkt vom Rassismus
       gegen vietnamesische Geflüchtete und der Hybris der Amerikaner gegenüber
       Vietnamesen.
       
       Das beginnt beim Bürojob am Orientalistik-Fachbereich einer Uni in L.A., wo
       der Hauptmann auf einen ehemaligen Professor trifft, der ihn
       paternalistisch über seine „asiatischen Qualitäten“ aufklärt. Drastischer
       wird es, als der Hauptmann Authentizitäts-Berater eines Vietnam-Films wird,
       den ein durchgeknallter Star-Regisseur dreht, der Züge von Francis Ford
       Coppola und Oliver Stone (Anm. der Red.: Beide haben ikonische
       Vietnamkriegsfilme gedreht) trägt.
       
       ## Adaption wird Roman gerecht
       
       Sollten die vietnamesischen Darsteller im Film nicht auch ein bisschen Text
       bekommen, anstatt nur in die Luft gesprengt zu werden?, fragt der Hauptmann
       und zieht sich den Zorn des Regisseurs zu.
       
       Nguyens brillanten, ziegelsteingroßen Roman zu verfilmen, ist eine
       Herausforderung. Park Chan-wook wird ihr gerecht. Die Rahmenhandlung spielt
       in einem kommunistischen Umerziehungslager in Vietnam, wo der Hauptmann
       schließlich landet, nachdem er als Maulwurf mit südvietnamesischen Söldnern
       bei einem Himmelfahrtskommando im Dschungel gefangen genommen wird.
       
       Es ist die Lebensbeichte dieses zwischen allen Stühlen sitzenden Mannes mit
       französischem Vater und vietnamesischer Mutter, der sich von der
       US-Popkultur ebenso angezogen fühlt wie vom Kommunismus. Er steht oft kurz
       davor, als Doppelagent enttarnt zu werden.
       
       ## Satire mit viel Popmusik unterlegt
       
       Die Serie fächert ein Panorama der vietnamesischen Exilgemeinde in
       Kalifornien auf: Lana (Vy Le), die Tochter des Generals, beginnt eine
       Karriere als Popmusikerin, der junge Journalist Sonny (Alan Trong)
       berichtet kritisch über die rechten Umtriebe der Militärs, die sich eine
       Kommandoaktion von einem reaktionären US-Politiker finanzieren lassen,
       unterstützt von der CIA. Der Hauptmann hat diverse Affären, unter anderem
       mit der japanischen Sekretärin Sofia (Sandra Oh) am
       Orientalistik-Fachbereich.
       
       Die verschiedenen impertinenten US-Charaktere des CIA-Agenten Claude, der
       den Hauptmann führt, des widerlichen Regisseurs, des arroganten
       Uni-Professors und des reaktionären Politikers, der das
       Himmelfahrtskommando im Nachkriegs-Vietnam finanziert, spielt allesamt
       Robert Downey Jr. Unter Maske und Schminke ist er oft kaum zu erkennen.
       
       Die wilde Mischung aus Agentengeschichte, Kriegsfilm, Sozialdrama und
       rassismuskritischer Satire ist mit viel Popmusik unterlegt und bietet eine
       neue Perspektive auf die Geschichte des Vietnamkrieges.
       
       15 Apr 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Florian Schmid
       
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